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Skandalkalender: Türchen 12

Die Silberstein-Affäre

Der Politikberater Tal Silberstein wird im Nationalrats-Wahlkampf 2017 von der SPÖ engagiert, für die er Anti-Kurz-Kampagnen entwerfen soll. Durch geleakte Dokumente werden seine Methoden bekannt, die SPÖ verliert wenig später die Wahl. Doch am Ende bleiben viele Fragezeichen.

Wien, 11. Dezember 2019 / Am 21. August publiziert das Nachrichtenmagazin „Profil“ eine Coverstory mit dem Titel: „SPÖ-Debakel: Das Geheimnis des Herrn Silberstein“. Es ist der Anfang vom Ende einer letztlich erfolglosen Kandidatur von SPÖ-Hoffnung Christian Kern. Im Mittelpunkt der Affäre: der Politikberater Tal Silberstein.

Wer ist Tal Silberstein?

Tal Silberstein und sein Team werden von der SPÖ im Zuge des Wahlkampfes 2017 engagiert. Der Israeli ist kein Unbekannter in der österreichischen Polit-Szene.

NR-Wahlkampf 2006: Silberstein arbeitet für SPÖ-Kandidat Gusenbauer in entscheidender, beratender Funktion. Mit Erfolg: Wolfgang Schüssel wird abgewählt, Gusenbauer Kanzler. Vorwürfe, Silberstein würde mittels Negativkampagnen den damaligen Kanzler Schüssel zu Unrecht in ein schlechtes Licht rücken, kommen von Seiten der ÖVP.

Wien-Wahlkampf 2015: Silberstein arbeitet, offenbar unentgeltlich, für die NEOS. Auch hier mit Erfolg: erstmals ziehen die Liberalen mit 6,16 Prozent in den Landtag ein. Bei den Pinken ist der Berater allerdings umstritten: seine Methoden seien für die mit „Anstand“ und „Transparenz“ werbende Partei zu populistisch, so die internen Kritiker.

Und nun zum NR-Wahlkampf 2017.

Was war passiert?

Rückblick Sommer 2017: Österreich ist mal wieder im Wahlkampf, die beiden Ex-Koalitionspartner SPÖ und ÖVP sind tief zerstritten. ÖVP-Kandidat Kurz liegt in den Umfragen und Beliebtheitswerten vor Amtsinhaber Kern von der SPÖ. Unter anderen zwei Facebook-Seiten sollen das ändern: „Wir für Sebastian Kurz“ und die „Wahrheit über Sebastian Kurz“. Erstere soll den Anschein erwecken, eine Fan-Seite von Kurz zu sein. Sobald man aber auf der Seite ist, schnappt die Falle zu: durch die dort verbreiteten Inhalte sollen ÖVP-Sympathisanten durch rechtsnationale Positionen des Kanzlers abgeschreckt werden – um sich so für den besseren Mann der Mitte, Christian Kern, zu entscheiden. Die zweite Facebook-Seite macht es offensiver: diffamierende Inhalte von rechts, mit teils antisemitischem Touch, sollen Kurz massiv in ein schlechtes Licht rücken. Die Seite hat dabei den Anschein, von der FPÖ betrieben zu werden – um auch dieser indirekt zu schaden.

Als durch die Enthüllungen des „Profil“ und später der „Presse“ bekannt wird, dass Tal Silberstein für die Anti-Kurz-Kampagnen verantwortlich sein soll, gerät die SPÖ in Bedrängnis. Christian Kern wiegelt zunächst ab: Silberstein sei nur eine Randfigur. Doch dann kommt es knüppeldick. Immer mehr Wahlkampfunterlagen der SPÖ werden geleaked, Silberstein in Israel wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. SPÖ-Wahlkampfleiter Niedermühlbichler kann sich nicht mehr halten und tritt zurück.

ÖVP und FPÖ nehmen die Leaks dankbar auf und greifen die SPÖ über den gesamten Wahlkampf mit der Totschlagphrase „Silberstein“ an. Die Opferrolle zieht, denn die SPÖ stellt sich mehrmals unglücklich an und zieht wohl zu spät die Konsequenzen. Der Wahlkampf kommt zu keinem Zeitpunkt in Fahrt, Kurz gewinnt die Wahl und startet ins „Abenteuer“ Türkis-Blau.

Die Rolle der Medien

Über die Rolle der Medien sollte im Nachgang der Affäre viel geschrieben werden. Auch über die Rolle der ÖVP. Die Journalisten von „Profil“ und „Presse“ sahen sich mit Vorwürfen konfrontiert, sich mit Infos über Silberstein füttern zu lassen und so willfährig einer Anti-SPÖ-Linie zu folgen. Beide Medien wehrten sich vehement gegen diese Darstellung. Der Medienwissenschaftler Fritz Hausjell kritisierte allerdings in einem Artikel der Hamburger Wochenzeitung „Zeit“:

“Die Aktivitäten von Kern-Berater Tal Silberstein und seiner Söldnertruppe” seien “nicht durch journalistische Methoden, also durch Recherche” enthüllt worden; “das belastende Material” sei vielmehr “von politischen Akteuren organisiert und dann ausgewählten Medien auf dem Tablett serviert worden”. Die “betreffenden Medien” müssten sich “den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen”.

Die Rolle der ÖVP

In der Tat waren immer wieder Gerüchte laut geworden, dass Interna der SPÖ an die ÖVP weitergegeben wurden. Auch von lukrativen Angeboten zum „Überlaufen“ für Silberstein-Leute zur ÖVP war immer wieder zu lesen. Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann wurde vorgeworfen, er habe versucht, den Berater Peter Puller von der SPÖ zu einer Unsumme von ca. 100.000 Euro abzuwerben. Fleischmann selbst bestreitet dies. Ein Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Pikant: Mit Puller soll er Medienberichten zufolge seit seiner Zeit bei der ÖVP Steiermark ein enges Verhältnis pflegen. Die ehemalige Pressesprecherin von „Silberstein-Opfer“ Wolfgang Schüssel, Heidi Glück, gab zudem im ORF zu verstehen:

„Wenn die ÖVP Informationen bekommt über Interna des SPÖ-Wahlkampfs, was soll sie machen, außer dass sie es Journalisten erzählt, oder, dass sie es verbreitet?“

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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