Montag, März 18, 2024

App oder Ausgangssperre – mit Vollgas in den Überwachungsstaat – Kommentar

Kommentar

Die ÖVP versucht, die Nutzung der Uniqa-App zur Überwachung der Corona-Maßnahmen verpflichtend zu machen, sagt Nationalratspräsident Sobotka. Wer sie nicht installiert, soll Ausgangsperre bekommen. Die Grünen schweigen.

Wien, 04. April 1984 | In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin “Profil” sagt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), die Regierung prüfe derzeit zwei Dinge: Erstens, ob sie eine Verpflichtung zur Installation der Stopp-Corona-App von Uniqa und Rotem Kreuz erlassen kann. Zweitens, ob sie Ausgangssperren an die Nutzung der App binden kann. Für Österreichs prominentesten Rechtsinformatiker (er gilt an der Uni Wien als Star) Nikolaus Forgo ist das klar rechtswidrig, wie er dem “Standard” sagte.

Kein blindes Vetrauen in Grundrechtsfragen!

Wer sich nicht auf Schritt und Tritt vom Staat verfolgen lässt, soll zu Hause eingesperrt werden. Dass die ÖVP das will, ist verwerflich – und überrascht niemanden. Die autoritären Tendenzen der türkisen Truppe sind unübersehbar. Jüngstes Beispiel ist die Weigerung der türkisen de-facto-Alleinregierung, gegen die neue Dikatur von Kurz’ Parteifreund Viktor Orban in Ungarn auch nur zu protestieren. Dass die zum Raiffeisen-Konzern gehörende Uniqa die App finanziert, ist kein Zufall. Daten sind die Geschäftsgrundlage von Versicherungskonzernen. ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, gegen den die Soko Ibiza wegen Bestechlichkeit ermittelt, war Chef des Konzerns. Sehr vetrauenswürdig.

Sebastian Kurz’ einziger Job außerhalb der ÖVP war – erraten – bei der Uniqa. Langzeitstudent Kurz jobbte dort als Versicherungsvertreter. Das Rote Kreuz ist, obwohl die Organisation klare politische Schlagseite hat (warum wohl nicht der Arbeiter-Samariter-Bund ausgewählt wurde?), schon deutlich vertrauenswürdiger, aber im besten Fall politisch hoffnungslos naiv.

Im Zweifel: ziviler Ungehorsam

Wirklich überraschend ist eigentlich nur, dass die Grünen nicht sofort klarmachen: Wenn das kommt, könnt ihr die Koalition vergessen. Jetzt, Grüne, jetzt – oder nie! Wenn es soweit kommt, dass der Staat alle einsperrt, die sich nicht überwachen lassen wollen, sind alle Dämme gebrochen. Die Regierung stellt sich damit außerhalb des Verfassungsbogens.

In Deutschland, das aus seiner Geschichte gelernt hat, gibt Artikel 20 des Grundgesetzes jedem das Recht, Widerstand zu leisten, wenn staatliche Institutionen die Verfassung gefährden. In Österreich gibt es dieses Recht nicht. Trotzdem: Wenn Türkis-Grün den grundrechtsfeindlichen Plan der ÖVP umsetzt, wird auch hierzulande Widerstand zur Pflicht. Dann werden die Nachfolger der Hainburger Aubesetzer erleben, was ziviler Ungehorsam ist.

Thomas Walach

Titelbild: Polizisten bei der gewaltsamen Räumung der Hainburger Au 1984. Im selben Jahr, in dem George Orwells dystopischer Roman über den Überwachungsstaat spielt, gründeten sich die österreichischen Grünen aus dem zivilen Ungehorsam der Aubesetzer. Bild: APA Picturedesk

Thomas Walach kommentiert

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