Freitag, April 19, 2024

Das „System Tirol“ – Wie Agrar und ÖVP auf Kosten der Gemeinde profitieren

Tösens liegt tief im Herzen Tirols. 760 Menschen leben in der kleinen Gemeinde am Inn. Wie fast alle Gemeinden Tirols ist auch Tösens von tiefschwarzer Politik regiert. Das Gemeindebudget reicht, wie auch das der meisten anderen – durchgehend schwarzen – Gemeinden in Tirol, weit in die roten Zahlen hinein. ZackZack.at berichtete bereits über die Herrschaft von Agrargemeinschafts-Mitgliedern über Tösens. In diesem Teil geht es um die Verbindungen zur Gemeindepolitik. Auch Landeshauptmann Günther Platter ist mittendrin.  

Tösens, 20. September 2019 / Alexandra Keller, Autorin des „Schwarzbuch Agrargemeinschaften“, schreibt in ihrem Buch vom „System Tirol“: Ein System, in dem sich eine kleine Minderheit auf Kosten einer Mehrheit maßlos bereichert. Auf diesem Boden gedeiht ein System von Korruption und Freunderlwirtschaft prächtig – im Großen wie im Kleinen. ZackZack.at berichte darüber anhand der Gemeinde Tösens. Die Gemeinde ist eine wie viele andere in Tirol: wunderschön am Inn gelegen, umgeben von Tiroler Berglandschaft – wie im Bilderbuch.

Der Bürgermeister ist ÖVPler. Es gibt einen Kindergarten sowie eine Kinderkrippe, das Obergeschoß des örtlichen Kindergartens wird vom Schützenverein als Vereinslokal genutzt. Und dann noch die Gemeindeguts-Agrargemeinschaft, eine Gemeinschaft aus Bauern, die Gemeindegut verwaltet. Priorität: der Vorteil ihrer einzelnen Mitglieder. Und: der Obmann-Stellvertreter der Agrargemeinschaften ist gleichzeitig Bürgermeister von Tösens. Ein Interessenskonflikt? Nicht in Tirol!

Bauern helfen Bauern, ÖVPler helfen ÖVPlern

Wieder liefert Tösens das optimale Beispiel: überall Schulden. 86 % Schulden hat Tösens und ist damit ganz vorne dabei im Tiroler Schulden-Ranking. Ebenfalls verschuldet: Der Obmann der Gemeindeguts-Agrargemeinschaft. Also muss etwas getan werden. Dazu wird landwirtschaftliches Kulturgut kurzerhand in Gewerbegrund umgewidmet und ein Gewerbegebiet gebaut. Damit soll der Verschuldung der Gemeinde entgegengewirkt werden.  In der Hoffnung auf Einnahmen durch Kommunalsteuern.

Zuerst gibt’s für Tösens aber neue Schulden: man nimmt einen Kredit auf und kauft dem Agrar-Obmann seinen Grund ab. Dann wird zum Gewerbegebiet umgewidmet und fleißig in Infrastruktur investiert. Der Bürgermeister lobt sich – man stelle die Infrastruktur selbst her, so entstehe ein „schönes“ Gewerbegebiet. Über die Gemeindebürger wird dabei drübergefahren: Ein Bürger, dem ein Drittel dieser Fläche gehört, wehrt sich vehement. Wird ihm sein Land entzogen, um die finanzielle Not des Nachbarn zu lösen? Er bestreitet aktuell den Rechtsweg.

Ganz türkis: Wirtschaft profitiert auf Kosten der Steuerzahler

Nächster Tatort: Kindergarten! Tösens investiert unverhältnismäßig viel Steuergeld für den Kindergarten- und Krippen-Ausbau, nämlich ganze 2,7 Millionen Euro. Engagiert wird dafür – vermutlich rein zufällig – ein Unternehmen, an dem der Cousin des Bürgermeisters beteiligt ist. Und die ÖVP kann sich brüsten: Bei den Kindern wird nicht gespart! Zumindest nicht wenn’s ums Bauen geht. Mit Steuergeld. Was nicht posaunt wird: Die Gemeindeaufsicht macht Druck auf Tösens. Sie beanstandet, dass die getroffenen Maßnahmen zur Reduzierung der Verschuldung nicht ausreichend sind und forderte die Gemeinde auf, wirksamere Maßnahmen zu setzen. 2017 war der Schuldenstand noch bei 50,2% nach 2019 rechnet man mit einer 200%igen Verschuldung.

