Rechnungshof kritisiert Zustände im Strafvollzug
Ein „Nebeneffekt“ der Angriffe von Kanzler Kurz auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist die erhöhte Aufmerksamkeit für die Justiz: Der große Mangel an Mitteln und Personal, endlos lange Bearbeitungsdauer und Überforderung der Justizbeamten gelangen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Nun kommt heftige Kritik an den Zuständen im Strafvollzug dazu: der Rechnungshof ortet dringenden “Nachbesserungsbedarf”.
Wien, 21. Februar 2020 / Der Rechnungshof sieht drängenden Nachbesserungsbedarf im Strafvollzug. Vor allem die Haftzahlen geben Anlass zur Sorge: Wie in einem am Freitag veröffentlichten Rechnungshofbericht dokumentiert wurde, sind die Haftzahlen seit 2015 kontinuierlich angestiegen. Die Justizanstalten insgesamt und vor allem die gerichtlichen Gefangenenhäuser sind inzwischen an ihren Belastungsgrenzen angelangt.
117 Prozent Auslastung
So betrug die Auslastung der Justizanstalt Wien-Josefstadt im Jahr 2018 117 Prozent. Diese Entwicklung führt dazu, dass für etliche Häftlinge keine Beschäftigungsmöglichkeit in den Gefängnissen gegeben ist. Den Betroffenen fehlt damit eine Tagesstruktur, was sich negativ auf das Klima in den Justizanstalten auswirkt. Statistisch gesehen lag das Ausmaß der Beschäftigung der Strafhäftlinge im Jahr 2018 bei durchschnittlich 2,59 Stunden pro Tag. Beinahe die Hälfte der arbeitswilligen Häftlinge konnte überhaupt nicht beschäftigt werden.
Gegenmaßnahmen bisher ein Flop
Um dem gegenzusteuern, arbeitet die Generaldirektion an einem Strafvollzugsentwicklungsplan. Mehr als ein Entwurf, der nicht verbindlich anzuwenden ist, sei bisher aber nicht herausgekommen, bemängelt der Rechnungshof. Als notwendig erkannte Maßnahmen habe man bisher nur punktuell umgesetzt.
Empfehlung: Straftaten in Herkunftsländern absitzen
Zur Senkung der Haftzahlen empfiehlt der Rechnungshof einen verstärkten Einsatz des elektronisch überwachten Hausarrests sowie die Überstellung von ausländischen Häftlingen in ihre Herkunftsländer, wo sie ihre Strafen verbüßen sollen. Entsprechende legistische Pläne waren von der früheren türkis-blauen Regierung angedacht worden. So sollte die Fußfessel-Regelung auf Haftstrafen von bis zu zwei Jahren ausgeweitet werden.
Kritik: Konzepte fehlen
Grundsätzlich urgiert der Rechnungshof, dass es im Straf- und Maßnahmenvollzug an der Erstellung und Umsetzung von Konzepten zur Weiterentwicklung fehlt. Eine systematische Qualitätssicherung, effektive Aufsicht und Kontrolle habe die Generaldirektion noch nicht bzw. nur zum Teil erreicht. Weder das Justizministerium noch die Generaldirektion würden über eine schriftliche, die Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes konkretisierende Strategie verfügen.
Starker Anstieg geistig abnormer Rechtsbrecher
Besonders eklatant sei angesichts eines starken Anstiegs von geistig abnormen zurechnungsunfähigen Rechtsbrechern der Mangel an justizinternen Plätzen für den Maßnahmenvollzug. “Die Unterbringung war ohne die verstärkte – über die geplante Belegung hinausgehende – Inanspruchnahme psychiatrischer Krankenanstalten nicht mehr sicherzustellen”, hält der Rechnungshof fest.
NEOS fordert finanzielle Mittel für Justiz
NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter forderte in diesem Zusammenhang in einer Presseaussendung ausreichende finanzielle Mittel für die Justiz, um die jahrelang verschleppte Reform des Maßnahmenvollzugs angehen zu können.
(apa)
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