Donnerstag, März 28, 2024

Nach Thüringen-Schande: Zerfällt jetzt die Große Koalition?

Zerfällt jetzt die Große Koalition?

Die gestrige Ministerpräsidentenwahl des Thüringer 5%-FDP-Chef mit den Stimmen von CDU und AfD löst landesweit Entsetzen aus. Die FDP kämpft um ihr politisches Überleben, die Zukunft der Großen Koalition ist ungewiss.

Berlin, 06. Februar 2020 / „Dammbruch“, „Tabubruch“, „Zäsur“, „Skandal“. Die gestrige Wahl des Thüringer FDP-Chefs Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wird zum Politbeben!

“Heute ist ein schlechter Tag für die Demokratie”, meldete sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch aus der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria zu Wort. Sie stauchte die thüringischen Christdemokraten für die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zusammen. Dieser war mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden – und das mit mickrigen 5 Prozent bei der vergangenen Landtagswahl letztes Jahr.

GroKo in Berlin gefährdet

Der Bestand der Großen Koalition scheint derweil in Gefahr, nachdem mehrere SPD-Mandatare von der CDU-Spitze ein klares Bekenntnis abverlangt hatten. Parteichefin Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Merkel wissen nach Angaben aus Unionskreisen, dass die Wahl die CDU und ihre Vorsitzende in eine große Krise stürzen.SPD-Finanzminister Olaf Scholz hatte gestern sehr früh nach der Wahl in Thüringen den Druck erhöht. So ließ er via Twitter wissen:

Die Geschehnisse in Thüringen sind ein Tabubruch in der Geschichte der politischen Demokratie in der Bundesrepublik. Das hat Auswirkungen weit über Thüringen hinaus. Es stellen sich für uns sehr ernste Fragen an die Spitze der Bundes-CDU.”

Und weiter:

“…auf die wir schnelle Antworten verlangen. Was in Erfurt passiert ist, war kein Zufall, sondern eine abgekartete Sache. Eine Zusammenarbeit mit der Höcke-AfD ist für die SPD absolut unakzeptabel, das unterscheidet sie im Übrigen von Christian Lindner und die FDP.”

Die SPD-Spitze hat gleich für Samstag zu einem Koalitionsgipfel geladen. Thüringens SPD fordert den Bruch der Koalition, sollte sich die CDU nicht überdeutlich von ihrem Landesverband distanzieren. Der lehnte Neuwahlen in Thüringen noch ab, kurz bevor es die ersten Meldungen gab, dass die FDP die Auflösung des Landtages beantragen werde. Wegen der Gefahr, dass nun die Groko-Kritiker in der SPD Oberhand gewinnen, betonte Merkel sogar von Pretoria aus, dass die Verurteilung durch die CDU- und CSU-Spitze schon am Mittwoch sehr eindeutig gewesen sein.

CDU-Streit: Merz gießt Öl ins Feuer

Nun brechen in der CDU ganz offen Spannungen aus, die sich seit Jahren vor allem im Osten aufgebaut hatten. Scholz weiß das. Schon zu Zeiten der CDU-Chefin Merkel hatten sich mit der sogenannten “Werte-Union” am rechtskonservativen Rand und der “Union der Mitte” erstmals Flügel in der Partei herausgebildet, die sich unversöhnlich bekämpfen. Es gibt einen Grundsatzstreit, ob man verloren gegangene Wähler vor allem von den Grünen oder aber von der AfD zurückholen soll.

Für letzteren Kurs steht vor allem Friedrich Merz, Kramp-Karrenbauers früherer Rivale um den Parteivorsitz. Dieser war gegen “AKK”, wie sie oft abkürzend genannt wird, unterlegen und schießt nun wieder von der Seite gegen die Parteivorsitzende. Und aus mehreren Ost-Landesverbänden heißt es, man rätsele, wie man eigentlich mit den neuen Wahlergebnissen umgehen soll, die angesichts der traditionell starken Linken und nun der überproportional starken AfD die Koalitionsbildung sehr schwierig machen.

Die Wahl Kemmerichs mit den Stimmen von CDU und AfD ist nach Meinung Merkel ein “einzigartiger Vorgang”, ein “Bruch” mit allen Werten und Prinzipien der CDU, weil man eben nicht gemeinsam mit der rechtspopulistischen AfD Politik gestalten will. Deshalb schrillten im Adenauer-Haus am Mittwoch die Alarmglocken, als die thüringische Landtagsfraktion eben genau diesen Weg ging.

Nur hilft die Rettung der Koalition Parteichefin Kramp-Karrenbauer wenig. Denn die Fronten in der CDU stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Während die Bundes-CDU strikt jede Zusammenarbeit mit Linken und AfD ablehnt, verzweifeln einige Ost-Unionisten wie Thüringens Parteichef Mike Mohring, weil ihnen die Optionen ausgehen. Auch die Werte-Union stellte sich hinter die Wahl Kemmerichs. Schon der Gallionsfigur der Unions-Rechten, Hans-Georg Maaßen, war immer wieder unterstellt worden, dass er offen für ein Bündnis mit der AfD sei.

Der aufgebrochene Richtungsstreit in der CDU wird ausgerechnet in den Monaten weiter schwelen, in denen die Partei über die Kanzlerkandidatur der Union entscheiden muss. Kramp-Karrenbauer leidet hier ohnehin schon unter schlechten Umfragewerten. Und dann kündigte ihr Rivale Friedrich Merz ausgerechnet am Mittwoch an, dass er seinen Aufsichtsratsposten bei dem US-Vermögensverwalter Blackrock aufgeben wolle. Er wolle sich intensiver um die CDU kümmern, begründete er den Schritt.

(rAPA/wb)

Redaktion
Redaktion
Die ZackZack Redaktion
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

1 Kommentar

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!