Coronavirus-Reservoir Fledermaus
Batman, zu Deutsch Fledermaus-Mann, ist einer der ganz düsteren Comichelden. In gewisser Weise sollten sich Menschen auch vor Fledermäusen fürchten. Weniger vor den Tieren selbst, jedoch vor den Eigenschaften ihres extremen Immunsystems. Es zwingt Viren dazu, sich unglaublich aufzurüsten, wenn sie sich in ihrem Fledermauswirt reproduzieren wollen.
Wien, 28. März 2020 / Fledermäuse sind die Außenseiter unter den Säugetieren. Die einzigen, die fliegen können; die einzigen, die sich mittels Echolot orientieren; und die einzigen, die auch bluttrinkende Arten hervorgebracht haben (Vampirfledermäuse). Diese Tiere sind absolute Spezialisten. Sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich Genom und Darm, als auch in Bezug auf das Immunsystem deutlich von allen anderen Säugetieren. Nur so ist es zum Beispiel möglich, dass sie fliegen können. Die drei bekannten blutsaugenden Arten sind ein Phänomen. Blut ist kaum nahrhaft, vor allem aber macht es normalerweise krank. Sich ausschließlich davon zu ernähren, wie drei gewisse Fledermausarten, geht nur mit extremen Tricks.
Ebola? – Kein Problem für eine Fledermauszelle
Ein Experiment mit Marburg- und Ebola-ähnlichen Viren, durchgeführt an der Universität Berkley in Kalifornien, zeigt: Fledermauszellen, nämlich die des Schwarzen und des Nil-Flughundes können sich gegen diese extrem aggressiven Viren sehr gut wehren. Beides sind Viren, die bei Menschen mit einer Sterblichkeit von 70-90% einhergehen. Als Kontrollgruppe bei diesem Experiment wurden Zellen von Meerkatzen, einer Affenart, demselben Virenangriff ausgesetzt. Die Affenzellen hatten den Viren nichts entgegenzusetzen und starben ab. Die Fledermauszellen blieben zwar infiziert, aber trotzdem gesund. Sie konnten sich erfolgreich gegen das tödliche Virus wehren.
Permanent im roten Bereich
Dazu bedienen sich Fledermäuse eines sehr speziellen Tricks. Die drei speziellen Fledermausarten fluten ihr gesamtes Zellsystem permanent mit Interferon-Alpha-Proteinen. Das aktiviert die zelluläre Abwehr und veranlasst die Zellen dazu, sich gegen das Virus abzuschotten. Parallel dazu verhindert der Botenstoff eine überschießende Entzündungsreaktion, die den Körper sehr schnell in Lebensgefahr bringen würde. Zum Vergleich: Würde die menschliche Immunabwehr die gleiche antivirale Strategie versuchen, würde dies sofort körperweite Entzündung auslösen.
Fliegen erfordert ein extremes Immunsystem
Doch warum ist das so bei den Fldermäusen? Die Ursache ist das Fliegen. Es ist extrem anstrengend und energieintensiv. Deshalb besitzen Fledermäuse einen weit aktiveren Stoffwechsel als gewöhnliche Säugetiere. Das bringt aber den Nachteil mit sich, dass destruktive radikale und entzündungsauslösende Abfallstoffe permanent in hoher Zahl anfallen. Damit diese Stoffe nicht ständig Zellschäden und Entzündungen auslösen, ist das Immunsystem der Fledermäuse pausenlos hochgedreht. Nur so kann es entsprechend effektiv gegen die radikalen, entzündungsauslösenden Abfallstoffe, aber auch gegen fremde Erreger, vorgehen. Damit sind Fledermäuse Meister darin, selbst extrem aggressive Viren in Schach zu halten.
Auch das Virus wappnet sich
Die starke Immunantwort der Fledermäuse zwingt nun ein Virus dazu, seine Vermehrung deutlich zu verstärken. Ziel ist es, den Wirt dabei nicht zu töten. Das Immunsystem der Fledermäuse erhöht durch seine starke Immunantwort die Virulenz des Erregers. Das wird in dem Moment fatal, wenn der Erreger auf einen Wirt mit weit weniger gut gerüsteten Immunsystem trifft. Zum Beispiel dem Menschen.
