Samstag, April 13, 2024

Fracking – Macht – Weltpolitik: Wer die Umwelt zerstört – Teil 3

Die fossile Energiepolitik der Weltmacht USA
Teil 3 der Serie: Wer die Umwelt zerstört

Drill, baby, drill.“ Das war einer der Slogans der US-Republikaner bei ihrem Nationalkonvent im September 2008. Obama war wenige Tage zuvor zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten gekürt worden. Die Republikaner schickten an diesem Tag John McCain mit Sarah Palin ins Rennen. 2008 war das Jahr des absolut gesehen höchsten Erdölpreises der Industriegeschichte. Und dieser Moment hat die Energiepolitik der USA  bis heute nachhaltig verändert, mit Auswirkungen, die niemand erwartet hatte und die erst die neue weltpolitische Ausrichtung der USA unter Trump ermöglicht haben.

Rohölpreisentwicklung im Vergleich 2008 und 2019. Am 4. Juli 2008 erreichte der Ölpreis mit 146,7 Dollar einen historischen Höchststand.

© Grafik: tecson.de

Moderne Borhtechniken haben die Erschließung von Schiefergas-Flötzen von 30 auf 8 Tage reduziert. Das sind enorme Kostenersparnisse.

Bild: YouTube / Shale Cowboys: Fracking Under Trump – Docu – 2017

Viele Gas- und Ölquellen erreichen beim Fracking schon nach einem Jahr das Fördermaximum. Zurück bleiben verwüstete Landschaften wie hier in Texas.

Bild: YouTube / Shale Cowboys: Fracking Under Trump – Docu – 2017

Brennendes Leitungswasser als direkte Folge von unsachgemäßem Fracking

Wien, 22. Dezember 2019 / Am 4. Juli 2008 hatte das Fass Rohöl mehr als 146 Dollar gekostet. Im Jahr davor war der Preis noch bei 72 Dollar gelegen. Das waren mehr als ein schrilles Alarmzeichen für die Weltwirtschaft. Die USA spürten ihre wirtschaftliche und politische Verletzlichkeit in einer besonders schmerzhaften Form und wurden sich wieder einmal  ihres enormen Ölkonsums bewusst. Die Antwort der Republikaner war einfach. Bohren nach Öl und Gas, was das Zeug hält – drill, baby, drill.

Ausgefeilte Technologie

War doch gerade in den Jahren nach 2000 bei der Erdöl- und Gasgewinnung neue Produktionsmethoden entwickelt. Fracking hieß das Zauberwort. Plötzlich lagen fossile Energievorkommen im Fokus der Erdölindustrie, die bisher nicht oder kaum zugänglich waren. Fracking leitet einen neuen Gas- und Ölboom in den USA ein. Aus der traditionellen Abhängigkeit der Vereinigten Staaten wurde eine Unabhängigkeit und der Energieimporteur wurde zum Exporteur. Die Nachwirkung dieser Entwicklung dokumentieren sich bis heute nachhaltig in der Weltpolitik vom Syrienkrieg über den Irankonflikt bis zur Gaspipeline Nordstream 2. Fracking hat nicht nur die Weltpolitik verändert, sondern auch die Klimaerhitzung und massive Umweltzerstörungen säumen den Weg der USA in eine letztlich energiepolitische Sackgasse.

Hydraulik Fracturing wird sexy

Fracking ist der umgangssprachliche Begriff für den technischen Ausdruck Hydraulik Fracturing und bedeutet soviel wie „Aufbrechen“ mit Hilfe von Wasserdruck. Tatsächlich wird Wasser, dass mit Zusatzstoffen und Chemikalien versetzt ist, unter hohem Druck in ein Bohrloch gepresst und damit wird das Gestein „aufgebrochen“ und dessen Drucklässigkeit erhöht und stabilsiert. Somit können die sich dort befindlichen Gase und Flüssigkeiten besser zum Bohrloch bewegen und können so gewonnen werden. Die Gewinnung des Gases oder des Rohöls erfolgt aus dem „Flowback“ also der Zurückfluss der eingepressten Flüssigkeit.

Vom Nischenprinzip zum Technologierenner

Fracking wurde ursprünglich erfunden, um konventionelle Ölquellen länger zu nutzen. Mit konventioneller Förderung lässt sich nur rund 30% des Öls einer Ölquelle wirklich gewinnen. Der Rest verbleibt im Boden. Nun wurde Flüssigkeiten vermengt mit Stützmitteln, die die durch das Fracking erzeugten Risse offen halten sollen, mit mehreren 100 Bar Druck ins Gestein gepresst und damit konnte deutlich mehr Öl oder Gas aus einer Quelle gefördert werden. Lange Zeit wurde das bei konventionellen Erdölquellen so gehandhabt. Erst durch neue revolutionäre Bohrtechniken und bessere Fracking-Mittel wurde es möglich, Fracking auch bei nichtkonventionellen Lagerstätten einzusetzen.

