Dienstag, April 23, 2024

“Am Schauplatz” Ischgl: Corona, Seilbahn, Pinguine

Corona, Seilbahn, Pinguine

Die am Donnerstag ausgestrahlte Folge von “Am Schauplatz” schlägt hohe Wellen. Die Dokumentation des ORF-Journalisten Ed Moschitz über den Wintersportort Ischgl, der als Ausbruchsort des Coronavirus in Österreich gilt, zeigte das Bild des Ortes über den Umgang mit dem Epidemieausbruch. Eine Dokumentation über Corona, Seilbahnwirtschaft und Pinguine.

Wien, 03. April 2020 | Eigentlich sollte die im Jänner 2020 aufgenommene Dokumentation der ORF-Sendung „Am Schauplatz“ den Tourismus im Wintersportort Ischgl in Tirol zeigen. Aus einem der ärmsten Dörfer Österreichs wurde aufgrund der errichteten Seilbahn ein Party-Mekka für Ski-Gäste – mit Millionengewinnen.

Der Ischgler Stolz: Die Seilbahn

Stolz zeigten sich die Ischgler Touristiker den ORF-Kameras über die lebensnotwendige Silvretta-Seilbahn, wie etwa der Hotelier Günther Aloys, Sohn des Seilbahnpioniers Erwin Aloys. „Seilbahn, Seilbahn, Seilbahn“, schreit Aloys Moschitz entgegen, als er sein kindliches Ich imitiert, wie es über das Lieblingsthema des Dorfes spricht. Der exzentrische Hotelier präsentiert dabei auch seine Ideen für die Zukunft des Gebietes: Königspinguine im Tiroler Skigebiet und heiße Badequellen für die frierenden Ski-Gäste. Das einzige Problem für Aloys an den Königspinguinen: Wenn ein Helikopter über Sie fliegt, aufschauen und umfallen, denn die “Pinguine stehen nicht von alleine auf”. Auch die neue Zielgruppe für den Wintertourismus ist laut Aloys bereits definiert: China. Wie stolz die Ischgler auf ihre Seilbahn sind, zeigt auch ein Blick in den Gemeinderat. Ein Großteil dort arbeitet beim Seilbahnbetrieb. Menschenmassen vor Liften, auf den Pisten und in den Nachtlokalen, sollten die Bilder aus dem Jänner prägen.

Paukenschlag am Freitag, den 13.

Allerdings kam es auch anders gehen. Am Freitag, den 13. März, verkündete die Bundesregierung eine sofortige Quarantäne für das Paznauntal, in dem sich auch die Gemeinde Ischgl befindet. Hektische Szenen spielten sich ab. Gäste und Saisonarbeiter verließen die Gemeinde, so schnell es ging. Ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist, dürfte wohl ein Fall für die Justiz sein. Die Igschler Gemeinde soll den Ausbruch des Coronavirus verschwiegen haben. Grund genug für das Team von „Am Schauplatz“, die Recherche über den Tiroler Ort noch einmal aufzunehmen.

Nachrichtensperre des ganzen Dorfes

Moschitz nahm deshalb erneut Kontakt mit der Gemeinde auf, stieß jedoch auf verschlossene Türen. Über das gesamte Dorf wurde vom Bürgermeister eine Nachrichtensperre erlassen. Einheimische gaben keine Auskunft über die Abläufe in Ischgl. Ausländische Medien berichten bereits seit längerer Zeit vom Corona-Hotspot Ischgl. Island gab schon am 6. März eine Reisewarnung für Ischgl ab, nachdem zahlreiche Touristen mit Covid-19 ins Land zurückkehrten. Als Virenschleuder wurde die Bar “Kitzloch” ausgemacht.

Touristen packen aus

Touristen und Saisonarbeiter wandten sich jedoch an den ORF-Journalisten. Ein Tourist, der mit dem Barkeeper allein im Hotel bleiben musste, da er zwei Tage vor der Schließung angereist war, sagte via Videokonferenz: „Im ganzen Gebiet ist Chaos ausgebrochen, es habe keine Auskunft gegeben, wieso plötzlich die Seilbahn nicht mehr geht.“ Der Bürgermeister der Ischgler Gemeinde Werner Kurz habe ihm seine Telefonnummer gegeben und er „könne sich jederzeit bei ihm melden“. Der Bürgermeister erwiderte jedoch keinen Anruf der Touristen. Auch Anrufe der ORF-Redaktion erwiderte der Bürgermeister nicht.

Zahnarzt bezeichnet Tiroler Behörden “blauäugig”

Der Zahnarzt der Gemeinde ist der einzige, der mit Moschitz über die Situation in Ischgl spricht: „Keiner hat damit gerechnet, dass das so schnell zu uns kommt.“ Dass die Tiroler Behörden jedoch geglaubt haben, dass Virus habe sich erst im Flugzeug der Isländer ausgebreitet und nicht in der Gemeinde, bezeichnetete der Zahnarzt als “blauäugig”.

Ein weiterer Tourist erhob schwere Vorwürfe gegen die Gemeinde. Diese wollte den Ausbruch des Virus „unter den Tisch kehren“ und „so viel wie möglich verdienen“. Ein Bild, das sich durch den Arzt der Gemeinde zeigte. Der Tourist hielt eine Bestätigung des Dorfarztes in die Kamera. In dieser wurde ihm bestätigt, nicht mit dem Coronavirus infiziert zu sein und auch keinen Kontakt mit Erkrankten gehabt zu haben. Getestet wurden die zahlreichen Personen nicht, ein Fieberthermometer sollte die Temperatur der Besorgten bestätigen – die Auskunft, nicht in der Hotspot-Bar Ischgls gewesen zu sein, reichte für die Bescheinigung. Der Arzt wies die Vorwürfe zurück und könne sich nicht vorstellen, solche Bescheinigungen ausgestellt zu haben.

Saisonarbeiterin ließ sich in Landeck testen

Eine tschechische Saisonarbeiterin hingegen fuhr in das nahegelegene Landeskrankenhaus Landeck, um sich auf das Coronavirus testen zu lassen. Der Test fiel positiv aus, was ihr von Ischgler Seite Probleme bereitete. Nach Tagen der Nachrichtensperre erreichte Moschitz den Hotelier Aloys am Telefon. Im nachgesprochenen Gespräch gibt Aloys zu: „Ischgl steht im absoluten Feuer, da muss man vorsichtig sein“. Weitere Auskunft darf er keine geben, Medien soll die Bevölkerung Ischgls weiterhin keine Stellungnahme abgeben.

Sammelklage

Verbraucherschützer Peter Kolba bereitet indes eine Sammelklage von mehr als 3.000 Personen vor. Ein Schadensersatz von mehr als fünf Millionen Euro steht im Raum. Damit wäre die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am Zuge.

Bürgermeister fühlt sich nicht schuldig

Knapp vor Redaktionsschluss erreichte Moschitz noch den Bürgermeister Ischgls, Werner Kurz. „Nichts ist schiefgegangen. Wir haben uns immer nach bestem Wissen und Gewissen an die Vorgaben der Behörden gehalten“, erklärt Kurz. Beendet wird die Folge mit der Frage, ob er sich schuldig fühle. Kurz erwidert mit einem strengen “Nein”.

Den Link zur Sendung finden Sie hier.

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

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