Sonntag, April 14, 2024

Grüne nicken Koalition ab – Kritiker weggeklingelt

Kritiker weggeklingelt

Wie im Vorfeld von Experten erwartet, segnete heute der Bundeskongress mit großer Mehrheit das umstrittene Regierungsprogramm ab. Die Grüne Jugend und andere Delegierte kritisieren die Verhandlungsergebnisse teils scharf.

Wien, 04. Jänner 2020 / Auf dem Bundeskongress der Grünen wurde die letzte Hürde für die türkis-grüne Regierungskoalition genommen. Damit ist klar: die Grünen verhelfen Sebastian Kurz in seine zweite Regierung.

Ergebnis eindeutig

Die Zählkommission kam zum Ergebnis: 93,18 Prozent für Türkis-Grün.

Abgegebene Stimmen: 264 (angekündigt waren 270, Red.)

Ja-Stimmen: 246

Nein-Stimmen: 15

Enthaltungen: 3

Bei der Abstimmung für die Regierungsmitglieder ergab sich ein ähnliches Bild: 99,25 Prozent sind für das Regierungsteam der Grünen. Ulrike Lunacek, designierte Staatssekretärin und glücklose Ex-Chefin der Grünen, bekam dabei am wenigsten Applaus. Sie gab offen zu: „Ja, im Bereich Kunst und Kultur bin ich neu.“

Antrag auf geheime Abstimmung abgelehnt

Im Vorfeld der Abstimmung wurden einige Anträge eingebracht, die eine geheime Abstimmung – wie auf Parteitagen oft üblich – forderten. Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi machte allerdings Stimmung für eine offene Abstimmung, die Anträge wurden mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Angesichts der Wichtigkeit der Entscheidung sorgte das Prozedere gerade bei den Gegnern der Regierungskoalition für Irritationen.

Kogler lobt ÖVP, schießt gegen SPÖ

Nachdem sich Grünen-Chef Werner Kogler bei seinem Einzug in die Halle feiern ließ, schwor er die grünen Delegierten auf das umstrittene Regierungsprogramm ein. In seiner Rede lobte er nicht nur die eigenen Erfolge, sondern auch einige Male die ÖVP. So lobte er die Türkisen als pro-europäisch und sagte in Richtung ÖVP, man müsse von „den Besten lernen. 37 Prozent sind nicht so schlecht“.

Kogler ging in seiner Rede auch auf Abweichler zu und machte Tirolern, ohne sie namentlich zu nennen, ein Gesprächsangebot – allerdings nach dem Parteitag, also auch nach der Entscheidung. Angesichts der zu erwartenden Kritik vor allem aus dem linken Lager, betonte Kogler, viele Punkte hätte die SPÖ auch nicht durchgesetzt. In diesen Tenor stieg ausgerechnet auch Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Heben ein und schoss gegen die SPÖ, bekam dafür aber weniger Applaus als der designierte Vizekanzler. Auf die rot-grüne Koalition in Wien dürften daher einige hitzige Diskussionen zukommen.

Kritiker teils weggeklingelt

Vor Einsetzen der Diskussionsrunde wurde von Seiten des Präsidiums auf das Einhalten der zwei Minuten Redezeit verwiesen. Dies galt jedoch nicht für alle Redner: gerade die Kritiker wurden auffällig oft „weggeklingelt“ und zum Aufhören aufgefordert. Für kritische Fragen an die Verhandler wurde vor der Abstimmung kein Raum gegeben. Nach dem Ergebnis wollte keiner der Delegierten mehr eine Frage stellen.

Flora Lebloch von der Grünen Jugend verweigerte unter zitternder Stimme ihre Zustimmung für die Koalition:

„Das Programm ist neoliberal und reicht nicht aus (…) Kurz ist ein Blender, ein eiskalter Schwindler (…) es reich nicht aus zu sagen, dass wir die FPÖ verhindert haben. Unser Ziel sollte es nicht sein, das Schlimmste zu verhindern.“

Auch Dejan Lukovic aus Tirol verweigerte das Abnicken der Kurz-Regierung:

„Wären meine Eltern (Lukovic ist Flüchtlingskind, Red.) überhaupt nach Österreich gekommen, wenn damals 1993 dieses Papier (Regierungsprogramm, Red.) in Kraft gewesen wäre? Werden wir mit diesem Programm den Schwächsten der Gesellschaft gerecht?“

„Genießt’s den Augenblick, der kommt so schnell nicht wieder“

Die Kritiker waren allerdings überdeutlich in der Unterzahl. Generell wurde von den Organisatoren im Vorfeld für eine positive Stimmung gesorgt. Die Bühne für die Verhandler wurde gut organisiert, der Einzug der neuen grünen Regierungsmitglieder fast majestätisch inszeniert. Im APA-Livestream war die Stimme eines Präsidiumsmitglieds aus dem Off zu hören:

„Genießt’s den Augenblick, der kommt so schnell nicht wieder.“

Überraschend war, dass nach dem großen Applaus für Werner Kogler die Rede der designierten Klubobfrau Sigrid Maurer mit deutlich weniger Zustimmung quittiert wurde. Ein skurriler Sager der neuen Klubchefin sorgte für einen kurzen Fremdschäm-Moment unter den Delegierten:

„Jetzt geh ma mal in die Regierung, würd‘ ich sagen, und dann schau‘ ma, wieviel Prozent beim nächsten Mal rauskommen und was dann weitergeht mit der ÖVP.“

Nach dieser Aussage herrschte für ein paar Sekunden Stille im sonst über weite Strecken euphorischen und zahmen Plenum.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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