2019 liefert Dominik Thiem seine bisher stärkste Saison ab. Diese krönte er nun mit dem “Austrian Slam”, dem heiß ersehnten Titel in Wien. Er ist damit der dritte Österreicher, der in der Stadhalle die Trophäe stemmte. Und er ist der erste Österreicher, der Kitzbühel und Wien gewinnt – und das in einem Jahr! ZackZack.at analysiert das aktuelle Spiel von Thiem und fragt: Was hat sich in seinem Spiel getan und warum sehen wir aktuell den stärksten Thiem, den es bisher gab?
Wien, 28. Oktober 2019 / Für die Veranstalter des ATP 500-Turniers „Erste Bank Open“ hätte die diesjährige Ausgabe wohl nicht besser laufen können: Lokalmatador Thiem holte sich erstmals den Titel und lieferte dabei im Halbfinale und im Finale eine bemerkenswerte Tennis-Show ab. Sowohl in der Vorschlussrunde, wie auch im Finale, benötigte Thiem drei Sätze, um als Sieger vom Platz zu gehen.
Überragende Statistik
Mit Siegen über Matteo Berretini und Diego Schwartzman verbesserte Thiem zwei Statistiken, die für eine überzeugende Saison sprechen: Von insgesamt 14 Entscheidungssätzen konnte er 12 gewinnen. Eine weitere Statistik ist fast noch beeindruckender: 20 Spiele lieferte sich Thiem mit Kontrahenten aus den Top 20 der Weltrangliste – 15 Mal ging er als Sieger vom Platz. Zum Vergleich: 2018 sah dieselbe Statistik ganz anders aus. Nach dem Turnier in Wien stand es 5-6 aus der Sicht von Thiem (2018 scheiterte er im Viertelfinale am Japaner Kei Nishikori, die damalige Nummer 11 der Weltrangliste, sehr deutlich mit 3-6 1-6).
Noch zwei Turniere stehen in dieser Saison an: Das Masters 1000 in Paris, wie Wien in der Halle und auf Hardcourt, und danach die World Tour Finals (WTF), das Turnier der besten acht Spieler der Saison – Thiem ist schon seit Längerem qualifiziert. Bisher kam er bei den WTF nie über einen Sieg in der Gruppenphase hinaus (gespielt wird beim Saisonabschluss in zwei Vierer-Gruppen, die jeweils besten zwei bilden das Halbfinale) – in diesem Jahr kann man aber sogar noch zum Schluss einiges von Thiem erwarten. Die Saison ist allerdings jetzt schon ein voller Erfolg. Was den Thiem von 2019 vom Thiem aus 2018 unterscheidet, schildert ZackZack.at in der großen Thiem-Analyse.
Die große Thiem-Analyse
- Der Return
Der Rückschlag ist nach dem Aufschlag der wichtigste Schlag im Tennis. Er war die große Schwachstelle Thiems, auch aufgrund seiner einhändigen Rückhand. Diese ist zwar prädestiniert, um Angriffe und Winner zu schlagen, der Return ist damit allerdings ungleich schwerer. Doch Thiem konnte sich in diesem Jahr stabilisieren, blockt Aufschläge auf seine Rückhand immer stabiler und zurück, und landet auch schon mal Return-Winner. Damit ist er vor allem auf schnelleren Plätzen in der Weltspitze angekommen. Davon zeugen die drei Turniersiege auf Hardcourt – Indian Wells, Peking und jetzt Wien. Er ist nicht mehr ausschließlich am Sandplatz so richtig gefährlich.
- Der Volley
Seit Thiem mit seinem neuen Coach Nicolas Massu, Tennis-Ikone aus Chile, zusammenarbeitet, wirkt er überzeugender am Netz. Er kommt öfter nach vorne und spielt die Volleys druckvoll weg. Auch der Volley ist vor allem auf schnelleren Plätzen eine wertvolle Waffe. Wie beim Return, ist auch beim Volley noch immer Luft nach oben, doch sind beide Schläge enorm verbessert.
- Die Spielvariation
Thiem wurde oft aufgrund seines fehlenden „Plan B’“ kritisiert. Er würde kopflos auf den Ball draufhauen und hoffen, die Bälle so schnell und präzise zu treffen, dass der Gegner überfordert ist. Doch das war ein Spiel mit viel Risiko und oft scheiterte Thiem an zu vielen unerzwungenen Fehlern. Mittlerweile ist Thiem gereift, seine Schläge zeigen viel mehr Kontrolle als früher. Zudem variiert er mehr: mehr Stopps, mehr Volleys, auch wird die Vorhand oftmals gerader gespielt – und nicht nur mit Thiem-typischem Top-Spin. Er entwickelte sich zum kompletten Spieler.
- Der Slice
Die stärkere Abmischung in seinem Spiel macht auch der verbesserte Slice möglich. Dieser wirkt mittlerweile flüssiger und schwieriger für den Gegner zu verarbeiten. Er kommt flacher und mit mehr Länge als noch letztes Jahr. Damit kann sich Thiem auch immer wieder aus der Defensive befreien.
- Das Selbstvertrauen
Natürlich: Tennis ist vor allem Kopfsache. Gerade in der Spitze der Weltklasse entscheiden Nuancen. Seit dem Sieg von Thiem beim ATP 1000 von Indian Wells, scheint Thiem mit mehr Selbstvertrauen ausgestattet. Das und ein krankheitsbedingtes Loch beim „America-Swing“ im Herbst, führte dazu, dass er nun zum Saisonabschluss voll im Saft steht. Mit den Titeln von Peking und Wien hat er die enttäuschenden US-Open vergessen machen können. Auch deshalb ist nun beim Saisonabschluss einiges zuzutrauen.
Fazit:
An vielen Ecken konnte Thiem sein Spiel auffällig verbessern und stabilisieren. Der Sieg in Wien, der letztes Jahr noch fast undenkbar war, ist ein weiterer Beweis. Er wird auch auf schnellem Hartcourt immer gefährlicher. Vom 26-jährigen Lichtenwörther darf sich Tennis-Österreich noch einige Sternstunden erhoffen.
(wh)
Titelbild: APA Picturedesk