Freitag, März 29, 2024

Coronakrisenstrategie – Zu Kurz gedacht

Kommentar

Augen zu und durch und keine Ahnung, wo wir landen werden! Soll lässt sich die langfristige Strategie der Regierung wohl zusammenfassen. Es gibt leider kaum Hinweise auf eine Strategie, die über den Zeithorizont von 14 Tagen hinausgeht. Ein gewagtes Experiment, dass ganz leicht scheitern könnte. Man kann es aber auch als schwerwiegendes Versagen werten.

Wien, 08. April 2020 |

Nationales Schulterklopfen, so lautet der Titel des gestrigen Kommentars. Die Frage, die sich damit stellt, ist: Wofür? Ja, das Schlimmste wurde bisher verhindert. Italienische Verhältnisse sind (noch) nicht da. Das Wort “noch” steht bewusst in Klammern, denn statt uns in einer der vielen täglichen Statements im Regierungsfunk über die langfristige Perspektive zu informieren, passiert tägliches politisches Sackhüpfen von einem Ort zum nächsten, mit ungewissem Ausgang.

Das Schlimmste kommt wohl noch

Das Schlimmste ist wohl noch lange nicht ausgestanden. Dass es noch lange Beschränkungen geben wird, das klingt immer wieder durch beim Regierungssprech. Manche Medien stimmen uns in vorauseilendem Gehorsam schon auf den Urlaub in Österreich ein. In der derzeitigen Lage eine gewagte Phantasie. Kein Urlaub ist eher die real existierende Variante für diesen Sommer, dank Ausgangsbeschränkungen.

Was ist das Ziel?

Im Groben haben wir drei Möglichkeiten, um aus der Krise herauszukommen:

  • Herdenimmunität I
    Ein Großteil der Bevölkerung ist angesteckt worden und hat die Krankheit überstanden oder ist gestorben. Das Virus verliert durch die Immunität großer Teile der Bevölkerung oder deren Tod seine Wirte. Der Haken an der Sache: je mehr gleichzeitige Infizierte, desto mehr Kranke und desto mehr Tote, weil das Gesundheitssystem nicht mehr mitspielt. Ein anderer Haken: Noch weiß niemand, wie lange Genesene gegenüber dem Virus immun sind.
  • Impfstoff = Herdenimmunität II
    Bis ein Impfstoff wirklich entsprechend gut getestet und risikolos ist, vergehen gut und gerne fünf Jahre. Auch unter völlig optimistischen Voraussetzungen ist kaum mit einem Impfstoff vor Mitte 2021 zu rechnen. Und dann müssen noch mindestens vier bis fünf Milliarden Menschen geimpft werden. Herstellungstechnisch und logistisch ist das eine Herausforderung. Durch Impfung erhält man übrigens auch eine Herdenimmunität.
  • Wirksame Medikamente
    Möglicherweise der schnellstmögliche Weg aus der Krise. Es gibt erfolgsversprechende Ansätze mit zum Teil schon zugelassenen Medikamenten. Noch zeichnet sich aber kein Durchbruch ab. Erste Studien zu Grippe- und Ebola-Medikamenten sind im Werden.

    Selbst bei einem wirksamen Medikament vergeht in vielen Fällen einiges an Zeit, bis dieses großflächig einsatzbereit ist. Die Krankheit wird aber behandel- und damit beherrschbar. Herstellung und Logistik gilt es aber auch hier zu beachten. Die Wirklichkeit holt uns leider auch bei diesem Szenario sehr schnell ein. Fehlen doch laut EU-Kommission derzeit 47 Medikamente für Corona-Intensivpatienten am europäischen Markt. Erste Engpässe gibt es angeblich auch in Österreich.

Herdenimmunität oder Krankheitsbekämpfung?

Wir haben langfristig betrachtet zwei Optionen: Herdenimmunität oder Krankheitsbekämpfung. Nun wäre es interessant zu erfahren, worauf unsere Regierung setzt? Welche Strategie wird verfolgt? Mister Herdenimmunität Boris Johnson, nachdem er letztlich viel zu spät von dieser Idee genommen hat, liegt derzeit gerade auf der Intensivstation. Im Königreich explodieren nun die Todeszahlen. Das Expertiment ist gescheitert. Covid-19 ist keine gewöhnliche Grippe.

Gesteuerte Durchsuchung

Bei einer künstlich niedrig gehaltenen „Durchseuchung“ (© Sebastian Kurz) die sich gerade am Rande des Machbaren unseres Gesundheitssystems bewegt, brauchen wir Daumen mal Pi mindestens zweieinhalb bis drei Jahre Kontaktbeschränkungen und Ausgehverbote. Dabei ist noch nicht mitberechnet, wie viele „Kollateralschäden“ auftreten, weil andere „gewöhnliche“ Krankheiten nicht entsprechend behandelt werden können.

Wenn unsere Regierung auf einen Impfstoff setzt, dann muss sie die Frage beantworten, bis wann sie ungefähr damit rechnet und wie lange es dauern könnte, bis alle geimpft sind – enn es zu erwartbaren Engpässen kommt, wer als erstes geimpft wird und so weiter und so fort.

Ein Pulverl wird es richten?

Auf ein Medikament gegen Covid-19 zu warten, könnte durchaus eine Strategie sein. Aber dann muss man sich vorbereiten. Die europäische Pharmaindustrie hat nur mehr ihre Headquaters in der EU, produziert wird in China, mit allen einhergehenden Risiken. Der angesprochene Engpass an Medikamenten ist vielleicht nur ein Vorgeschmack auf eine kommende Entwicklung. Österreich könnte bei der Verteilung womöglich auf der Strecke bleiben. International gelebte „Contrasolidarität“ ala Trump, Orban, Johnson oder auch Kurz machen diesen Zustand möglich. Und China weitet seinen weltpolitischen Herrschaftsbereich über die Medikamentenverteilung aus. Kein sehr einladender Gedanke.

Singapur als Warnung

Das Beispiel Singapur zeigt uns aber eindrücklich, dass selbst in sehr regressiv und restriktiv agierenden Gesellschaften das Problem nicht gelöst ist. Dort scheint die Lage, folgt man den internationalen Presseberichten, gerade mit dem Einsetzen der zweiten Welle aus dem „hart geführten“ Ruder zu laufen. Ein Grund mehr für Kurz und Co., uns zu verraten, was die Regierung eigentlich so vor hat. Es bleibt bisher alles unsicher und ungewiss. Die persönlichen Auswirkungen dieses Zustandes sind nicht zu unterschätzen. Und wie die Strategielosigkeit auf die Wirtschaft wirkt? Sie könnte viel tödlicher sein als das Virus.

Fahren ohne Licht im Tunnel

Natürlich ist es schwierig vorauszusagen, was kommen wird. Aber das alleine nimmt unsere Regierung nicht aus der Pflicht, ihre Sichtweise, Vorahnung, Vision oder Zielsetzung auf den Tisch zu legen und uns zu sagen, wohin die Reise ihrer Meinung nach gehen soll. Alles andere ist Fahren ohne Licht im Tunnel oder Augen zu und durch. Beide sind keine guten Strategien.

(sm)

Titelbild: APA Picturedesk

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