Donnerstag, März 28, 2024

Die ÖVP hat Angst – Kommentar

Kommentar

Ob bei der Casinos-Affäre, dem Ibiza-U-Ausschuss oder jüngst der Causa Pilnacek: die scheinbar allmächtige Volkspartei hat Angst. Die Grünen sollten das nutzen. Das Momentum für mutige Politik ist jedenfalls da.

Wien, 05. Februar 2020 / Die Message Control des Bundeskanzlers reicht mittlerweile bis nach Berlin. Kurz liebt die Kontrolle. Über Bilder, Medien und damit über seine türkise Botschaft. Das geht oft gut, einige Medien reden zu gerne dem Kanzler nach dem Mund. Und auch die Grünen drohen, unter die türkisen Räder zu kommen. Das muss aber nicht sein.

Kurz unter Druck

Denn Kurz steht mehr unter Druck, als viele denken. Kurz will gemocht werden. Er kann es nicht ausstehen, Negatives über sich zu lesen. Und derzeit gibt es jede Menge Negativschlagzeilen: seine ehemalige ÖVP-Stellvertreterin und Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner steht im Verdacht, in die Casinos-Affäre verwickelt gewesen zu sein. Die ehemalige Kurz-Vize klagt deshalb gegen ZackZack, aber nicht gegen Fakten, sondern gegen die angeblich untergriffige Tonalität unserer Berichterstattung. Es geht darum, dass die Casinos-Affäre mutmaßlich eine ÖVP-Affäre ist. Wer hätte das gedacht nach Ibiza? Klagen sind in der politischen Auseinandersetzung meistens ein Zeichen von Schwäche. Und von Angst.

Der Geist von Orban

Die ÖVP versucht natürlich alles, um von ihrer Verantwortung abzulenken. Da werden die üblichen Nebelkerzen gezündet, die Migrationskrise herbeigeredet oder befremdliche Auftritte im deutschen Frühstücksfernsehen genutzt, um Schlagezeilen zu produzieren. Doch das reicht nicht. Wenn es eng wird, wird der politische Gegner, egal ob Partei, Justiz oder Medium, vorauseilend angepatzt. Man weiß, bevor eine Negativschlagzeile über die ÖVP die Runde macht, schießt man die andere Seite an. In Hintergrundgesprächen mit Journalisten greift der Kanzler offen angeblich rote Korruptionsstaatsanwälte an, jammert über Ermittlungen gegen Freund und Ex-Finanzminister Löger und legt den Anwesenden nahe, wie sie zu berichten hätten. Das ist der Geist des Viktor Orban. Doch langsam scheint sich die Medienwelt zu wehren. Klenk schreibt, dass Kurz mit seiner Attacke den Ermittlern Amtsmissbrauch und Geheimnisverrat vorwirft. So scharf hat er schon lange nicht mehr gegen Kurz geschossen. Das hat einen Grund: es gibt nicht mehr so viele Medien, die nicht Kurz-Freund René Benko gehören. Selbst das einst kritische Magazin „Profil“ ist nun Teil seines Imperiums. Wenn Journalisten sich wundern, dass der „Kurier“ am nächsten Tag den Spin des Kanzlers aus dem Hintergrundgespräch übernimmt, weiß man, wie weit mittlerweile die Presseabteilung der ÖVP reicht.

Das Momentum der Grünen

Selbst wenn das Ausmaß der Demokratiekrise immer sichtbarer wird, der semi-autoritäre Politikstil ist nicht neu. Wir kennen ihn spätestens seit Türkis-Blau. Umso schärfer war unsere jüngste Kritik an den Grünen, angesichts des fast durchgehend türkisen Regierungsprogramms. Doch jetzt scheint sich etwas zu drehen. Anschober stellt sich offen gegen die Linie der ÖVP in der Flüchtlingspolitik und bleibt damit seiner eigenen treu. Er weiß, dass er beim Leibesthema des Kanzlers eine Koalitionskrise riskiert – und macht es trotzdem. Alma Zadic, wenn auch etwas zaghaft, rügt den mächtigen Sektionschef Christian Pilnacek und sendet ihm ein vergiftetes Kompliment hinterher. Ob es wirklich eng für ihn wird, ist zwar fraglich. Aber das Momentum, ein Zeichen zu setzen, es ist da. Zadic weiß natürlich, wie heikel die Personalie ist. Schmeißt sie Pilnacek raus, weil der mitten in einem laufenden Verfahren ÖVP-nahe Beschuldigte in seinem Büro als Sektionschef für Strafrecht empfängt, bekommt sie zurecht von vielen Applaus. Aber sie riskiert damit auch den Koalitionsbruch. Pilnacek zu suspendieren und gar ein wohl überfälliges Disziplinarverfahren einzuleiten, das wird die ÖVP wohl niemals zulassen.

Den Grünen, vor allem Werner Kogler, war ihre erste Regierungsbeteiligung bisher heilig. Aber wie lange noch? Diese Antwort werden wir wohl bald bekommen.

Benjamin Weiser

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