Donnerstag, März 28, 2024

SPÖ am Ende? Niko Kern im Interview

Niko Kern im Interview

In der SPÖ rumort es gewaltig. Heute verschrieb die Partei-Chefin Rendi-Wagner der SPÖ einen harten Sparkurs. Ganz Östereich fragt sich: Ist die SPÖ noch zu retten? ZackZack.at traf sich mit Nikolaus Kern, Sohn des letzten SPÖ-Bundeskanzlers. Diskutiert wurde die explosive Lage der SPÖ.

Wien, 26. November 2019 /

Kürzlich gab es Medienrummel um Sie, weil Sie zur SOKO Ibiza mussten. Was war da los?

Was mich wirklich überrascht hat war, welche Information OE24 und Richard Schmitt (Chefredakteur, red) hatten. Das war kaum zu glauben. Da gibt es echt eine Menge undichte Stellen und zeigt nur den desolaten Zustand unserer Justiz. Es scheint, als tappe die SOKO völlig im Dunkeln, denn offenbar fällt mittlerweile immer mein Name, wenn in Österreich ein E-Scooter umfällt.

In welcher Beziehung stehen Sie aktuell zur SPÖ?

Ich war immer SPÖ-affin, allerdings Wechselwähler. Ich fand doch, dass die SPÖ ganz gute Konzepte hatte. Als ich relativ jung war, begann ich, mich für die SPÖ zu engagieren, das hat überhaupt nicht funktioniert. Dann wurde ich eingeladen, die „Sektion ohne Namen“ mitzubegründen. Dort bin ich aufgeblüht. Man traf junge Menschen, die wirklich etwas verändern wollen. Die wussten, dass die verkrusteten Strukturen aufgebrochen gehören.

Doch dann bin ich ausgetreten aus der Sektion, nachdem wir viel Gegenwind bekamen, weil wir nicht zu 100% „Kadavergehorsam“ zeigten. Es gefiel auch nicht, dass wir durch geschicktes Marketing eine gewisse Reichweite hatten. Da gab es teilweise fast Drohungen. Dann bin ich zurückgetreten, um der Sektion das zu ersparen.

Und jetzt, was ist Ihre Rolle? Haben Sie die SPÖ aufgegeben?

Wirklich gebrochen mit der SPÖ habe ich, als Herr Christian Deutsch (Bundesgeschäftsführer SPÖ, red), der nicht unbedingt für sonderliche Kompetenzen bekannt ist, abgesehen von gewissen Intrigen, befördert wurde. Aber ich will nicht böse sein, der hat sicher viele Kompetenzen, die kann er halt ziemlich geschickt vor der Öffentlichkeit verbergen. Dann war mir aber völlig klar, in welche Richtung es bei der SPÖ geht. Nach dem mit Abstand schlechtesten Ergebnis bei einer NR-Wahl sagte man: „Gute Arbeit, Herr Deutsch, wir werfen Sie nicht raus, wir belohnen Sie und machen Sie zum Bundesgeschäftsführer.“

Ich trat aus der SPÖ aus, hielt das aber geheim. Später habe ich das Gerücht aber bestätigt. Ich hoffte, ein bisschen öffentlicher Druck könnte etwas ändern. Nicht, dass die SPÖ am Weg in die politische Unterwelt ist und das nicht einmal realisiert.

Warum wird die Lage der SPÖ eigentlich so öffentlich diskutiert? Als die ÖVP am Boden lag – noch gar nicht so lange her – war das ja nicht so.

In der ÖVP sind die Intrigen weiter intern. In der SPÖ gibt es einige mitteilungsbedürftige Personen. Die Querschüsse von Doskozil und Dornauer sind irre. Denen müsste man auf die Finger klopfen. Und damals, als die ÖVP am Boden lag, war Sebastian Kurz schon der De-facto-Chef. Das Strategiepapier „Projekt Ballhausplatz“ war schon lange vorher geschrieben. Er bereitete sich professionell auf den Königsmord vor. Mit Werner Amon, Wolfgang Sobotka und Reinhold Lopatka ritt er dann immer aus und sabotierte die gut funktionierende rot-schwarze Regierung.

Man könnte aber auch sagen: Die öffentliche Diskussion zeigt, dass sich viele Menschen um die SPÖ große Sorgen machen, oder?

In den sogenannten „Zukunftslabors“ (aktueller Erneuerungsprozess der SPÖ, red) steht drin: Man wolle mit allen reden, mit allen Funktionären, mit allen Mitgliedern und allen Wählern. Aber dann kommt Herr Deutsch und sagt: „Die Meinung von Herrn Fussi, Herrn Babler (Bürgermeister von Traiskirchen, red) und von mir interessiert mich nicht.“ Das passt nicht zusammen. Die Leute da oben in der SPÖ wollen nur das hören, was sie selber denken. Kritische Meinungen, mit denen setzen sie sich nicht auseinander.

Braucht die SPÖ eine kantigere inhaltliche Linie oder neue Gesichter?

