Donnerstag, März 28, 2024

Regierung Vučić unter Druck? Interview mit Aktivistin

Interview mit Aktivistin

Die Situation für den serbischen Präsidenten Vučić ist nicht beneidenswert. In der Rangliste der Pressefreiheit erlebt das Land einen Abfall von 14 Punkten im Vergleich zum Vorjahr. Auch beim Korruptionsindex hat Serbien nur 39 von 100 Punkten in 2019. Bereits seit einem Jahr finden regelmäßige Antiregierungsproteste in Serbien statt. Wir haben mit Valentina Reković, eine der Organisatoren dieser Proteste, über die Hintergründe gesprochen.

Wien, 29. Jänner 2020 /

ZackZack: Unter dem Slogan „1 von 5 Millionen“ werden in Serbien bereits über ein Jahr regelmäßige Proteste organisiert. Wie kommt es dazu?

Valentina Reković: Die Proteste begannen am 8. Dezember 2018 in Belgrad unter dem Motto “Stop den blutigen Hemden”, als der Anführer der Linken Serbiens physisch angegriffen wurde. Die Botschaft dieses ersten Protests war ein Aufruf an die Regierung, die Gewalt an Andersdenkenden zu stoppen. Aleksandar Vučić meinte zu unserer Forderung, er würde sie nicht erfüllen, selbst wenn wir fünf Millionen wären. So fand am Samstag darauf der zweite Protest mit dem Slogan #1 von 5 Millionen statt. Nun finden die Proteste seit einem Jahr jeden Samstag statt.

ZZ: Mit welchen Zielen werden die Proteste organisiert?

VR: Der Protest hat unterschiedliche Forderungen. Eine Hauptforderung ist ein fairer Wahlprozess in Serbien. In Serbien gibt es keine fairen Wahlen, denn der Druck auf die Wähler ist enorm. Ganze Familien werden erpresst, so gut wie jeder muss für die Serbische SNS stimmen oder man wird entlassen und verliert seinen Job. Ein weiteres Ziel des Protests ist auch die Befreiung des öffentlichen Rundfunkdienstes, das zum Parteimedium der SNS und Aleksandar Vučić geworden ist. Wir gehen seit über einem Jahr auf die Straße und der staatliche Nachrichtensender, dem es gesetzlich vorgeschrieben ist, objektiv und wahrheitsgemäß zu berichten, rief keinen der Organisatoren zu einer Stellungnahme auf.

ZZ: Was sind die bisherigen Resultate der Proteste?

VR: Die Proteste haben die Menschen von der Angst befreit, Serbien beginnt aufzuwachen, und dies wird durch die Tatsache belegt, dass zu einem gewissen Zeitpunkt in mehr als 100 Städten und Gemeinden unter dem Motto #1 von 5 Million protestiert wurde. Die Studenten, die sich um die Bewegung herum gruppieren, haben die erste Institution Serbiens befreit, die Universität. Es konnte auch bewiesen werden, dass der Finanzminister, Siniša Mali ein Verbrecher ist, der seine Doktorarbeit plagiierte.

Aleksandar Obradović, von Anfang an ein Teilnehmer der Proteste und Mitarbeiter der Waffenfabrik Krusik, hat herausgefunden, dass der Vater von Innenminister Nebojša Stefanović, Branko Stefanović, illegal und zu niedrigen Preisen Waffen von der staatlichen Firma Krusik kauft und diese über seine Firma GIM exportiert. Als dies herauskam, wurde Obradović verhaftet. Durch den Druck der Proteste wurde er wieder freigelassen.

Mitglieder des Europäischen Parlaments sind sowohl mit der Opposition, als auch mit der #1 von 5 Millionen-Bewegung an den Tisch gekommen. Im Vorwort des Berichts der Europäischen Kommission für Serbien (2019) werden die Proteste #1 von 5 Millionen erwähnt und eine ernste Besorgnis über die Freiheit der Medien und die Demokratie in Serbien angesprochen.

ZZ: Von wem werden die Proteste unterstütz bzw. wer will sie verhindern?

VR: Der Protest wird von Gewerkschaften, unabhängigen Verbänden, Schauspielern, Schriftstellern, Professoren und vielen anderen unterschätzt. Die wichtigste Unterstützung kommt natürlich von einzelnen Bürgern, die seit über einem Jahr mit uns protestieren.
Die Regierung tolerierte von Beginn an keine Proteste und verspottet sie. Ihr negativer Medienspin über die Proteste, wie die Anzahl der Menschen, Forderungen, Organisatoren dauert bis heute an. Die Opposition unterstützt die Proteste öffentlich. Sie kommt zu den Kundgebungen und unterzeichnete ein Abkommen mit den Leuten, das garantiert, dass die Opposition nicht an solchen Wahlen teilnehmen wird, bei welchen es keine Bedingungen für faire und freie Wahlen gibt. Der Protest löste damit Boykott aus, um zu einer fairen und freien Wahl zu gelangen. Wir tragen daher auch das Schild #BOJKOT #1 von 5 Millionen. Wir werden mit den Protesten nicht aufhören, bis wir das System ändern. Ein System, das die Menschenwürde zerstört und die grundlegenden Menschenrechte gefährdet. Die Protestierenden sagen: So kann es nicht mehr weitergehen!

Valentina Reković ist eine der Organisatoren der Proteste der #1 von 5 Millionen-Bewegung in Serbien.

Das Interview wurde von Ružica Čubela geführt.

Titelbild: APA

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