Das Tor zu neuen Lagerstätten

Nichtkonventionelle Lagerstätten sind weit häufiger als klassische Öl- oder Gasfelder.  Im Jahr 2005 wurden aus 1% aller bekannten Ölfelder 60% des gesamten Erdölbedarfs gefördert. Unkonventionelle Lagerstätten zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich in weniger porösem Gesteinen befinden oder sie enthalten eher zähes, bitumenartiges Öl. Eine Förderung ist nur durch erhöhten technischen und energetischen Aufwand möglich. Weltweit gibt es viele nennenswerte Vorkommen unkonventioneller Erdgaslagerstätten. In Europa sind das zum Beispiel Polen, Deutschland oder auch Österreich. Diese befinden sich in Schiefertonformationen, Kohleflözen und dichten Sandsteinlagerstätten, bei denen die Durchlässigkeit sehr gering ist.

Abhängig von hohem Ölpreis

Ob die Ölförderung aus einem solchen Vorkommen sich überhaupt lohnt, hängt vom Marktpreis und vom Stand der Explorations- und Fördertechnik ab. So wurde die Förderung vieler längst bekannter unkonventioneller Vorkommen erst seit ein paar Jahren wirtschaftlich möglich. Nordamerika wurde dabei durch die neuen Fracking-Technologien zum weltweiten Zentrum dieser Entwicklung. Der Ölpreisverfall im Zuge der Weltwirtschaftskrise bremste die Ausweitung der unkonventionellen Förderung allerdings phasenweise wieder ab.

Grundwasser als Sorgenkind

Die Fracking-Technologie kann zu Verunreinigungen im Grundwasser führen, wenn nicht sehr umweltbewusst gearbeitet wird. Besorgnisse und Unsicherheiten bestehen besonders wegen des Einsatzes von Chemikalien und der Entsorgung des anfallenden Abwassers, das  als Flowback bezeichnet wird. Der Flowback, auch Produktionswasser genannt, muss mittels eines mehrstufigen Prozesses behandelt werden, um Gas und Öl zu gewinnen und das Wasser wieder von den Zusatzstoffen zu reinigen. Dieser Prozess ist aufwendig und kostenintensive. In den USA werden deshalb die Flowbacks in riesigen Auffangbecken gelagert. Das ist aber nur in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte möglich und verschiebt die Entsorgungsproblem zeitlich letztlich nur nach hinten. Brennendes Leitungswasser auf Grund von Fracking hat sich bekanntlich zu einem „Internethit“ entwickelt.

  • Belastung der Umwelt durch den Flowback („Produktionswasser“), der unter Zusetzung verschiedenster Chemikalien zuerst in die Tiefe gepresst wird und dann damit gelöstem Gas oder Öl an die Oberfläche zurücksprudelt.
  • Grundwasserbelastung durch Chemikalien von Quarzsand über Terpene und aromatische Aldehyde bis zu Salzsäure
  • Enormer Wasserverbrauch: Bei der Gasgewinnung werden 8 bis 19 Millionen Liter pro Bohrung verbraucht. Nur ein aufwendiges Wasserrecycling kann hier Abhilfe schaffen. Das steigert aber die Produktionskosten.
  • Lange unterschätzt wurde Methanverluste der Bohrlocher in die Atmosphäre
  • Flächenverbrauch für Bohrung, Anfahrtswege und die Zwischenlagerung des Produktionswassers
  • Verkehrsbelastung für Quellenerschließung und Produktion
  • Häufiges Auftreten von Mikroerdbeben bis zur Stärke 4.0

Massive weitere Umweltbelastungen

Fracking erzeugt aber auch sehr viel Transportverkehr in den betroffenen Gegenden. Rechnet man die LKW-Fahrten, die für den Aufbau, die Erhaltung und den Abbau des Bohrplatzes gebraucht werden, zusammen, so müssen über 2500 Schwertransporter pro Bohrloch durch die Landschaft rollen.

Das war dann schließlich auch einer der Gründe warum die OMV auf ihr Fracking-Projekt im Weinviertel verzichtet hat. Ein weiterer Grund dieses Projekt zu beerdigen, war auch die Tatsache, dass niemand verbindliche Aussagen über eine mögliche Verschmutzung des Grundwassers treffen konnte oder wollte. Das führte zu einem massiven Widerstand gegen das Fracking Projekt bei der Bevölkerung des Weinviertels.

Enormer Wasserverbrauch und hoher Recyclingaufwand

Auch ist der Wasserverbrauch ein weiterer Faktor. Je nach Lagerstätte werden zwischen 8 und 19 Millionen Liter Wasser pro Bohrloch verbraucht. 50% davon treten dann als Produktionswasser wieder aus. Darin ist nicht nur das Gas oder Öl gelöst, sondern auch die Chemikalien, die für das Fracking notwendig sind und zum Teil auch weitere Stoffe, die sozusagen aus der Tiefe „mitgenommen“ werden. Diese sind bei machen Lagerstätten auch radioaktiv.

