Freitag, März 29, 2024

Kanzler Kurz – Die volle Härte der Krise

Kanzler Kurz und das Krisenmanagement

Auf Kanzler Kurz kommt nun also die volle Härte einer Krise zu. Nein ich meine nicht die Flüchtlinge in der Türkei, sondern die mehr als 350 Corona-Toten in Italien und die 60 Millionen Italiener in quasi Quarantäne. Noch ist die Zahl der Coronafälle in Österreich scheinbar überschaubar, aber im Steigen begriffen. Die Absage des Radiologenkongresses in Wien mit 25.000 Teilnehmern ist vielleicht ein weiterer Schritt zur Kanzlerdämmerung, bei dem es keine Message-Control gab, sondern nur eine Entscheidung zu treffen war. Auch das versehentliche Posting seines Intimus Gerald Fleischmann zeigt, dass Kurz dabei sein könnte die Kontrolle zu verlieren.

Wien 09. März 2020 / In der sonntäglichen Pressestunde sprach Kurz auf Corona angesprochen von einem Peak, den es zu verhindern gilt und er sprach permanent von den richtigen Maßnahmen zu den richtigen Zeitpunkten. Was er damit im Detail meint, dass lässt er, wie er das üblicherweise tut, mehr oder weniger offen. Kurz sieht dabei die Volkswirtschaft als Leitplanke. Über die Kapazität unseres Gesundheitssystems, deren Auslastung über eine hohe oder niedrige Sterberate entscheidet, verliert er wenig Worte. Mit seinen 33 Jahren gehört er auch nicht zu einer der von einer hohen Todesrate betroffenen Gruppen.

Die Wirtschaft gibt den Kurs vor

Das ist ganz im Sinne seines „Freundes“ und Präsidenten aus der Industriellenvereinigung Georg Kapsch. Kurz ist der Meinung, dass in Italien jetzt die Schulen zu schließen sind, in Österreich aber nicht, weil das ja gar nicht geht. Die Eltern müssten schließlich arbeiten. Die Tatsache, dass in Italien die Grenzen des Gesundheitssystems erreicht sind und die seit Sonntag bekannten 16 Millionen Menschen in Quaratäne die äußerste Möglichkeit darstellt, noch schlimmeres zu verhindern, das scheint der Kanzler nicht im Blick zu haben. Die hohe Todesrate von über 3 Prozent ist ein Indikator dafür, dass das Gesundheitssystem nicht mehr genug Kapazitäten aufweist, die kritischen Fälle adäquat zu versorgen.

Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt tickt anders

Das Beispiel Japan zeigt, dass es auch anders geht. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt schloss am 27. Februar 2020 ihre Schulen bis Ende März, anschließend sind noch weitere zehn Tage Frühlingsferien. Diese Entscheidung ist gefallen, als in Japan 900 Erkrankungen registriert waren. In dieser Zahl sind rund 700 Fälle auf dem Kreuzfahrtschiff, das in Yokohama liegt mit eingerechnet.  Japan hat 126 Millionen Einwohner und ein Gesundheitssystem, das auf verheerende Erdbeben eingerichtet ist, mit enstprechenden Kapazitäten. Österreich hat derzeit rund 140 Fälle und 8,8 Millionen Einwohner. Was beide Länder verbindet: Nachbarländer haben schwer mit der Ansteckung zu kämpfen und stellen Millionen Einwohner unter „Hausarrrest“.

Hat Japan völlig überreagiert?

Hier ein Originalton eines deutschen Managers aus Japan vom 29. Februar 2020: „Die Japaner sind sehr vorsichtig und schließen daher die Schulen. Das ist eine relativ einfach zu implementierende Maßnahme, die wirkungsvoll ist. Detto die Quasi-Ausgangssperre auf der Nordinsel Hokkaido, wo die Dichte der Fälle mit Abstand am höchsten ist. Im restlichen Japan, inklusive Tokio, gibt es ca. 150 Fälle, das ist auf die Bevölkerung umgerechnet weniger als in Deutschland. Im öffentlichen Verkehr tragen 80-90% der Japaner Masken. Ich habe bei mir in der Firma die Reisen und Meetings auf das absolut nötigste beschränkt und werde mich auch selbst in den nächsten Wochen an die von mir verhängten Reisebeschränkungen halten.“ Anmerkung: Mittlerweile sind in Japan gut 350 Fälle verzeichnet und in Deutschland weit über 1.000.

Liegt Kanzler Kurz womöglich (völlig) falsch?

Die Conclusio: Denkt man die Gedanken von Kanzler Kurz zu Ende, muss Japan völlig überreagiert haben. Ein anderes bestens vergleichbares Beispiel ist die Schweiz. Bei den entdeckten Corona-Fällen war die Schweiz zeitgleich mit uns, bei der Absage der Großveranstaltungen wie dem Genfer Autosalon mit 600.000 Besuchern oder der Uhrenmesse aber um Lichtjahre vor uns. Noch ein Detail am Rande: Siemens und Red Bull untersagen seit längerem ihren Angestellten jegliche Dienstreisen.

Radiologen sagen Kongress mit 25.000 Besuchern ab

Eine weitere Tatsache sollte uns allen zu denken geben. Der weltgrößte Radiologenkongress in Wien, an dem 25.000 Tielnehmer erwartet worden wären, wurde verschoben. Radiologen sind zwar keine Epidemiologen, aber letztlich wurde ihnen die Sache zu heiß. Das auch noch scheinbar gegen den Widerstand der Wirtschaftskammer und obwohl die öffentliche Verwaltung sie ermunterte, den Kongress als „Zeichen der Normalität“ abzuhalten. Natürlich kann man den für den Kongress zuständigen Ärzten jetzt Panikmache vorwerfen, oder steckt vielleicht Umsicht dahinter?

Peinliche Inszenierung

Eine weitere spannende Tatsache hat sich aus einem Twitterbeitrag von Gerald Fleischmann, dem Medienbeauftragten von Kanzler Kurz ergeben. Zitat: „Was für eine peinliche Inszenierung! Warum muss der Kurz eine Konferenz zur AUA und zu Flugverkehr machen und zu Grenzkontrollen machen, was geht ihn das überhaupt an! Lass das Anschober machen. Da fühle ich mich wohler.“  Man kann diesen Tweet als Missgeschick deuten aber auch als Aufforderung lesen, jetzt möglichst aus der Schusslinie zu gehen. Letzteres wäre eine bezeichnende Ansage von einem der Chefstrategen unseres Kanzlers.

Mehr Shackleton und weniger Kurz-Inszenierung

Gute Manager zeichnen sich immer durch eine besondere Eigenschaft aus. In wirklichen Krisen können sie Verluste maximal begrenzen. Einer, der in der Management Literatur als herausragendes Beispiel für überlegenes Management gilt, ist Ernest Shackleton. Ihm gelang das unglaubliche Kunststück, bei einer Antarktisexpedition trotz fast aussichtloser Lage, alle seine Begleiter zu retten. Das lag vor allem an seiner Vernunft, seiner Risikoabwägung und seinem herausragenden Führungsstil. Von Selbstinszenierung und „Experte für alles“ ist bei Shackleton nichts zu lesen. Die nahe Zukunft wird uns zeigen, was von Sebastian Kurz als Krisenmanager wirklich zu halten ist. Diesmal läuft die Zeit gegen ihn. Es kann gut sein, dass ihn die volle Härte der Krise trifft.

(sm)

Titelbild: APA Picturedesk

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