Freitag, April 19, 2024

China: Zehn Jahre Haft für staatskritischen Buchhändler

Staatskritischer Buchhändler zu 10 Jahren Haft verurteilt

Der in China festgehaltene Hongkonger Verleger und Buchhändler Gui Minhai wurde wegen “illegaler Weitergabe von geheimen Informationen ins Ausland” zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dabei soll es sich um ein Buch über eine angebliche Liebesaffäre von Xi Jinping handeln. Der Fall des schwedischen Staatsbürgers und Verlegers China-kritischer Bücher sorgt seit Jahren international für Schlagzeilen.

Wien/Hongkong, 25. Februar 2020 / Der in China festgehaltene Hongkonger Buchhändler Gui Minhai ist am Montag von einem Milttleren Volksgericht wegen der “illegalen Weitergabe von geheimen Informationen ans Ausland” zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts vom Dienstag.

Schweden fordert Freilassung

“Wir fordern weiter die Freilassung von Gui Minhai und versuchen jetzt, so viele Informationen wie nur möglich zu bekommen”, sagte Schwedens Außenministerin Ann Linde im schwedischen Morgenfernsehen. Im schwedischen Rundfunk und auf Twitter kritisierte sie, dass ihr Land keinen Zugang zu dem Verfahren erhalten habe. Sie fordere, dass man den Schweden konsularisch betreuen dürfe. Angaben, wonach der Mann seine schwedische Staatsbürgerschaft aufgegeben habe, wies sie zurück: “Gui Minhai ist schwedischer Staatsbürger.”

Schwere diplomatische Verwicklungen mit Schweden

Nach den Angaben des Gerichts in Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang will der 55-Jährige das Urteil annehmen und nicht in Berufung gehen. Seine Behandlung hatte heftige Kritik an China und schwere diplomatische Verwicklungen mit Schweden ausgelöst. Auch die Bundesregierung und die Europäische Union haben sich wiederholt für ihn eingesetzt.

Herausgeber China-kritischer Bücher

Gui Minhai ist einer von fünf Buchhändlern aus Hongkong, die politisch heikle Bücher über China herausgegeben und vertrieben hatten, bis sie 2015 unter mysteriösen Umständen verschwanden. Alle fünf tauchten in China auf. Bis auf Gui Minhai sind alle wieder auf freiem Fuß.

Bereits 2015 auf Thailand-Urlaub „verschwunden“

Gui Minhai war im Oktober 2015 im Urlaub in Thailand verschwunden. Seine Familie geht davon aus, dass er von chinesischen Agenten verschleppt wurde. In Chinas Staatsfernsehen tauchte Gui Minhai später wieder auf und gab ein Geständnis ab, das nach Ansicht von Menschenrechtsgruppen nicht freiwillig erfolgte: Er habe vor mehr als zehn Jahren in China Fahrerflucht mit Todesfolge begangen und wolle seine Strafe antreten, gab er an. Doch auch nach dem Absitzen einer Haftstrafe im Oktober 2017 wurde Gui Minhai nach Angaben seiner Familie an der Ausreise aus China gehindert.

Hongkonger um Meinungsfreiheit besorgt

Das Verschwinden des Buchhändlers hatte unter den sieben Millionen Hongkongern große Sorgen über ihre Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit ausgelöst, die auch zu den Gründen für die seit Sommer 2019 anhaltenden Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion zählen. Aus Sicht der China-Kritiker zeigte sich hier der lange Arm der chinesischen Staatsorgane. Seit der Rückgabe der ehemals britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong nach dem Grundsatz “ein Land, zwei Systeme” autonom regiert.

„Brutale Intervention gegen einen Schweden“

Sein Fall hatte im Jänner 2018 eine bizarre Wende genommen. Damals wurde Gui Minhai unter den Augen von zwei schwedischen Diplomaten von Sicherheitsbeamten in Zivil aus einem Zug nach Peking geholt und abgeführt. Er hatte sich nach schwedischen Angaben in der Botschaft wegen einer neurologischen Krankheit medizinisch untersuchen lassen wollen. Die schwedischen Behörden verurteilten die “brutale Intervention gegen einen Schweden”. Die Diplomaten hätten ihm nur konsularische Unterstützung geleistet.

Unfreiwilliges Interview?

In einem arrangierten Interview im Februar 2018 gab Gui Minhai dann an, schwedische Diplomaten hätten ihn “angestiftet” und bedrängt, das Land zu verlassen. Am Ende sei er ihnen “auf den Leim gegangen”. Er äußerte seine Hoffnung, jetzt in China leben zu können, sagte er. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen gingen allerdings davon aus, dass er das Interview nicht freiwillig gemacht habe.

Illegale Weitergabe von Staatsgeheiminissen

Kurz darauf berichten chinesische Staatsmedien, er sei in Aktivitäten verwickelt, “die die nationale Sicherheit gefährden – darunter die illegale Weitergabe von Staatsgeheimnissen an ausländische Gruppen”. Nach jetzigen Angaben des Gerichts in Ningbo hat Gui Minhai im selben Jahr einen Antrag auf Wiederherstellung seiner chinesischen Staatsbürgerschaft gestellt.

(apa/lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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