Freitag, März 29, 2024

Wer die Umwelt zerstört – Teil 1

Sind die Konsumenten am Umweltdesaster schuld?
Ein Hintergrundbericht

Der steigende Anteil an Treibhausgasen in unserer Atmosphäre ist vielen Ursachen geschuldet. Was gerne übersehen wird: viele dieser Ursachen führen zu massiver Umweltzerstörung, die deutlich sichtbarer sind als der Klimakatastrophe an sich. Doch die Debatte wird völlig falsch geführt. Noch immer wirken die Mechanismen des Lobbyismus der multinationalen Rohstoff– , Energie- und Wirtschaftskonzerne. Mit der Folge, dass sich die Konsumenten verantwortlich fühlen sollen und nicht die eigentlichen Verursacher.

Wien, 01 Dezember 2019 / Das Jahr 2019 war das Jahr der Greta Thunberg. Aus einer zahnlosen Debatte zum Klimaschutz ist ein weltweiter polarisierender Diskurs entstanden, der auf vielen Ebenen geführt wird. Plötzlich ist es hip, Klimaschützer oder aber Klimawandelleugner zu sein. Letztliches ist vermutlich ein Nachhall des Lobbyings der Ölkonzerne seit den 1970er Jahre. Geld macht leider noch immer Politik.

Beispiel 1 – Aluminium

Das Beispiel Aluminium zeigt, an wie vielen Punkten die Umweltzerstörung greift und welche Folgen sie hat. Es geht um weit mehr als den exorbitante Energieeinsatz in der Produktion. Obwohl das dritthäufigste Element des Erdmantels, ist Aluminium in Wahrheit viel zu schade, um als Getränkeverpackung zu enden.

Weltweiter Verbrauch übersteigt alle Recyclingmöglichkeiten

Aluminium ist nach Stahl der zweitwichtigste metallische Werkstoff für die Menschheit. 2018 wurden 64,3 Millionen Tonnen Aluminium produziert, dazu kommen rund 12 Millionen Tonnen, die aus dem Recycling gewonnen wurden. Anhand dieser Zahlen wird schnell deutlich, dass Aluminiumrecycling auf Grundlage des Gesamtverbrauches ein Minderheitenprogramm ist. Diese Zahlen stammen von der Düsseldorfer IKB-Bank und decken sich in keiner Weise mit den Angaben aus Wikipedia oder aus der Aluminiumindustrie. Die ZackZack-Recherche zeigt, dass es gar nicht so einfach ist, an verlässliche Zahlen zu kommen. Warum, zeigt uns das nächste Beispiel.

Kaffeekapseln als Klimakiller?

Die Behauptung mancher Kaffeekapselhersteller, dass alle ihre Alukapseln aus Recyclingaluminium stammen, darf auf Grundlage der obigen Zahlen bezweifelt werden. Das hat zwei Gründen: Erstens fehlt es an wirklich funktionierenden Sammelsystemen. Einzig die Schweiz kann eine gesicherte Quote von 50% Rücklauf bei Kaffeekapseln nachweisen. Erfahrungsgemäß funktioniert es in den anderen Ländern meist schlechter, aber dazu gibt es keine Zahlen.

Zweitens ist der weltweite Aluminiumverbrauch deutlich höher als es das Angebot am Sekundärrohstoff Recyclingaluminium gibt. Das gilt auch auf die Kaffeekapselhersteller. Letztlich aber müssen wir ihnen glauben, denn die Wahrhaftigkeit ihrer Behauptungen lässt sich aber auf Basis der öffentlich zugänglichen Zahlen schlecht oder gar nicht beweisen.

Es liegt am Gesetzgeber, Transparenz in die Märkte zu bringen und nicht am Konsumenten. Ganz nebenbei: Die etwa sechs Gramm Kaffee, werden von etwa 4-5 Gramm Kapsel plus Umverpackung umhüllt.

Landschaftszerstörung als Folge des Aluminiumhungers

Da Aluminium ein sehr unedles Metall ist, ist es praktisch nicht in reiner, sondern immer nur in gebundener Form vorhanden. Das schränkt die wirtschaftliche Rohstoffgewinnung von Aluminium stark ein. Das Ausgangsmaterial für die Aluminiumproduktion ist damit auf Bauxit beschränkt.

