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Wien anpatzen: Gefährliches Spiel für die ÖVP – Kommentar

Kommentar

Die ÖVP versucht gerade, irgendetwas zu finden, womit sie Wien schlecht da stehen lassen kann. Doch ausgerechnet die Coronakrise ist dafür nicht geeignet. Durch die kommt Wien nämlich derzeit gut durch.

Wien, 04. Mai 2020 | Die Fakten sehen so aus: Wien hat – gemessen an der Einwohnerzahl – weniger Coronainfektionen als jedes ÖVP-geführte Bundesland. Noch besser stehen nur die beiden anderen roten Länder, Burgendland und Kärnten, da. Dennoch erklärte Innenminister Karl Nehammer die Bundeshauptstadt zum “Sorgenkind”, die regierungsnahen Medien sprangen bereitwillig auf. Die Wiener seien undiszipliniert und also daran Schuld, falls es eine Zweite Welle gäbe.

Ein Waldviertler, der lieber nicht in Wien wohnen würde

Schlecht über Wien zu reden hat in der ÖVP Tradition. Legendär wurde etwa Sebastian Kurz’ Langschläfer-Schelte für die Bewohner der Bundeshauptstadt. Mitten im Wahlkampf schien sich der ÖVP-Chef dann so sehr für seine Wiener Herkunft zu schämen, dass er plötzlich behauptete, eigentlich aus dem Waldviertel zu kommen. Im vorigen Wahlkampf hatte Kurz noch wissen lassen: “Manchmal täte ich sogar lieber außerhalb von Wien wohnen.” “Baba und foi ned,” werden sich manche da gedacht haben.

Neu ist, dass die ÖVP versucht, im Wien-Wahlkampf zu punkten, indem sie über die Wiener herzieht. Schon klar: Die Stadt-SPÖ wird versuchen, einen möglichst ruhigen Wahlkampf zu führen, der zeigt, dass in Wien für Großstadt-Verhältnisse das meiste erstaunlich gut funktioniert. In einer Zwei-Millionen-Stadt, der Jahr für Jahr bescheinigt wird, die lebenswerteste Stadt der Welt zu sein, ist das die logische Strategie. Warum, wird die Bürgermeisterparei fragen, sollten die Wiener daran etwas ändern wollen?

Also versucht die ÖVP auf jener Welle zu surfen, die ihre Umfrageergebnisse im Bund in unerreichte Höhen gebracht hat: Die Corona-Pandemie. Weil viele Österreicher in den ÖVP-Regierungsmitgliedern – allen voran Kurz und Nehammer – kompetente Krisenmanger sehen, wird letzterer vorgeschickt, um zu behaupten, dass Wien die Kontrolle über die Epidemie verloren habe. Stimmt zwar nicht, ist aber erst einmal egal. Irgendwas wird schon hängen bleiben.

Schuss nach hinten

Aber da könnte die ÖVP die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Wien anschütten, das kommt unter den Wienern nicht gut an. Zuletzt hat die Debatte um die Schließung der Bundesgärten bewiesen, dass die Bewohner der Stadt es nicht goutieren, wenn die Bundesregierung ihnen auf die Zehen steigt, nur um der Wiener SPÖ eins auszuwischen. Die ÖVP hatte den Lokalpatriotismus unterschätzt, den es in Wien ebenso gibt wie in Tirol oder sonstwo in Österreich. Es könnte ihr wieder so ergehen. Zwar wird die Stadt-ÖVP absehbar deutliche Zugewinne erzielen, doch die SPÖ ist für sie außer Reichweite.

Gefährlich könnte für Bürgermeister Michael Ludwig allenfalls eine Koalition aus ÖVP, Grünen und NEOS werden. Die hat zwar derzeit keine Mehrheit und ist laut Umfragen bei den Wienern äußerst unbeliebt, aber ein denkbares Szenario. Dass die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein eine solche Koalition ausschließt, hat nicht viel zu bedeuten. Schließlich hatte auch Vizekanzler Werner Kogler im Wahlkampf versichert, mit der “türkisen Schnöseltruppe” keine Regierung bilden zu wollen.

Die Strategie, mit dem Finger auf Wien zu zeigen, um damit den Wienern zu gefallen, ist hochriskant. Das gilt nicht allein für die Wien-Wahl. Mancherorts mag Wien-Bashing unter ÖVP-Wählern gut ankommen, aber auch Grazer, Linzer oder Rheintaler fühlen sich schnell mitgemeint, wenn über die Städter hergezogen wird. Dieser Schuss könnte nach hinten losgehen. “Spü di und vakü di!”, ÖVP!

Thomas Walach

Titelbild: APA Picturedesk

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