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Kräftemessen um Europa – Causa Westbalkan

Causa Westbalkan

Schnell war klar, dass das Coronavirus auch geopolitische Folgewirkungen mit sich bringt. Wer die geopolitschen Gewinner und Verlierer sein werden, ist noch offen. Das zeigt auch ein Blick auf den Westbalkan.

Wien, 25. April 2020 | Die Folgen der Coronakrise für die Beziehungen der EU mit dem Westbalkan könnten verehrend sein. Wenn die EU nicht rechtzeitig handelt, könnte ihr der Einfluss in der Region komplett entgleiten.

Wandel am Westbalkan

Schon während des Kalten Krieges diente die damalige Staatengemeinschaft am Balkan als Pufferzone zwischen Ost und West. Auch heute ist die Region Drehscheibe im Kampf um geopolitischen Einfluss in Europa.

Schien es um das Millennium herum sicherer, dass der Westbalkan mit den Nachfolgenstaaten Jugoslawiens inkl. Albanien schon bald gänzlich der EU angehören wird, könnten sich die Karten durch die Coronakrise neu mischen. Vor allem durch die mittlerweile ohnehin starke Präsenz Chinas, Russlands, der Türkei und einigen Golfstaaten könnte es in einigen Ländern des Westbalkans zu verstärkten Zweifeln hinsichtlich einer EU-Erweiterung kommen,  wie sich einige Experten sorgen.

Ausnutzung der schwierigen Lage

Am Westbalkan herrschte schon vor der Pandemie, neben anderen ernsten Herausforderungen, eine beunruhigende wirtschaftliche Lage, auf die Corona wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Für die Demokratieentwicklung könnte das verheerend sein – aber auch für eine Annäherung an die EU, die in der Krise wieder öfter zum Sündenbock gemacht wird.

Akteure wie China versuchen schon lange, ihre geopolitische Stellung auf dem westlichen Balkan auszubauen, der als Tor zu Europa gilt. Die chinesische Inszenierung rund um die Verteilung von Schutzmasken und dergleichen wurde auch am Balkan registriert.

Der “Bruder” aus China

Der bis vor kurzem auf den zwei Stühlen, West und Ost, sitzende  Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, ließ es die EU bereits Mitte März wissen: Der “Bruder” in China könnte „als Einziger Serbien helfen“. Zuvor hatte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula Von der Leyen, die Ausfuhr medizinischer Ausrüstung außerhalb der Union eingeschränkt. Auch sein Koalitionspartner Aleksander Vulin (Sozialistische Bewegung) verdeutlichte:

“Serbien muss nach Freunden aus der ganzen Welt suchen, mit denen es ein gleichberechtigter Partner sein kann, der uns nicht anlügt und uns mit einer Doppelmoralpolitik täuscht.”

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Geng Shuang, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums betont:

„China und Serbien sind umfassende strategische Partner mit dauerhafter Freundschaft“.

Serbien ist, trotz der vor allem schlechten wirtschaftlichen Situation, auf dem vierten Platz der Investitionen Chinas in Europa. Das liegt vor allem am Tun Chinas, das die wichtigen Handelswege zur Europäischen Union ausbauen möchte. China investiert in die Infrastruktur auf dem gesamten Westbalkan und versucht, schnelle Straßen- und Schienenverbindungen von Westeuropa zum Hafen von Piräus aufzubauen, an welchem es eine Mehrheitsbeteiligung hält.

Serbien war auch das erstes Land Europas, welches Kampfdrohnen aus China gekauft hat.

Kleine Rebellen

Auch der “kleine Bruder” in der Entität Republika Srpska, Milorad Dodik, führt nicht nur seine separatistische Rhetorik in Bosnien und Herzegowina auch in Zeiten einer Pandemier weiter, sondern versucht bewusst eine anti-europäische Stimmung zu befördern. Durch seinen Medienapparat dreht sich die Berichterstattung vor allem auch rund um russische Hilfe:

“Ich habe Minister Lawrow für sein Interesse an der Lage in Srpska und Bosnien und Herzegowina sowie für die Hilfe, die Russland immer geleistet hat, gedankt und ihn gebeten, dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, seine Grüße zu übermitteln, der in diesen Augenblicken die Republika Srpska nicht vergisst und an uns denkt.”

sagt Dodik.

Russland hat sowohl politische als auch wirtschaftliche Interessen in der Region und hofft, die Länder von den EU-Strukturen fernzuhalten. Es fördert die bilateralen Beziehungen zu einzelnen Staaten, um seine politische Präsenz in der Region zu festigen. Besonders interessant ist der Aufbau von Beziehungen zur Republika Srpska, unter Missachtung der Zentralregierung des Landes.

Kritik kommt aus der EU

“Dies ist keine Zeit für Kontroversen oder unbegründete Anschuldigungen. Die Europäische Union ist ein wichtiger Geber, Investor und Handelspartner der westlichen Balkanregion.”,

sagte die Sprecherin der Europäischen Kommission, Ana Pisonero.

Obwohl Serbien zu den größen Empfängern von EU-Hilfe zählt, ist dies im Vergleich zu den weitaus kleineren russischen und chinesischen Spenden unsichtbar.

Josep Borrell, Außenbeauftragter der Europäischen Union, sprach diese Woche seine Besorgnis über die Ereignisse auf dem westlichen Balkan aus. Er bedauerte, dass Plakate der Dankbarkeit für China und Russland ohne EU-Hilfe auf den Straßen von Belgrad angebracht wurden.

“Wenn Sie nach Belgrad gehen könnten, könnten Sie leicht Plakate mit einem Bild des chinesischen Präsidenten Xi (Jinping) erkennen, auf dem steht: ‘Danke, Bruder Xi, Sie sind der einzige, der uns hilft.'”

Zuvor waren jedoch nie Plakate zu sehen, auf welchen der EU gedankt wurde.

Kann die EU die Situation noch kippen?

Sobald eine große oder regionaler Macht ihre Position am Balkan neu ausrichtet, beginnen dies auch die anderen Mächte zu kopieren. So ist die Machtlogik in Europas “Pufferzone”. Diese Situation reflektiert auch die globale Instabilität und Rivalität zwischen den Großmächten.

Die Integration der Westbalkanländer galt lage als wichtiges strategisches Ziel der EU. Ob die EU bereits ihre Chance verpasst hat, wird sich sehr bald zeigen.

(rc)

Titelbild: Pexels

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