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Anzeige gegen Pilnacek – Verdacht: Amtsmissbrauch

Verdacht: Amtsmissbrauch

Gegen den mächtigen Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, gibt es die nächste Anzeige. Der Vorwurf lautet: Amtsmissbrauch.

Wien, 22. April 2020 | Gemäß einer anonymen Anzeige an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) soll Christian Pilnacek Anklageerhebungen gegen ÖVP-nahe Spitzenbeamte aus dem Innenministerium verschleppt haben. Es geht um Ermittlungen gegen amtierende und ehemalige Sektionschefs sowie weitere Spitzenbeamte des Innenministeriums (BMI). Ihnen wird vorgeworfen, Gelder aus dem sogenannten Stadterweiterungsfonds missbräuchlich verwendet zu haben.

Die anonyme Anzeige stammt mit großer Sicherheit von einem Justizinsider. Sie liegt den Redaktionen von ZIB 2, Ö1 und ZackZack vor.

 

Die Anzeige gegen Pilnacek, die den Redaktionen von ZIB 2, Ö1 und ZackZack vorliegt, stammt höchstwahrscheinlich aus Insiderkreisen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hat die Anzeige “an die zuständige Staatsanwaltschaft”, also die Staatsanwaltschaft Linz, weitergeleitet. Christian Pilnacek wollte dem ORF zu den Vorwürfen keine Auskunft geben.

Die Anzeige kommt für Pilnacek zu einem schlechten Zeitpunkt. Justizministerin Alma Zadic muss im Mai darüber entscheiden, ob Pilnacek als Sektionschef verlängert wird.

Für einen Apfel und ein Ei

Der 2017 aufgelöste Stadterweiterungsfonds war im 19. Jahrhundert gegründet worden, um die beim Abriss der Wiener Stadtmauer entstandenen freien Flächen – heute wertvoller Baugrund in der Wiener Innenstadt – zu verwalten. Noch 2008 verkaufte der Fonds das Areal am Wiener Heumarkt an Immo-Investor Michael Tojner, der dort einen umstrittenen Turm errichten will. Tojner erhielt für 4,2 Mio. Euro den Zuschlag, obwohl weitere Angebote in der Höhe bis zu 9 Mio. vorlagen. Ein über 1000 Quadratmeter großes Grundstück an der Mölker Bastei wurde für nur 15.000 Euro verkauft, dafür wurden aber 41.000 Euro Beratungshonorare verrechnet.

Wegen dieser und weiterer fragwürdiger Verkäufe wurde der Fonds vom Rechnungshof 2013 scharf kritisiert. Seit Juli 2013 ermittelt die WKStA gegen den Geschäftsführer des Fonds, Alexander Janda, und Mitglieder des Fondskuratoriums – darunter die BMI-Sektionschefs – wegen Untreue. Außerdem sollen die Beamten zwischen 2012 und 2017 mehr als drei Mio. Euro aus dem Fonds in Vereine aus ihrem persönlichen Umfeld sowie kirchennahe Organisationen und Privatpersonen umgeleitet haben.

Akten angeblich “verschwunden”

Zwei Jahre später war die WKStA mit ihren Ermittlungen fertig und wollte Anklage wegen Untreue und Amtsmissbrauch erheben. Die damalige Leiterin der Oberstaatsalwaltschaft (OStA) Wien war befangen, weil sie mit einem Spitzenbeamten des BMI verheiratet ist. Die zuständige Sachbearbeiterin in der OStA  – sie wechselte kurz darauf als Richterin ans Oberlandesgericht – wollte die Anklage genehmigen. Doch der stellvertretende Leiter der OStA, der für seine befangene Chefin einsprang, wollte stattdessen die Einstellung des Verfahrens erreichen. Den Erledigungsentwurf der zuständigen Staatsanwältin ließ er laut Anzeige aus dem Akt “verschwinden”.

Doch der zuständige Sachbearbeiter im Justizministerium schloss sich WKStA und der Sachbearbeiterin der OStA an und stellte den Justizbeamten, die das Verfahren “erschlagen” wollten, sozusagen einen Baum auf. Daraufhin schaltete sich laut Anzeige Sektionschef Pilnacek ein. Da ihm eine völlige Einstellung des Verfahrens gegen den breiten Widerstand aller zuständigen Staatsanwälte und Beamten nicht möglich schien, soll er laut Anzeige auf Verzögerungstaktik gesetzt haben.

Die Weisung: “Ehrenrunde”

Pilnacek erteilte eine Weisung, durch welche das Verfahren in die Länge gezogen wurde: Alle Beschuldigten sollten noch einmal gründlich befragt werden – obwohl sich an der Verdachtslage nichts geändert hatte. In Justizkreisen nennt man das “eine politische Ehrenrunde drehen”. Genau diese Formulierung soll Pilnacek laut Anzeige im kleinen Kreis auch verwendet haben: Es sei “halt eine Ehrenrunde” einzulegen. Im schlimmsten Fall hätten die Beschuldigten durch die künstlich verlängerte Verfahrensdauer einen Milderungsgrund vorzuweisen. Im besten Fall würde sich im Lauf der nächsten Jahre eine Gelegenheit ergeben, die Sache verschwinden zu lassen. Über eine geheime Tonaufnahme zu Weisungen Christian Pilnaceks hat ZackZack schon in der Vergangenheit berichtet.

Fast zwei Jahre hing der Fall alleine in der Weisungskette zwischen Justizministerium, OStA und WKStA fest. Erst 2019 wurde schließlich das Vorhaben der WKStA genehmigt – ohne, dass sich durch die “Ehrenrunde” irgendwelche neuen Erkenntnisse ergeben hätten. In Summe wurde das Verfahren also um vier Jahre verzögert. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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