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Zu Hause statt Schule – Wie es Eltern, Kindern und Lehrern damit geht

Wie es Eltern, Kindern und Lehrern damit geht

Der Heimunterricht geht in die Verlängerung. Wegen der Corona Krise wird die Schule bis Ende April im Notbetrieb weitergeführt. Dafür hat das Bildungsministerium neue Maßnahmen für den Unterricht zu Hause bekanntgegeben.

Wien, 05. April 2020 | Anna schlägt wütend auf ihren Tisch, wirft die Hefte auf den Boden und beginnt leise zu weinen. So hat der Montagmorgen der Familie Tüchler in der zweiten Woche des Heimunterrichts begonnen. „Ich weiss überhaupt nicht mehr was ich tun soll, meine jüngere Tochter hört gar nicht mehr auf mich und möchte ihre Aufgaben nicht machen“, stöhnt Nadine, Mutter von Anna (7) und Marie (12).  Nadine ist in einer Werbeagentur tätig und derzeit im Homeoffice, ihr Mann arbeitet im Krankenhaus. „Zuerst haben sich unsere Kinder über den Unterricht zu Hause gefreut, jetzt kann sich Anna oft nur noch 15 Minuten konzentrieren, bevor sie einen Wutausbruch bekommt.

Die Nerven liegen blank

Der Unterricht daheim ist für viele Familien jetzt schon eine Tortur. Oft muss ein Elternteil – neben der eigenen Homeoffice-Arbeit – mehrere Kinder unterschiedlicher Schulstufen bei den Aufgaben betreuen. Familien ohne Deutschkenntnisse tun sich besonders schwer.

„Ich finde es schwierig, die eigenen Kinder zu unterrichten, wir streiten sehr oft und nach einigen Tagen liegen meine Nerven blank. Ich sitze mit den Kindern manchmal bis zum späten Nachmittag, um den Stoff durchzumachen. Bei den Aufgaben meiner älteren Tochter kann ich manchmal gar nicht helfen und sie tauscht sich auch lieber mit ihren Freundinnen aus,“ erzählt Nadine.

Unsicher, wann die Schule wieder beginnt

Bildungsminister Fassmann sagt, Eltern sollten nicht so viel Druck machen sollten, es gebe jetzt Wichtigeres – doch wer möchte schon ein halb leeres Heft abgeben? „Ich hatte im Halbjahreszeugnis eine schlechte Note in Mathematik, die wollte ich verbessern. Jetzt habe ich Angst, dass das nicht geht“, sagt Marie. „Ich finde es auch schwierig, dass wir nicht wissen, ob die Schule dann wirklich Ende April wieder aufsperrt. Ich vermisse meine Freunde sehr.“ Die Unsicherheit, nicht zu wissen, wann die Schule wieder losgeht, ist vor allem für ältere Kinder belastend. Die Jüngsten wiederum verstehen nicht, warum es plötzlich keine Schule mehr gibt. Endlich haben sie sich an die Routine gewöhnt und nun gibt es Unterricht von der Mutter, Vater oder Geschwistern. „Anna hat sich bei der Eingewöhnung in der Schule sehr schwergetan. Sie ist sehr schüchtern und ich hoffe, dass uns das nicht wieder zurückwirft“, sagt Nadine.

Wann die Sessel in den Klassenzimmern wieder auf den Boden gestellt werden, weiß eigentlich keiner genau.

Einer der neuen Schritte des Bildungsministeriums erlaubt überlasteten Familien, das Angebot der Betreuung am Schulstandort in Anspruch zu nehmen – unabhängig davon, welchen Beruf die Eltern und Erziehungsberechtigten haben.

Ein Brief an jedes Kind

Laut Bildungsminsterium sollen Lehrer regelmäßigen Kontakt zu jedem einzelnen ihrer Schüler haben. So soll bis zum 10. April ein Service Portal für Distant Learning eingerichtet werden, um dem Lehrpersonal die Möglichkeit zu geben, ein digitales Klassenzimmer einzurichten.

Bisher hat die Kommunikation der SchülerInnen mit den Lehrkräften sehr stark variiert. „Viele meiner Kollegen und ich denken, dass wir die Kinder derzeit überfordern würden, wenn wir sie jetzt auch noch mit digitalen Medien belasten. Weder die Kinder noch wir Lehrer haben darin Erfahrung,“ sagt Julia Grabner, Lehrerin einer öffentlichen Volksschule in Wien. „Ich habe alle Eltern meiner Klasse telefonisch kontaktiert, um mir ein Bild der Lage zu machen. Jedem Kind habe ich einen Brief geschrieben“, so Grabner.

Unterricht per Video

Doch es gibt auch viele Lehrer, die den Umgang mit Computern bevorzugen und den Kindern Videostreams anbieten. „Ich setze mich morgens an den Computer und machen den Unterricht via Microsoft Teams. Das funktioniert sehr gut und alle Kinder haben sich recht schnell mit dem Programm zurechtgefunden. Natürlich war anfangs Unterstützung durch die Eltern nötig“, erzählt Matthias Ferstl, Lehrer in einer höheren Schule in Wien.

Viele Eltern begrüßen diese sehr zeitaufwendigen Bemühungen. Denn wenn sie selbst im Homeoffice arbeiten müssen, sind die Eltern froh, wenn die Kinder durch Videounterricht den Unterrichtsstoff erklärt bekommen – vor allem, wenn neuer Stoff durchgemacht werden soll, wie kürzlich vom Bildungsministerium bekanntgegeben.

G’riss um den Laptop

„Wir haben derzeit einen Laptop zu Hause, den ich für meine Home Office Arbeit brauche. Marie verwendet den nun auch. Das ist schwierig, wenn ich vormittags für meine Arbeit etwas fertig machen soll“, sagt Nadine. Benachteiligten Familien, die keinen eigenen Computer haben, sollen von Kooperationspartnern des Bildungsministeriums Geräte zur Verfügung gestellt werden. Bei der Vernetzungsplattform www.computer-fuer-alle.at haben sich seit Ende März bereits rund 160 Schulen aus 8 Bundesländern gemeldet. Knapp 4.200 Computer werden gebraucht.

Zu spät informiert

„Die geplanten Maßnahmen zur Digitalisierung des Unterrichts werden in Schulen, wo es zuvor keinerlei digitale Hilfsmittel gab, nur schwer umzusetzen sein“, meint Daniela Schwarz, Schuldirektorin in einer Wiener Volksschule. „Bisher waren die Angaben des Bildungsministeriums dazu sehr schwammig, unklar und uneinheitlich. Für die Schulen wäre es am sinnvollsten, wenn die jeweiligen Standorte entweder autonom agieren können oder konkrete, detaillierte Vorgaben bekommen würden“, so Schwarz.

„Abgesehen von all den neuen Maßnahmen und Umstellungen ist es für mich derzeit sehr schwierig, dass ich über die geplanten Schritte meiner Vorgesetzten immer viel zu spät informiert werde. Ich erfahren quasi aus den Medien was passieren wird – zeitgleich mit Eltern und Schülern. Jedoch wissen das viele Eltern nicht und die Schulen scheinen immer hinterherzuhinken“, ärgert sich Schwarz und fügt hinzu: „So wie es derzeit läuft, merkt man an einigen Schulstandorten einen merklichen Stimmungsverfall.“

Sophie Hanak

Anmerkung: Die Namen sämtlicher Personen wurden von der Redaktion geändert. 

Bilder: Pixabay

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