Dienstag, April 23, 2024

Gesundheit von Ärzten gefährdet? Ärztekammer verkaufte nicht zugelassene Masken

Ärztekammer verkaufte nicht zugelassene Masken

Eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien verkaufte wochenlang nicht zugelassene Atemschutzmasken an Österreichs Ärzte, berichtete „Dossier“ vergangene Woche. Kurz darauf verschwanden die Masken aus dem Online-Shop. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres deckt die umstrittene Tochterfirma und behauptet, die Masken seien „durch öffentliche Prüf-Stellen“ getestet. Stimmt nicht, wie Dossier in einem Folgebeitrag veröffentlicht.

Wien, 09. Mai 2020 | Um unschlagbare 29,90 Euro für zehn Stück konnten Österreichs Ärzte bis vor Kurzem noch FFP2-Masken des chinesischen Herstellers Bi Wei Kang erstehen: über den Online-Shop der „Equip4Ordi“ GmbH, einer Tochterfirma der Ärztekammer Wien. Einem Arzt fiel auf, dass das im Webshop angegebene Zertifikat der Masken ungültig war. Als er die Unternehmensführung darauf hingewiesen hatte, legte diese offenbar weitere falsche Zertifikate vor und verkaufte munter weiter, wie „Dossier“ vergangene Woche berichtete.

Trotz zahlreicher Nachfragen und Konfrontation mit der Problematik war man sich bei „Equip4Ordi“ keiner Schuld bewusst. Nach Veröffentlichung der „Dossier“-Recherche verschwanden die Masken aus dem Online-Shop allerdings. „Stimmt nicht“, kommentierte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres die Geschichte: „alle Masken“ seien durch „öffentliche Prüfstellen“ getestet worden. Das stimmt nicht, wie Dossier in einem Folgebeitrag aufdeckt.

Ungültiges Zertifikat

Der Arzt, der Equip4Ordi auf das falsche Zertifikat hingewiesen hat, erhielt vom Geschäftsführer des Unternehmens weitere Zertifikate – die ebenso ungültig waren, wie sich nach „Dossier“-Recherche herausstellte: Das Österreichische Institut für Technik, Ökologie und Innovation (ÖTI) ist das einzige Institut in Österreich, das in der aktuellen Krise Schutzausrüstung für den medizinischen Bereich in einer Art Schnellverfahren zulassen kann. Von dort erhielt „Dossier“ die Auskunft, dass „die rechtlich passenden Dokumente fehlen, um die Masken in der EU auf den Markt bringen zu können“.

Irreführender „Quickcheck“

Der Equip4Ordi-Geschäftsführer Alexander Papanikolaou verwies gegenüber dem Arzt auf einen kommenden Termin zur Überprüfung der neuen Chargen von Schutzmasken durch das private Institut „OFI Technologie & Innovation GmbH“. Die Prüfung beim OFI ersetzt aber keine Zertifizierung, das steht auch im Angebot des Instituts. Das Institut selbst ließ gegenüber „Dossier“ auf Anfrage wissen, „nur einen Quickcheck zu machen, damit Innovatoren und Importeure wissen, wo sie liegen; ob das, was da kommt, überhaupt die Möglichkeit hat, zugelassen zu werden“. Auf die konkreten Vorwürfe wurde von Equip4Ordi jegliche Verantwortung abgestritten, berichtet „Dossier“: „man solle sich an den Hersteller, den Inverkehrbringer oder die Zulassungsstelle wenden. