Donnerstag, März 28, 2024

Sündenbock Konsument – Wer die Umwelt zerstört – Teil 2

Wer die Umwelt zerstört – Teil 2
Ein Hintergrundbericht zur Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist einer der größten Verursacher des Klimawandels. Das ist eine Tatsache. Das Totschlagargument der Landwirtschaftsindustrie und deren Lobbys: Wir müssen den Planeten ernähren. Unausgesprochener Nachsatz: Koste es, was es wolle. Betrachtet man das große Bild, dann wird deutlich, wie stark die Landwirtschaft in die „Umgestaltung“ unserer Erde eingreift.

Wien, 08. Dezember 2019 / Nach dem Thema Aluminium im ersten Teil unserer Serie „Wer die Umwelt zerstört“ geht es diesmal um die Landwirtschaft in ihren vielen Ausprägungen. 31% der Klimagasemissionen schreibt der Weltklimarat IPCC direkt der Landwirtschaft und veränderter Landnutzung zu. Verarbeitung, Transport, Kühlung, Erhitzung, Zubereitung und Entsorgung von Lebensmitteln hinzugerechnet, die der IPCC in anderen Sektoren verbucht, ergibt: über 40% aller Emissionen hängen davon ab, wie wir uns ernähren und Landwirtschaft betreiben. Doch die Klimaerhitzung ist nur ein Teilaspekt des großen Ganzen.

Klimakiller Landwirtschaft

„Die Landwirtschaft in Deutschland trägt maßgeblich zur Emission klimaschädlicher Gase bei. Dafür verantwortlich sind vor allem Methan-Emissionen aus der Tierhaltung, das Ausbringen von Wirtschaftsdünger (Gülle, Festmist) sowie Lachgas-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden als Folge der Stickstoffdüngung (mineralisch und organisch).“

Dieses Zitat entstammt keiner NGO oder der IPCC, sondern ist hochoffiziell auf der Website der Deutschen Bundesumweltamtes zu lesen.

In Österreich gibt es keine Landwirtschaft

Pikant: In Österreich ist auf den ersten Blick online nichts zu diesem Thema zu finden. Dann wird ein Kunstgriff auffällig, den das Umweltbundesamt in Wien anwendet, um sich der Google-Suche zu entziehen: aus der Landwirtschaft wird die Landbewirtschaftung. „Nachhaltige Landbewirtschaftung“ ist die Kapitelüberschrift im 12. Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes. In keiner der Überschriften des Kapitels über die „Landbewirtschaftung“ kommt das Wort Landwirtschaft vor. Das ist insofern erstaunlich, da laut Bericht 87 Prozent der Ladefläche Österreichs von Land- und Forstwirtschaft geprägt sind. Möglichst nicht online gefunden werden ist offenbar die Devise.

Die Landwirtschaft und das Grundwasser

Österreich ist quasi ausnahmslos von Grundwasser abhängig, wenn es um die Wasserversorgung der Menschen in diesem Land geht.

„Die Nährstoffeinträge von Stickstoff und Phosphor aus diffusen Quellen, insbesondere aus der Landwirtschaft, treten daher in den Vordergrund.“

So das Bundesumweltamt in Wien zum Thema Nitratbelastung im Grundwasser. Weiter heißt es: „Bundesweit wird das Qualitätsziel für Nitrat im Grundwasser bei etwa 10 Prozent der Messstellen überschritten.“ Die Karte macht es deutlich.

In Deutschland hat sich die Lage schon deutlich mehr zugespitzt. Die Versorgung von Deutschland mit einwandfreiem Trinkwasser wird immer schwieriger. Der Nitratgehalt im Grundwasser ist vielerorts zu hoch. Für Versorgungsunternehmen wird es immer aufwendiger, daraus Trinkwasser zu machen. In einigen Regionen werden die Grenzwerte um das Achtfache überschritten. Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Naturschutzbundes, dem über eine Million Mitglieder angehören, Leif Miller findet klare Worte:

„Es ist nicht akzeptabel, dass wir Steuerzahler das Nitratproblem über unsere Wasserrechnung mit ausbaden müssen.“

Damit ist klar: die Gülleausbringung und Nitratdüngung ist ein ernstes Problem, gerade hier in Mitteleuropa.

In Gebieten mit einem hohen Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche, geringen Niederschlagsmengen und hoher Verdunstung können durch Ertragsschwankungen und geringe Grundwasserneubildungsraten bereits niedrige Nitrat-Überschüsse zu hohen Konzentrationen im Sickerwasser führen.“

So der Bericht des Bundesumweltamts in Wien. Die Kosten für die immer aufwendigere Trinkwasseraufbereitung trägt aber der Verbraucher. Das Verursacherprinzip wird somit ad absurdum geführt. Weil es wieder mal um billige Lebensmittel geht und die Abfälle der Massentierhaltung, Kot und Urin, dafür billig entsorgt werden sollen. Die Kosten trägt die Allgemeinheit.

Landraub als Geschäftsgrundlage

“Land Grabbing”, so der gebräuchliche Begriff für Landraub, wird seit der Finanzkrise 2007 immer mehr zum Problem. Investoren habe die Möglichkeit entdeckt, in landwirtschaftliche Flächen zu investieren. Und das tun sie auch – weltweit. Mit entsprechenden Folgen.

„Sichere Pacht- und Eigentumsverhältnisse und vergleichbare Formen von Gemeinschaftseigentum samt der entsprechenden Wassernutzungsrechte sind unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass bäuerliche Betriebe in die eigene Zukunft investieren. Sie sind die Grundlage aller nachhaltigen Entwicklung und Bodenbewirtschaftung. Kaum ein Wirtschaftsbereich der Welt ist so intransparent wie der des Grundeigentums.“

So steht es im Weltagrar-Bericht. Das zeigt, wie problematisch das Thema in vielen Ländern der Welt ist.

Mindestens fünf Prozent der gesamten Ackerfläche Afrikas hat in den letzten Jahren ihren Besitzer gewechselt. Die größten Landnahmen konzentrieren sich auf Länder, deren Rechtsverhältnisse besonders unsicher und deren Regierungen schwach sind. Sie haben zudem einen besonders hohen Bevölkerungsanteil an Hungernden. An der Spitze liegen die Demokratische Republik Kongo, der Sudan, Mosambik, Äthiopien und Sierra Leone. Oxfam, ein Zusammenschluss verschiedener Hilfsorganisationen, hat diese Daten zusammengetragen.

Die Weltbank hat dazu eine eindeutige Meinung: „Bei der Verpachtung oder dem Verkauf von Ackerland werden die Rechte der lokalen Bauernbevölkerung oft missachtet, was die Lebensgrundlage vieler Menschen vor Ort akut bedroht. Neben der Bauernvertreibung sind auch geringere Löhne sowie Umweltschädigungen problematisch.“ Von all dem erfährt der Konsument wenig bis gar nichts. Immerhin haben sich mittlerweile mehrere große europäische Pensionsfonds aus diesen Spekulationsgeschäften zurückgezogen. Eine klarere Kennzeichnungspflicht könnte Abhilfe schaffen, aber dagegen wehrt sich die Agrarlobby bisher erfolgreich.

Bioenergie

Die Idee war gut gemeint, Biodiesel als Kraftstoff zu verwenden. Alles war perfekt: Klimaneutral, biologisch viel leichter abzubauen als Diesel aus Erdöl und dazu noch vom heimischen Acker. Doch letztlich ist das eine Sackgasse, die dazu geführt hat, dass Indonesien und Malaysia zu den größten Palmölproduzenten der Welt aufgestiegen sind, mit nicht wiedergutzumachenden Folgen für die Umwelt, genauer gesagt den Regenwald.

Auch wenn die Bilder schon älter sind: sie zeigen, was passiert, wenn der Regenwald der Landwirtschaft geopfert wird. Die Bewaldung von Borneo im Jahre 1985 links und 2007 rechts. (Bilder: WWF)

Die große Illusion

Gerade einmal 6 Prozent des Dieselbedarfs von Deutschland lässt sich bei einer monokulturellen Bewirtschaftung der gesamten deutschen Anbaufläche mit Raps decken. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Palmöl ist besser geeignet und billiger. Aber der Preis ist hoch. In Südostasien verschwindet der Regenwald. Und die Wertschöpfung für die Einheimischen bleibt gering. Denn die Bewirtschaftung von Palmölplantagen ist wenig arbeitsintensiv.

EU macht eine Kehrtwende

Nachdem die EU Anfang des Jahrtausends ihre Mitglieder dazu gezwungen hat, aus Klimaschutzgründen Biodiesel dem konventionellen Diesel zuzumischen, hat mittlerweile ein Umdenken stattgefunden. Ab 2030 ist der Einsatz von Palmöl als Grundlage für die Biodieselproduktion verboten. Ob dann aber noch Regenwald auf Borneo und Sumatra übrig ist, sei dahingestellt. Und wieder ist es der Verbraucher, der sich diesmal den schlechten Entscheidungen des Gesetzgebers beugen musste.

Die Afrikanische Schweinepest als Warnsignal?

Die Fleischproduktion als großer Teil der Landwirtschaft ist schon länger in Verruf geraten. Es ist nicht nur die damit verbundene, letztlich „unmenschliche“ Massentierhaltung, die unsere Teller füllt, sondern der Hang nach immer billigerem Fleisch. Das Gewissen endet offenbar vor dem Supermarktregal. Nur Massenproduktion ist in der Lage, billiges Fleisch zu produzieren. Diese Massenproduktion hat dazu geführt, dass 60 Prozent aller Säugetiere auf der Erde mittlerweile Nutztiere sind. 36 Prozent macht der Mensch aus. Somit sind nur mehr 4 Prozent aller Säugetiere tatsächlich wildlebend.

200 Millionen Schweine als Kollateralschaden

Wohin das führen kann, zeigt uns aktuell die sich derzeit weltweit ausbreitende Afrikanische Schweinepest. In China wütet die Seuche, die von einem Virus verursacht wird. 40 Prozent des gesamten Schweinbestandes Chinas sind der Seuche bisher zum Opfer gefallen. Das sind laut Rabobank rund 200 Millionen Schweine. Die Großhandelspreise für Schweinefleisch haben sich innerhalb weniger Wochen um beinahe 170 Prozent erhöht. Die Konsumenten weichen auf Geflügel aus und damit steigern auch dort die Preise. Während sich derzeit die europäischen Produzenten freuen, leiden die Tierfutterhersteller, da der Bedarf in China drastisch gesunken ist.

In Polen und Tschechien sind mittlerweile mehrere Fälle der afrikanischen Schweinepest aufgetreten. Es scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein, bis die Seuche in Österreich und Deutschland ankommt. Die Verunsicherung ist groß. Dänemark hat letztes Jahr einen durchgehenden Zaun zu Deutschland errichtet, um Wildschweine am Grenzübertritt zu hindern. Doch die gefährliche Krankheit kann auch durch Fleischwaren und Fleischabfälle übertragen werden. Für den Fall, dass größere Teile Deutschlands von der Afrikanischen Schweinepest befallen werden, rechnen Fachleute mit einem Schaden von mehr als zwei Milliarden Euro. Diese wird dann wohl der Steuerzahler schultern – durch staatliche Beihilfen und höhere Fleischpreise.

Komplexes System trifft auf Politik

Alle in diesem Artikel genannten Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt eines äußerst komplexen Systems namens Landwirtschaft. Tatsache ist, dass die Politik weltweit seit Jahren darauf drängt, die großindustrielle Landwirtschaft zu befördern. Größer ist besser, das ist die Devise, mit noch vielen ungeahnten Folgen. Die 200 Millionen toten Schweine in China sind vielleicht nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Komplexe Systeme haben Kipp-Punkte eingebaut, an denen das System in ein anderes, neues Gleichgewicht übergeht und es kein Zurück mehr gibt. Ob das Verbraucherverhalten wirklich an allen Auswüchsen der Landwirtschaft schuld ist, das darf berechtigterweise in Zweifel gezogen werden.

Im 3. Teil von „Wer die Umwelt zerstört“ geht es um das Thema Fracking. Der 1. Teil ist über diesen Link erreichbar.

(sm)

Titelbild und Artikelbilder: picturedesk.com / pixabay.com CC 4.0; Bearbeitung ZackZack-Grafik

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