Unzählige Beschwerden und Anzeigen am Laufen

Laut eigener Auskunft sieht sich der Tösener Bürgermeister, Bernhard Achenrainer, mit rund 300 Beschwerden und Anzeigen konfrontiert. Unzählige sind es jedenfalls. Darunter Amtsmissbrauch und Untreue. Sie betreffen hauptsächlich die Verschwendungen bei der Gemeindegutsagrargemeinschaft mit unverhältnismäßigen Auszahlungen an Förderungen, die Widmungspolitik und die lockeren Ausgaben mit der Personalpolitik der Gemeinde.

Landeshauptmann Platter Ehrengast bei Kindergarteneröffnung

In den laufenden Anzeigen geht es auch um die Vergabe des Kindergarten-Bauprojekts. Bürger aus Tösens stießen sich daran, dass es wesentlich günstigere Varianten geben hätte können. So kostete die Errichtung einer Kinderkrippe in anderen Gemeinden vergleichsweise zwischen 15-25% der Ausgaben jener in Tösens.  Mehrere Vergehen im Vergabeverfahren wurden angezeigt. Die Staatsanwaltschaft befasst sich mit der Angelegenheit.

Ehrengast bei der Eröffnung im Herbst 2018: Günther Platter, Tirols Landeshauptmann. Warum? Das Projekt würde mit 1,1 Millionen vom Land Tirol gefördert. Denn auch das Land Tirol ist schwarz und brüstet sich mit seinen Ausgaben für Kinder – zumindest so lange es ums Bauen geht. Doch das Land Tirol war nicht der einzige Gönner, mit dabei: die GKI GmbH.

Im Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde Tösens werden Rest-Förderungen angeführt

GKI GmbH: Kraftwerksgesellschaft zahlt Gemeinde-Projekte

Der Zusatz im Gemeinderatsprotokoll, „lt. Ergänzungsvertrag“, macht neugierig. Um welchen Vertrag und Ergänzungsvertrag geht es? Im Gespräch mit dem Tösener Bürgermeister Achenrainer hat sich die Sache nur teilweise geklärt. Konkret geht es um einen Vertrag, den die Gemeinde und die GKI GmbH abgeschlossen haben. Im Vertrag werden sogenannte Entschädigungszahlungen festgesetzt, denn die GKI GmbH baut das GKI – Gemeinschaftskraftwerk Inn. Es entsteht an der Grenze zur Schweiz und befindet sich bereits in Fertigstellung. Auf den Vertrag angesprochen, reagierte der Tösener Bürgermeister äußert nervös.

Das Kraftwerk zerstört die Umwelt nachhaltig: vor allem jene sieben Gemeinden, die am Inn liegen, sind betroffen – darunter Tösens. Sie erhalten Entschädigungszahlungen aus einem Topf von insgesamt jährlich 550.000 Euro. ZackZack.at versuchte, an diesen Verteilungsschlüssel zu kommen – bisher erfolglos. Dieser unterliegt der Geheimhaltung. Warum? Haben die Bürger Tirols nicht das Recht zu erfahren, wie viel Entschädigungsgeld ihrer Gemeinde zusteht? Tiroler Transparenz!

Bürgermeister Achenrainer erklärte ZackZack.at, dass das Geld nichts mit einer Projektförderung aus dem Ergänzungsvertrag zu tun habe, sondern aus der jährlichen Entschädigungszahlung kommt. Im Gemeindeprotokoll steht schwarz auf weiß allerdings etwas anderes. Fließen hier zusätzliche Gelder von der GKI GmbH an die Gemeinde Tösens? Jedenfalls mutet die ganze Sache äußerst seltsam an.

ZackZack.at recherchiert weiter und wird sich in einem nächsten Artikel den Machenschaften rund um’s GKI widmen. Es bleibt spannend.

(lb)

Titelbild: Pixabay

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