Inhalte sind schön und gut. Aber wenn niemand weiß, wofür die SPÖ steht, dann gehören auch die Gesichter ausgetauscht. Nicht einmal die eigene Vorsitzende (Pamela Rendi-Wagner, red) weiß, wofür die SPÖ steht. Die Kommunikation gehört massiv geschärft. Die Inhalte müssen runtergebrochen werden. Aktuell wissen die Leute nur: Was die Funktionäre bekommen zum Beispiel 6.000 Euro Urlaubsgeld pro Tag. Das geht nicht. Da ist die Glaubwürdigkeit völlig verloren.

Wer sollte die SPÖ führen? Gibt es überhaupt Personen, die die SPÖ übernehmen könnten? Julia Herr zum Beispiel?

Das Schöne an der SPÖ ist, dass sie eigentlich eine Volkspartei ist. Man braucht Leute wie Julia Herr. Aber als Parteichefin muss sie noch ein bisschen was lernen. Es gäbe schon Leute: Werner Gruber, der hat Handschlagqualität, Hemdsärmelqualität und ist sehr intelligent. Aber auch Sonja Hammerschmidt. Aber das ist leider alles sehr unrealistisch. Aber man könnte Gerhard Zeiler nehmen. Jetzt, wo er ein Buch geschrieben hat und meint, er hätte alles besser gemacht, soll er bitte in die erste Reihe. Oder warum nicht Doris Bures? Die wäre eine geniale Option! (lacht) Nach ein paar Jahren Vorsitz von Bures weiß man, dass die SPÖ bereit ist, sich komplett neu zu gründen.

Elke Kahr sagte im Interview zu ZackZack.at: Die KPÖ wird in Graz als neue Sozialdemokratie gesehen, weil sie bei den konkreten Problemen von einzelnen Menschen hilft. Sie macht das, was früher die SPÖ gemacht hat. Liegt das Drama SPÖ vielleicht einfach daran, zu weit weg von den Problemen der Menschen zu sein?

Früher gab es die Parteikassierer. Die haben mit den Leuten gesprochen. So kam man ins Gespräch. Jetzt gibt es noch vereinzelt Hausbesuche. Aber die Struktur ist komplett undurchsichtig. Das müsste sich grundlegend ändern. Wenn eine Sektion viele Mitglieder wirbt, dann sollten sie mehr Einfluss bekommen. Jetzt weiß man nicht einmal, wer eigentlich mitreden kann. Wer wirklich für die SPÖ Mitglieder wirbt, sollte viel mehr Mitspracherecht haben.

Bräuchte es eine viel einheitlichere Bewegung von Links gegen die rechtskonservative Mehrheit?

Die Linke glaubt, dass man sich gegenseitig immer kannibalisiert. Bei der NR 2017 hatte man 2,5% weniger im linken Spektrum als 2019. Was mir vollkommen unverständlich ist: Das erste, was die SPÖ jetzt macht, mit Vollgas gegen die Grünen zu schießen. Und die Grünen schießen im Gegenzug gegen die SPÖ und sagen: „Na der Kurz und seine Jünger, die sind schon okay, denen kann man vertrauen.“

Aber jeder will das Beste für Österreich. Sogar die FPÖ will – in ihrer Welt – das Beste für Österreich. Nur die ÖVP, die will, glaube ich, nur das Beste für die eigenen Wählergruppen. Aber wenn man ideologisch näher bei einer Partei steht, dann sollte man Bündnisse schließen. Stattdessen zerfleischt man sich selbst und hofft ein paar Wähler abzugreifen.

Und jetzt die Kündigungen: Spart die SPÖ am richtigen Fleck?

Keineswegs. Es ist völlig unverständlich, dass kleine Mitarbeiter, die teilweise wirklich viel arbeiten, jetzt unter die Räder kommen. Andere Leute müssen nicht zurückstecken. Dass Neddi (Nedeljko Bilalic, Berater, red) jetzt weniger Gehalt bekommt, nur mehr 8.000 Euro, ist okay, aber ich würde vorschlagen, der sollte Null Euro bekommen. Und dass Doris Bures oder andere Gutverdiener nicht sagen: Okay, ich zahl ein bisschen mehr Parteisteuer, verstehe ich auch nicht. So werden Leute jetzt arbeitslos, die sich echt reinhängen. Aber das sind die Leute, die für die SPÖ wirklich etwas leisten. Andere, die zu gut verdienen, tun leider das Gegenteil.

Werden sich Pamela Rendi-Wagner und Christian Deutsch noch lange halten?

Ich glaube, es ist vorbei. Beide hatten viele Chancen. Aber die haben sie jetzt völlig aufgebraucht. Ich habe Rendi-Wagner bis vor einiger Zeit immer verteidigt. Aber man sieht jetzt, sie haben weder Interesse an Erneuerung, noch die Kraft dafür.  Sie müssten den Sessel für echte Veränderung frei machen. Aber es geht ihnen um Macht, Kohle und um Jobs für ihre Freunde.

 (ot)

Titelbild: zackzack.at

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