Pässe einfach abgenommen
Den nach Niederösterreich eingeflogenen 24-Stunden-Betreuerinnen wurden kurz nach ihrer Landung in Österreich ihre Pässe durch Mitarbeiter einer Vermittlungsagentur abgenommen. Das Sozialministerium setzte nun die Rückgabe durch.
Wien, 14. April 2020 | Vor gut zwei Wochen hatte die Landesregierung gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich zwei Flüge für 24-Stunden-Betreuerinnen aus Rumänien und Bulgarien organisiert, um einem drohenden Mangel in diesem Bereich entgegenzuwirken. Brisant: Gleich bei der Ankunft am Flughafen wurden den Betreuerinnen ihre Pässe durch Mitarbeiter u.a. der Vermittlungsagentur Cura Domo abgenommen, wie der Standard berichtete. Der Geschäftsführer von Cura Domo ist gleichzeitig jener Wirtschaftskammerfunktionär, der die Flüge organisiert hatte. Die Rückgabe der Pässe ist mittlerweile erfolgt, die Betreuerinnen treten heute Dienstag nach zweiwöchiger Quarantäne ihren Dienst an.
Dubiose Aktion
Erst am Freitag, bereits gegen Ende der Quarantäne, wurde der Vorfall durch einen Tweet der Arbeiterkammer-Expertin für Pflegepolitik, Silvia Rosoli, öffentlich gemacht. Aus dem Büro der Vermittlungsagentur Cura Domo wurde dem “Standard” auf Anfrage bestätigt: Man habe die Pässe auf Anordnung der Gesundheitsbehörde, namentlich der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, eingesammelt.
24h Betreuerinnen die eingeflogen wurden, wurden ihre Personalauweise in den Unterkünften abgenommen und seither nicht mehr zurück gegeben. Am Dienstag beginnen sie zu arbeiten. Wer sie hat wissen sie nicht.
— Silvia Rosoli (@RosoliSilvia) April 10, 2020
Silvia Rosoli machte den Vorfall am vergangenen Freitag via Twitter öffentlich.
Silvia Rosoli habe von der Sache erst zehn Tage nach Abnahme der Pässe erfahren: dabei war den Betreuerinnen gesagt worden, nach zwei Tagen würden sie ihre Pässe wiederbekommen. Im Gespräch mit ZackZack sagt sie:
“Mir ist es darum gegangen, die Fragen aufzuwerfen ob dieses Vorgehen eigentlich eine Rechtsgrundlage hat? Und: Wie gehen wir eigentlich mit diesen Frauen um, die sich um unsere ältere Generation kümmert?”
Durch Abnahme eines Passes wird die persönliche Freiheit der betroffenen Person eingeschränkt. Dieses Vorgehen wäre laut Strafgesetzbuch strafbar. Ob in irgendeiner Form Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen bestanden hat, wurde von Seiten der BH Bruck an der Leitha gegenüber ZackZack noch nicht beantwortet. Sollte die Stellungnahme erfolgen, wird sie hier aktualisiert veröffentlicht.
Update 14. April 15:15 Uhr: Peter Suchanek, Bezirkshauptmann von Bruck an der Leitha, dementiert gegenüber ZackZack:
„Dass die Bezirkshauptmannschaft Reisepässe abgenommen hätte, ist eine Falschmeldung. Nach unserer Recherche dürften die Reisepässe von mehreren Vertretern von Agenturen, die am Flughafen die Pflegekräfte in Empfang genommen haben, eingesammelt und der Rezeption des Hotels zur Ermöglichung des Checkins übergeben worden sein.“
Anfrage bei Agentur: Rückruf von Wirtschaftskammer
Auf ZackZack-Anfrage bei der Agentur Cura Domo wurde mit dem Büro ein Rückruf durch Herrn Pozdena, dem Geschäftsführer, vereinbart. Brisant: Der Rückruf kam von der Kommunikationsabteilung der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Über sie ließ Herr Pozdena ausrichten, dass weder die Wirtschaftskammer, noch die Agentur etwas mit der Sache zu tun haben, da es sich um eine Anweisung der Bezirkshauptmannschaft handle, und an diese müsse sich die Anfrage richten.
Betreuerinnen außergewöhnlich still
Flavia Matei ist Aktivistin von „DREPT pentru îngrijire“, einer Gruppe von rumänischen 24-Stunden Personenbetreuerinnen, die für mehr Gerechtigkeit in der Pflegebranche kämpft. Die Betreuerinnen sind untereinander gut vernetzt, Flavia Matei sagte gegenüber ZackZack:
„Sie dachten, dass das normal ist, dass die Vermittlungsfirma die Pässe abgesammelt hat. Die werden als Hauptorganisatoren wahrgenommen – die Frauen haben Vertrauen in sie.“
Als außergewöhnlich empfand Matei dabei, wie wenig sich die Betroffenen zu Wort meldeten:
„Diese ganze Aktion ist sehr seltsam gelaufen. Wir haben oft versucht, in Kontakt mit den Betreuerinnen zu treten. Sehr wenige wollten mit uns reden, was sehr außergewöhnlich ist: nur fünf von 230 Frauen wollten mit uns sprechen, normalerweise melden sich viel, viel mehr zu Wort. Die meisten sagten, sie wollen nichts Preis geben.“
In Rumänien haben die Personenbetreuerinnen keine Verträge unterschrieben – das ist alles erst hier in Österreich erfolgt. Sie hatten also weder ihren Pass, noch in irgendeiner Form vertragliche Sicherheit. Auf Basis dieser Voraussetzungen ist ihre Verschwiegenheit wenig verwunderlich.
Behörde veranlasste Pass-Rückgabe
Nach Veröffentlichung der Angelegenheit am Karfreitag ging alles ganz schnell: Bereits am Samstag, 11. April erfolgte ein Schreiben der BH Bruck an der Leitha an die Unterkunft, in der die Betreuerinnen zur Quarantäne untergebracht waren. “Die Reisepässe können ab sofort in der Rezeption abgeholt werden”
Sozialministerium wusste von nichts
Das Sozialministerium soll nach Bekanntwerden die zuständige Bezirkshauptmannschaft angewiesen haben, den betroffenen Betreuerinnen die Reisepässe umgehend auszuhändigen, so der “Standard”. Davor sei dem Ministerium die Verwahrung der Pässe auf Initiative der Bezirksbehörde nicht bekannt gewesen.
(lb)
Titelbild: APA Picturedesk