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Türkis-grünes Aus für Hacklerregelung droht

Türkis-grünes Aus für Hacklerregelung

Seit 1. Jänner 2020 gilt die neue Hacklerregelung. Die türkis-grüne Regierung kündigte an, die neu eingeführte abschlagsfreie Frühpension kippen zu wollen.

Wien, 9. Jänner 2020 / Die sogenannte Hacklerregelung wurde kurz vor der letzten Nationalratswahl auf Betreiben der SPÖ zur Abstimmung eingebracht und mit Stimmen aller Parteien außer den NEOS beschlossen. Sie ermöglicht Arbeitnehmern, Selbstständigen und Bauern, nach 45 Beitragsjahren bereits mit 62 Jahren abschlagsfrei die Pension anzutreten. Im ZiB-Spezial Doppelinterview verlautbarte Kanzler Sebastian Kurz, dass er die seit Jahresbeginn geltende Hacklerregelung kippen wolle. Die „Husch-Pfusch-Regelung“ sei nicht gerecht und müsse repariert werden. Auch Werner Kogler äußerte sich kritisch zur Hacklerregelung – sie sei “eine Regelung nur für Männer“. Dabei sträube sich etwas in ihm, so Kogler.

Die Hacklerregelung

Die von Alfred Gusenbauer (SPÖ) eingeführte Hacklerregelung war 2013 ausgelaufen – seither mussten Beschäftigte, Selbstständige und Bauern, die nach 45 Jahren Arbeit, aber vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von – bei Männern – 65 Jahren in Pension gehen, Abschläge von bis zu 12,6% in Kauf nehmen. Im freien Spiel der Kräfte nach ABsetzung der Regierung Kurz wurde die Regelung mit Stimmen von SPÖ, FPÖ, ÖVP und JETZT mit 1. Jänner 2020 neu eingeführt. Die Regelung, auch Langzeitversichertenregelung genannt, ist umstritten – genauso wie die Höhe der Kosten, die sie verursacht. Je nach Berechnung bzw. berücksichtigtem Zeitraum sind Kosten zwischen 50 Millionen jährlich (Pensionsversicherung) und 800 Millionen jährlich (NEOS) möglich. Laut Finanzministerium sind Kosten von 700 Millionen Euro bis 2024 zu erwarten.

Kurz und Kogler: Hacklerregelung dürfte nicht halten

Im ORF-Interview mit Armin Wolf und Claudia Reiterer kündigte Kanzler Sebastian Kurz eine “Reparatur” der Hacklerregelung an: “In dieser Form wird es nicht bleiben, weil die Regelung eine unfaire ist.” Beim Zeitplan legte sich der Kanzler im TV-Interview nicht fest – er sprach sich dafür aus, etwas Neues „in aller Ruhe“ vorzubereiten. Kritiker warnen, die Hacklerregelung sei zu teuer und belaste das Pensionssystem. “Was es braucht in unserem Pensionssystem, ist die schrittweise Steigerung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters”, sagte Kurz im ORF-Interview. Werner Kogler stößt sich besonders daran, dass die Hacklerregelung nur Männern zugute komme und wünscht sich Maßnahmen für Frauen mit niedrigen Pensionen. Sozialminister Rudi Anschober (Grüne) realtivierte: Die positiven Effekte für Frauen seien “überschaubar”. Er wolle sich die Regelung “auch unter diesem Aspekt anschauen”, sagte Anschober.

Zeitpunkt unklar

“Ich würde mir wünschen, dass andere Gruppen im österreichischen Pensionssystem bevorzugt bessergestellt werden, zum Beispiel die Frauen, die ganz, ganz niedrige Pensionen bekommen”, so Kogler im Ö1-Morgenjournal von Mittwoch. Da das gesetzliche Frauenpensionsalter noch bei 60 Jahren liegt, greift die Hacklerregelung derzeit praktisch nur für Männer.

Bei der gestrigen ersten Ministerrats-Sitzung der neuen Regierung wiederholte Kogler seine Zweifel an der Hacklerregelung, die Rücknahme stünde allerdings nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Man würde sich Zeit lassen und sich die Sache im Laufe des Jahres ansehen.

Abschaffung polarisiert

In den sozialen Medien sind sowohl pro als auch contra-Meinungen vertreten. Die Hacklerregelung wird nicht nur als „zu teuer“ kritisiert, sie würde einer kleinen Gruppe Privilegierter unverdiente Vorteile verschaffen:

Befürworter der Hacklerregelung kritisieren die geplante Abschaffung scharf. Diese sei ein Faustschlag ins Gesicht hart arbeitender Menschen. Es brauche nicht die Abschaffung der Hacklerregelung, sondern eine Umverteilung von oben nach unten, mittels Vermögens- und Erbschaftssteuern.

Bild: Screenshot Twitter

Der Bedarf einer weitreichenderen Diskussion bzw. Neudefinition von Arbeit in unterschiedlichen Lebensphasen wird geortet:

 Judith Pühringer, Expertin in den Bereichen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik und Geschäftsführerin von arbeit plus, sieht in der Debatte um die Hacklerregelung den Bedarf zu einer umfassenderen Diskussion. Bild: Screenshot Twitter

SPÖ und FPÖ schäumen

Die türkis-grünen Pläne zur Rücknahme der Hacklerregelung stoßen der SPÖ und FPÖ sauer auf. Josef Muchitsch, Sozialsprecher der SPÖ schreibt am Mittwoch in einer Aussendung:

“Dass die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren das erste ist, das von Kurz und Kogler abgeschafft werden soll, ist ein schwerer Anschlag und eine schwere Verunsicherung aller ArbeitnehmerInnen im Land”   

FPÖ-Chef Norbert Hofer bezeichnete die im Raum stehende Abschaffung als eine „unfaire und unsoziale Aktion gegenüber fleißigen Österreichern“, Klubchef Herbert Kickl spricht von einem „Anschlag auf die Arbeitnehmer“.

NEOS und Junge Industrie loben türkis-grünes Vorhaben

Die NEOS waren die einzige Partei, die im Herbst 2019 gegen die neue Hacklerregelung stimmte. Der pinke Sozialsprecher Gerald Loacker sieht in der Hacklerregelung einen „Anschlag auf die kommende Generation“ und verlautbart in einer Aussendung dazu:

“Jetzt muss die ÖVP den selbst beschlossenen Fehler reparieren, der zukunftsvergessene Populismus rächt sich bitter”

Auch die Junge Industrie heißt die mögliche Abschaffung der Regelung willkommen: „Die Abschaffung der Abschläge bei Frühpensionen war einfach nur bescheuert. Eine Rücknahme dieser rein populistisch motivierten Maßnahme wäre ein sehr begrüßenswerter Schritt im Sinne der Generationengerechtigkeit“, so der Bundesvorsitzende der Jungen Industrie (JI), Andreas Wimmer.

Kritik auch von ÖGB

Der ÖGB kritisiert in einer Aussendung den Ansatz Werner Koglers zur geplanten Abschaffung der Hacklerregelung:

“Koglers Ansatz, die sogenannte Hacklerregelung wieder abschaffen zu wollen, weil sie ausschließlich Männern zugutekommt, ist der vollkommen falsche Weg. Das wäre ein Schritt zurück statt vorwärts.”

Gernot Blümel, neuer ÖVP-Finanzminister, sagte im Zuge des ersten Ministerrats der neuen Regierung, dass er sich auf eine Abschaffung noch nicht festlegen wolle, sondern zunächst Auswirkungen der Hacklerregelung auf das Budget unter die Lupe nehmen wolle.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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