Das sechste Mal
SARS-CoV-2 ist die sechste einer Serie von Infektionskrankheiten, die von Fledermausviren beim Menschen verursacht wurde. Bekannt sind derzeit: Hendra 1994, Nipah 1998, Sars 2002, Mers 2012, Ebola 2014 und nun SARS-CoV-2. Alle diese Krankheiten, bis auf das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, zeichnen sich durch eine recht hohe Sterblichkeitsrate aus. Jedoch sind sie, anders als SARS-CoV-2, schwerer von Mensch zu Mensch übertragbar. Mit entsprechenden Hygienemaßnahmen und Schutzausrüstung ist eine Seuche gut einzudämmen. Fehlt das jedoch, kann die Situation, ähnlich wie bei Ebola, fatal enden.
Der weite Weg von der Fledermaus zum Menschen
Normalerweise springen Cornonaviren nicht so einfach von einem Fledermauswirt zum anderen. Bei SARS-CoV-2 ist derzeit noch nicht geklärt, welches Tier den Sprung auf den Menschen ermöglichte. Man geht aber von Schuppentieren (Pangoline) aus. Dass SARS-CoV-2 zuerst in China aufgetreten ist, hat einen besonderen Grund. In China und ein paar anderen Ländern in Südostasien gibt es sogenannte „Wet Markets“. Das sind Wildtiermärkte, auf denen verschiedenste exotische Tiere angeboten werden, die sich in freier Wildbahn nie begegnet wären. Dicht aneinander stehend, sind diese in engen Käfigen gefangen. An diesen Orten entstehen dann Viren, die manchmal auch auf den Menschen überspringen können. Das war bei der Vogelgrippe so, oder auch bei SARS 2002. Vieles deutet darauf hin, dass dieser Ursprung auch der Ursprung des neuartigen Coronavirus ist. Die Vorgänge auf den „Wet Markets“ sind gut nachvollziehbar, sodass sie sich auch im Labor reproduzieren lassen.
Lebensraumzerstörung als weitere Ursache
Aber nicht nur die „Wet Markets“ sind daran schuld, schon gar nicht in Bezug auf die Fledermäuse – diese werden dort nicht angeboten. Doch deren Lebensräume werden immer stärker von der Zivilisation bedroht. Der Mensch rückt diesen Tieren quasi auf den Pelz. Sie können nicht mehr ausweichen und sind gezwungen, in der Nähe des Menschen zu leben. Somit ist SARS-CoV-2 auch eine indirekte Folge des Raubbaus an der Natur. Dieses Thema wurde von Steven Soderberg in seinem Film Contagion in sehr anschaulicher Weise dargestellt: Bagger scheiben Palmen um. Die Fledermäuse auf den Palmen fliegen auf, dabei verliert ein Tier seine Frucht, die es gerade verzehrt hat. Diese Frucht fällt in ein Ferkelgehege. Ein Ferkel frisst die Frucht und landet auf einem „Wet Market“. Der Koch bereitet das Ferkel vor und, statt sich die Hände zu waschen, putzt er sie an seiner Schürze ab. Dann reicht er die Hand der Touristin Beth Imhoff, gespielt von Gwyneth Paltrow. Sie wird zur Patientin Null und löst eine Pandemie aus, denn ihr Immunsystem hat keine Antwort auf den Erreger. Sie stirbt.
Das nächste Virus kommt bestimmt
SARS-CoV-2 ist also aus einer Reihe von Gründen eine Bedrohung für viele Menschen. Dabei ist der Mensch ein Mitverursacher dieser Katastrophe, weil er den Lebensraum der „gefährlichen“ Wirte, der Fledermäuse, einschränkt und diese zwingt, in der Nähe der Menschen zu überleben. Zudem bilden die „Wet Markets“ eine Brutstätte für die gefährlichen Viren, weil hier Zwischenwirte angeboten werden. Ebola sprang von Bushmeet, also Wildfleisch, auf den Menschen. Sars sprang via Larvenroller, einer Schleichkatzenart, als Zwischenwirt auf den Menschen. Da Fledermäuse von Coronaviren nicht krank werden, bilden sie auch in Zukunft ein Reservoir für neue Typen von Coronaviren.
Strategie für die Zukunft gefragt
Letztlich ist es aber das überragende Immunsystem der Fledermäuse, das Viren zwingt, extrem virulent zu werden. Coronaviren, die in Fledermäusen zirkulieren, werden wohl noch weitere Ausbrüche verursachen. Es ist daher an der Zeit, sich dazu eine entsprechende Strategie zu überlegen. Wie viele Shutdowns hält die Menschheit aus? Je mehr Menschen auf der Erde leben, desto wahrscheinlicher wird eine Pandemie. Mann stelle sich vor: Hätte SARS-CoV-2 eine Sterblichkeitsrate ähnlich Mers oder Sars, dann wäre die Situation heute noch viel dramatischer.
(sm)
Titelbild: Pixarbay / ZackZack-Grafik