Freitag, April 19, 2024

Auf sich allein gestellt: Einpersonenunternehmen in der Krise

Einpersonenunternehmen in der Krise

Jedes zweite Unternehmen in Österreich besteht nur aus einer einzigen Person. Von der Wirtschaftspolitik werden die Einpersonenunternehmen (EPU) oft übersehen, dabei halten sie das Land am Laufen. Die Corona-Krise trifft sie besonders hart, weil sie in Sachen Staatshilfen öft das Nachsehen und kaum soziale Absicherung haben. Sonja Lauterbach hat eine Initiative von 4.500 EPU gegründet. Über Ostern stellt sie auf ZackZack einige jener Menschen vor, an die kaum ein Politiker denkt, wenn er von “der Wirtschaft” spricht.

Wien, 10. April 2020 | „Flatten the curve“-Maßnahmen, die verhindern sollen, dass uns die kritische Infrastruktur des Gesundheitswesens um die Ohren fliegt, haben oberste Priorität. Stimmt! Gerade im Gesundheitsbereich ist vieles den Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zum Opfer gefallen, die sich heute als hoch riskante Flaschenhälse im Umgang mit der weltweiten Pandemie erweisen. In anderen Ländern zwar dramatischer als in Österreich, doch die Forderung, Akut-Betten noch weiter abzubauen war auch hier aus vielen Richtungen laut und deutlich zu hören.

All die Einschränkungen und Vorkehrungen, die Kurve abzuflachen führen unweigerlich dazu, dass sich die krisenbedingte Ausnahmesituation verlängert. Das ist für jeden Einzelnen eine besondere Herausforderung: Alleinerzieher mit schulpflichtigen Kindern müssen auch die Rolle der Lehrer übernehmen, ohne dafür entlohnt zu werden. Liebgewordene Sozialkontakte dürfen nicht mehr gepflegt werden, dafür ist man gezwungen, fast rund um die Uhr einen Alltag zu leben, der kaum Platz für persönlichen Rückzug bietet. Dazu kommt bei sehr vielen die Sorge um den Arbeitsplatz und die wirtschaftliche Existenz.

Wer sind diese “EPU”?

Eine Gruppe besonders Betroffener sind Ein-Personen-Unternehmer (EPU). Dazu zählen nicht nur Gewerbetreibende (WKO-Mitglieder) und „Neue Selbstständige“ (Nicht-WKOMitglieder), sondern auch „Freiberufler“ wie Künstler oder Journalisten und „Freie Dienstnehmer“, die auf eigene Rechnung hauptsächlich im weiten Feld der Dienstleistungen tätig sind. Es gehören auch selbstständige Werkvertragsnehmer dazu genauso wie gemeinnützige kleine Vereine, die vom Baby-Schwimmen über Naturpark-Abenteuer bis hin zu Kulturnischen das Leben bunt und vielfältig machen. Die vielen „Gründer“ ergänzen diese Gruppe ebenso wie „hybride“ Alleinunternehmer, die nebenbei noch ein Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit haben, das in vielen Fällen nun auch von Kurzarbeit oder Kündigung bedroht ist und keine Sicherheit bietet.

Die Welt der EPU ist groß, bunt und sehr speziell und umfasst etwa 500.000 Personen – das Branchenspektrum ist enorm breit. EPU sind von dieser Krise auf allen Ebenen betroffen: – Psychisch, weil sie gewohnt sind, Krisen selbst zu meistern und nun erkennen, dass die Corona-Krise für einen Alleingang viel zu groß ist. – Emotional, weil die geltenden und in Aussicht gestellten „Hilfsmaßnahmen“ bei all den individuellen Rahmenbedingungen der EPU keine Hilfe bieten. – Physisch, weil der Stress so groß ist, dass er zu körperlichen Symptomen führt. – Beruflich, weil sie unverschuldet vor den Scherben ihrer Arbeit stehen, von der sie gut gelebt haben. Das hat nicht nur dramatische persönliche Konsequenzen. Da EPU Anbieter und Nachfrager in einer Person sind, von denen vielen nur mehr der Weg in die Insolvenz bleibt, fehlen sowohl die Leistung als auch die Kaufkraft bei einem Aufbau der Wirtschaft „danach“.

Die versteckte Arbeitslosigkeit

Jede zweite Firma in Österreich ist ein EPU. Mehr als die Hälfte aller Solo-Unternehmer sind Frauen. Sie bilden somit die Basis der wirtschaftlichen Tätigkeit im Land, ohne die die Wirtschaft nur sehr schwer wieder in Gang kommen wird. Im Gegenteil: Man muss insolvente Alleinunternehmer zu den Arbeitslosenzahlen addieren – nur dass die meisten nicht vom Arbeitsamt aufgefangen werden, sondern im Sozialhilfe-Topf landen.

Mitte März habe ich eine Initiative (EPU Österreich – Gemeinsam durch die Corona-Krise) als private Facebook-Gruppe gegründet, die all diese kleinen“ Einzelkämpfer – die Davids der heimischen Wirtschaft – vernetzt und organisiert, um ihnen die Bedeutung zu verschaffen, die ihnen gebührt. Binnen zwei Wochen haben sich bereits 4.500 Mitglieder in dieser Gruppe zusammengefunden, um sich gegenseitig mit ihrem großen und vielfältigen Know-how zu unterstützen.

Ich möchte Ihnen, liebe ZackZack-Leser, in den nächsten Tagen einige davon vorstellen und Ihnen einen Einblick in die Vielfalt der Welt der EPU bieten.
Ich bin selbst Betroffene und leite und berate seit über 30 Jahren Unternehmen im In- und Ausland. Meine Spezialgebiete sind Strategie und strategische Kommunikation und ich habe das ‚angewandte Neuro-Leadership‘ entwickelt – eine strategische Management-Methode, die auf neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaft und Kognitionsforschung beruht und die den Menschen wieder an den richtigen Platz stellt: Ins Zentrum allen Wirtschaftsgeschehens.

Sonja Lauterbach

Titelbild: APA Picturedesk

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2 Kommentare

  1. […] Wie „meinbezirk.at“ in einem Überblick zur Studie berichtet, soll gar jeder vierte Selbständige vor dem Nichts stehen. Es droht die Massenpleite bei den Selbständigen. Das dürfte einen herben Schlag für die gesamte Volkswirtschaft bedeuten, denn jedes zweite Unternehmen in Österreich ist ein Ein-Personen-Unternehmen (EPU). […]

  2. […] Wie „meinbezirk.at“ in einem Überblick zur Studie berichtet, soll gar jeder vierte Selbständige vor dem Nichts stehen. Es droht die Massenpleite bei den Selbständigen. Das dürfte einen herben Schlag für die gesamte Volkswirtschaft bedeuten, denn jedes zweite Unternehmen in Österreich ist ein Ein-Personen-Unternehmen (EPU). […]

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