Bauxit wird überwiegend im Tagebau gefördert. Das führt in vielen Fällen zur Zerstörung ganzer Landschaften. Soll der Abbau nachhaltig passieren, so müssen die freigesetzten humushaltigen Erdschichten zunächst zwischengelagert werden, um nach Ende des Tagebaus zur Rekultivierung verwendet zu werden. Das würde die Kosten von Aluminium aber weiter nach oben treiben. Also wird es in den allermeisten Fällen nicht gemacht. Das gilt übrigens für viele Formen des Tagebergbaus.

Von den heute bekannten Bauxitreserven lagert ein großer Teil im Tropengürtel. In den Hauptabbauländern – Guinea, Jamaika, Indien, Australien und Brasilien – wird für den Abbau teilweise großflächig Regenwald zerstört. Das dürfte nur wenigen Konsumenten so richtig bewusst sein.

1000 Kohlekraftwerke für die Aluminiumherstellung

Die Gewinnung von Aluminium aus den gewonnenen Aluminaten ist sehr energieaufwendig. Zwischen 12,9 und 17,7 Kilowattstunden an elektrischer Energie müssen für die Herstellung von einem Kilogramm Rohaluminium eingesetzt werden. Die Produktion von Rohaluminium aus Bauxit verbrauchte 2018 Strom in der Dimension von etwa 1.000 Billion kWh.

Anders ausgedrückt: Das ist der Strom, den rund 1.000 Kohlekraftwerksblöcke produzieren. Aluminiumhütten rechnen sich nur dort, wo billiger Strom in großen Mengen zur Verfügung steht! Deshalb sind die Staaten, die den Primärrohstoff Aluminium abbauen, nicht unbedingt auch die Länder in denen Aluminium hergestellt wird.

150 Millionen Tonnen giftiger Rotschlamm pro Jahr

Ein weiterer Nachteil der Aluminiumherstellung ist ein Abfallprodukt der Aufschließung von Bauxit in Aluminiumoxid mittels Natronlauge. Dieser als Bayer-Verfahren bezeichnete Prozess führt dazu, dass pro Tonne Aluminiumoxid rund 1 bis 1,5 Tonnen Bauxitrückstände anfallen. Pro Jahr bleiben damit rund 150 Millionen Tonnen Bauxitrückstände zurück und belasten die Umwelt.

Der Rotschlamm enthält die im Bauxit vorhandenen Fremdstoffe. Umweltbelastend sind vor allem die darin enthaltenen giftigen Schwermetalle wie Arsen, Chrom und Quecksilber. Auch die im Rotschlamm enthaltene Natronlauge ist gefährlich.

Es gibt seit Ende des 19. Jahrhunderts Möglichkeiten, die im Rotschlamm enthaltenen Rohstoffe zu verwenden. Schätzungen aus 2017 zufolge werden aber nur 2 bis 3,5 Millionen Tonnen Rohstoffe aus Bauxitrückständen wiederverwertet, das sind gerade einmal 1 bis 2 Prozent des anfallenden Abfalls. Die EU hat dazu ein Forschungsprojekt aufgelegt, um den Anteil der Rohstoffgewinnung aus den Herstellungsabfällen zu erhöhen. Letztlich ist das aber ein Tropfen auf den heißen Stein.

Bei der Lagerung von Rotschlamm kam es in der Vergangenheit auch zu Unfällen: Am 4. Oktober 2010 traten beim Kolontár-Dammbruch in Ungarn zwischen 700.000 und 1 Million Kubikmeter Rotschlamm aus den Speichern eines Aluminiumwerks in der ungarischen Ortschaft Ajka aus. 150 Menschen wurden verletzt. 10 Menschen starben. Ein Jahr später wurde der Betreiber zu einer Strafzahlung von 500 Millionen Euro verurteilt, doch das Unternehmen war bankrott. Somit blieb die Allgemeinheit auf den Kosten sitzen.

Das Alu-Recycling-Märchen

Aluminium ist sehr unedel. Das hat viele Vorteile. Es sich zum Beispiel sehr gut mit anderen Metallen legieren. Aluminiumlegierungen gibt es für viele Anwendungsfälle – Automotoren etwa. Der Nachteil ist, dass sich verschiedene Metalle nicht mehr aus der Aluminiumlegierung entfernen lassen. Somit kann Recycling-Alu nur mit reinem Aluminium „verdünnt“ werden. Doch das ist nicht bei allen Legierungen möglich. Am Ende bleiben „Sondermüll“ oder eben das Downcycling. Recycling ist damit nur bei wirklich sortenreinem Aluminium möglich.