Methan – Direkte Klimaschädigung durch Fracking

Ein Faktor, der über lange Zeit relativ unbeachtet geblieben ist, hängt mit dem Methanverlust der Bohrlöcher zusammen. Methan ist ein „exzellentes“ Treibhausgas, dass je nach Betrachtungsweise zwischen 34 und 86 mal klimaschädlicher ist als CO2. Methan kommt in der Erdatmosphäre nur in Spuren vor. Seit 2007 steigt aber der Anteil von Methan in der Luft massive an. Das fällt tatsächlich  mit dem Fracking-Boom zusammen. Dieses Methan hat auch einen anderen chemischen Fingerabdruck als Methan aus konventionellen Erdgasquellen und kann somit dem Fracking zugeordnet werden. Hinrich Schaefer vom National Institute of Water and Atmospheric Research in Wellington rechnet damit, dass beinahe 50% des Methans in der Erdatmosphäre aus den Fracking-Bohrlöchern in den USA und Kanada stammen.

Wie Fracking die Weltpolitik veränderte

Moderne Gesellschaften sind von konstant und billig verfügbarer Energie abhängig. Mit dem Ölschock 1973, als die Scheichs der Welt den Ölhahn ein wenig zudrehten, wurde die Verletzlichkeit der Weltwirtschaft schlagartig sichtbar. Doch seither ist der Energiehunger enorm gestiegen. Fossile Energien sind dabei der wichtigste Faktor, der diesen Hunger stillen kann. Während in Europa zumindest ansatzweise das Thema erneuerbare Energien in den Fokus rückten, blieb die USA bis heute am Öl- und Gas-Tropf. Diese Abhängigkeit würde durch militärische Stärke und Präsenz in den Öl- und Gasregionen dieser Welt kaschiert.

Doch gegen Ende des ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert verändert das Fracking dieses Spiel grundlegend. „Drill, drill, drill“, war nicht nur die Auslegung sondern Zusammenfassung von John McCains Energiepolitik als Präsidentschaftskandidat. Auf Grund des hohen Ölpreises wurde Fracking plötzlich zum Massenphänomen in der Öl- und vor allem Gasgewinnung der vereinigten Staaten. Obama wurde zwar Präsident und das Fracking tortzdem populär. So populär, dass die USA von Importeur zu Energieexporteur für wurde. Das hochverdichte Flüssiggas LPG wurde zum Exportschlager und es wurde neue Pipelines und Schiffterminals aus dem Boden gestampft. Das erfolgte nicht nur in den USA, sondern auch in Kanada ohne Rücksicht auf Verluste. Die nordamerikanischen Ureinwohner können ein trauriges Lied davon singen.

Amerika macht europäische Energiepolitik

Doch der erhoffte Export nach Europa findet nicht statt. Russland beliefert nach wie vor Europa mit konventionellem Erdgas und das ist den US-amerikanischen Lobbys ein heftiger Dorn im Auge. Trump wird wohl in den nächsten Tagen die Sanktionsgesetze gegen Nordstream 2 unterschreiben. Das ist nichts anderes als klassische hegemoniale Politik, die jeder Auffassung einer modernen Welt widerspricht.

Strategische Unabhängigkeit

Doch letztlich ist Nordstream 2 nur ein Nebenschauplatz. Die gesamten weltweiten militärischen Aktivitäten unter Trump haben sich verschoben. Der Syrienkrieg, der Konflikt mit dem Iran oder die Aktivitäten im Iran stehen nicht mehr unter dem Paradigma der Energiesicherheit der USA. Es sind vielmehr die Verbündeten in Asien und Europa sowie der Konkurrent China, die von Öltransport durch die Straße von Hormus abhängig sind. Die USA kann hier im Augenblick aus einer gelassenen Haltung zuschauen.

Wie lange geht der Boom?

Fracking macht im Augenblick Politik. Doch eine Fragestellung sollte man nicht aus dem Auge verlieren. Ist Fracking ein nachhaltiger Trend? Kann Fracking mittel- und langfristig ein Boom in den USA bleiben? Betrachtet man den Lebenszyklus einer Fracking-Quelle, dann wird schnell klar, dass dieser nicht mit konventioneller Öl- und Gasgewinnung mithalten kann. Manche Bohrlöcher sind nur zwei Jahre lang ertragreich. Der USA gelingt es nur auf Grund ihrer gut ausgebauten Gasinfrastruktur und hoher Energiepriese den Boom aufrecht zu erhalten. Dabei hat dieser Boom nachweislich zu weltweit billigerem Öl und Gas in den letzten Jahren beigetragen.

Kurzsichtige Entwicklung

Rechnet man die Umweltkosten mit ein, dann ist Fracking letztlich keine Alternative zur Energiegewinnung. Nicht ohne Grund ist Fracking im Bereich der Öl- und Gasgewinnung in Europa aktuell nur ein Randthema. Die hohe Bevölkerungsdichte und die hohen Umweltschäden haben hier zu Verboten und Moratorien geführt.

(sm)

ZackZack-Serie: Wer die Umwelt zerstört!

Teil 1: Sind die Konsumenten am Umweltdesaster schuld?

Teil 2: Sündenbock Konsument – Ein Hintergrundbericht zur Landwirtschaft

Alle Bilder falls nicht anders ausgewiesen: YouTube / Shale Cowboys: Fracking Under Trump – Docu – 2017

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