Samstag, April 20, 2024

Dein Nachbar – das Schwarze Loch

„2000 lightyears from home“, tönten die Rolling Stones am Höhepunkt der Psychodelic Wave 1967. Bei der halben Entfernung, nämlich 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt, hat kürzlich ein Wissenschaftlerteam der Europäischen Südsternwarte ESO ein Schwarzes Loch entdeckt. Damit wäre es das der Erde nächstgelegene, uns bekannte Schwarze Loch.

Wien, 10. Mai 2020 | Schwarze Löcher kann man definitionsgemäß nicht sehen. Ihre Anziehungskraft ist so stark, dass ihnen nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann. Somit sind sie schwer zu finden. Lange Zeit war nicht klar, ob sie überhaupt existierten, denn sie waren nicht mehr als bestimmte Lösungen der Feldgleichung der Allgemeinen Relativitätstheorie. Erst 1971 wurde der erste „brauchbare“ Kandidat für eine Schwarzes Loch entdeckt.

Kleine, große und unbewiesene

Mittlerweile wissen wir, dass es verschiedene Arten von Schwarzen Löchern gibt. Klein, sogenannte stellare Schwarze Löcher; massive Schwarze Löcher, mit Massen von wenigen hundert bis einigen tausend Sonnenmassen; und supermassive Schwarze Löcher, die die Zentren der meisten Galaxien und auch unserer Milchstraße bilden. Daneben gibt es noch sehr kleine und ganz winzige Schwarze Löcher, beide aber bisher nur in der Theorie.

Nur indirekt nachweisbar

Schwarze Löcher können nur indirekt nachgewiesen werden. Immer, wenn Materie in ein Schwarzes Loch stürzt, wird elektromagnetische Strahlung freigesetzt, die beobachtet werden kann. Ziehen hinter Schwarzen Löchern Sterne vorbei, entstehen sogenannte Gravitationslinseneffekte, weil das Licht vom Schwarzen Loch in besonderer Weise abgelenkt wird. Diese Ablenkung kann dann beobachtet werden. Aber auch durch Sterne, die scheinbar um ein nicht sichtbares Objekt kreisen, ist der Nachweis von Schwarzen Löchern möglich. Neudings gelingt der Nachweis von Kollisionen von Schwarzen Löchern auch mittels Gravitationswellendetektoren.

Am Südsternhimmel gibt es einen, in klaren dunklen Nächten mit freiem Auge beobachtbaren, Stern mit der Bezeichnung HR 6819. Astronomen vermuten schon lange, dass sich hier zwei Sonnen befinden, die umeinander kreisen. Die Konstellation wird Doppelstern genannt und ist absolut nicht ungewöhnlich. Rund ein Viertel aller Sterne dürften sich in Doppelsternsystemen befinden.

Schwarzes Loch im Dreifachsystem

Nun will einem Team um Thomas Rivinius von der Europäischen Südsternwarte ESO der Beweis gelungen sein: Die beiden Sterne in HR 6819 ziehen ihre Bahnen um einen dritten dunklen Stern: ein Schwarzes Loch, das mindestens fünfmal so schwer wie unsere Sonne zu sein scheint. Ihre Entdeckung veröffentlichten Sie vor kurzem im Fachmagazin „Astronomy & Astrophysics“. HR 6819 liegt rund 1.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Das ist quasi in unserer weiteren kosmischen Nachbarschaft. Damit wäre das Schwarze Loch in diesem Dreifachsystem das bisher nächstgelegene zur Erde.  Zum Vergleich: das gigantische Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxis namens Sagittarius A* ist 26.000 Lichtjahre von uns entfernt.

Laut den ESO Wissenschaftlern zeiht einer der Sterne recht enge Kreise um das entdeckte Schwarze Loch. Er braucht 40 Tage für einen Umlauf um den gemeinsamen Schwerpunkt. Der andere Partner bewegt sich deutlich weiter draußen: Er ist mindestens halb so weit vom Schwarzen Loch entfernt wie die Erde von der Sonne, also rund 75 Millionen Kilometer.

Entdeckung bleibt strittig

Doch nicht alle Astronomen sind lassen sich von der Existenz des Schwarzen Lochs in HR 6819 überzeugen. Wissenschaftler der KU Leuven in Belgien kritisieren beispielsweise die Analysetechnik, mit der die ESO-Wissenschaftler die Masse des inneren Sternbegleiters abgeschätzt haben. Das Verfahren sei fehleranfällig und verleite leicht zu falschen Schlussfolgerungen, wie das folgende Beispiel zeigt.

Ende November war ein stellares Schwarzes Loch LB-1 mit einer spektakulären Masse, die es eigentlich nicht geben dürfte, von chinesischen Forschern entdeckt worden. Doch schnell zweifelten verschiedenste Astronomen das Ergebnis an, denn es deckt sich nicht mit anderen Beobachtungen. Bisher konnte das chinesische Team die Argumente, die gegen die große Masse von LB-1 sprechen, nicht entkräften. Ob das bei HR 6819 auch so sein wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Vorläufig bleibt HR 6819 das nächstgelegene Schwarze Loch – in guter Nachbarschaft sozusagen.

(tn)

Titelbild: ESO/L. Calçada CC 4.0

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