Aluminiumherstellung – ein Versagen der Politik?

An diesem Punkt kommt nun die Politik ins Spiel. Es wäre ein Leichtes, den Umgang mit Aluminium besser zu regeln. Würden die wahren Kosten der Aluminiumherstellung den Produzenten und den Inverkehrbringern angelastet, so wären Aludosen auf grund des höheren Preises keine geeigneten Getränkeverpackungen. Die Recyclingquoten im Bereich der Sekundärrohstoffe müssen nicht nur höher werden, sondern der auch der Markt für Sekundärrohstoffe muss besser geregelt werden. Derzeit ist Primärrohstoff in vielen Fällen einfach billiger, weil die Kosten der Umweltbelastung bzw. Umweltzerstörung nicht im Preis abgebildet sind.

Die wahre Macht des Konsumenten ist endlich

Das Beispiel Aluminium macht deutlich, dass viele Kosten der Allgemeinheit angelastet werden und nicht dem Verursacher. Die Rotschlammkatastrophe in Ungarn zeigt, wie leichtfertig die Hersteller mit dem Risiko hantieren.  Das Totschlagargument der Konzerne und mancher Politiker, dass letztlich alle Macht beim Konsumente liegt, ist leider falsch. Würde Aluminium einen „gerechten“ Preis haben, wäre die Aluminium-Getränkedose wahrscheinlich erheblich teurer und für viele Konsumenten unattraktiv.

Beispiel 2: Wie große Anbieter kleine aus dem Markt drängen – dank kluger Gesetze

Kleine Brauereien, gerne als Craft-Beer-Manufakturen bezeichnet, können in Österreich unmöglich an einem Pfandflaschensystem teilnehmen, weil es keine 0,33 Bierflaschen in einem Pfandsystem gibt. Bei 0,5 Liter Pfandflaschen sind die Mindestabgabemengen an Leergebinden so groß, dass Craft-Beer-Hersteller praktisch immer in ihrer Logistik überfordert sind. Aus diesem Grund fliegen die Craft-Beer-Produzenten dann aus dem Angebot der Wirte, wenn diese auf nachhaltiges Wirtschaften umstellen wollen und damit am einem Pfandsystem teilnehmen müssen. Hier beißt sich also die Katze in den Schwanz.

Es wäre aber ein Leichtes, bei Pfandfalschen oder bei Alu-Dosen den Markt gesetzlich in die richtige Richtung zu reglementieren. Das gilt gerade für den Biermarkt, der von immer größeren multinationalen Konzernen beherrscht wird, die diktieren, was geliefert wird und was nicht. Einwegglasflaschen sind zwar besser als Alu-Dosen, doch beides ist aus ökologischer Sicht deutlich schlechter er als ein funktionierendes System mit Mehrweggebinden.

Lokale Brauereien haben den Vorteil kurzer Wege, was bei Flaschenpfandsystemen wesentlich ist. Dieser Kostenvorteil lässt sich jedoch kaum realisieren, weil auf der Straße und bei der Behälterproduktion, sei es nun Glas oder Aluminium, keine Kostenwahrheit herrscht. Außerdem wollen große Konzerne billig produzieren, das geht in kleineren Brauereien nur zu höheren Kosten. Sind die Transportkosten niedrig, ist das auch kein Problem. Ein flächendeckendes Rücknahmesystem würde den Markt deutlich verändern.

Die Politik verkennt ihre Aufgabe beim Umweltschutz

Letztlich ist es eine essentielle Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für den Markt festzulegen. Dabei muss das gesellschaftliche Interesse über dem Einzelinteresse stehen. Es geht um Kostenwahrheit. Und diese von den Verursachern zu den Gemeinkosten hin zu verschieben, nützt uns allen nichts, wenn die Erde damit immer mehr zerstört wird. Diese Betrachtungsweise ist den Politikern offenbar fremd (geworden).

Daher gilt: Es liegt in vielen Fällen gerade NICHT am Verbraucher, sondern an falschen Rahmenbedingungen, dass die Umweltpolitik (weltweit) aus dem Ruder gelaufen ist.  

Im kommenden 2. Teil von „Wer die Umwelt zerstört“ geht es um das Thema Landwirtschaft.

(sm)

Titelbild und Artikelbilder: pixabay.com CC 4.0; Bearbeitung ZackZack-Grafik

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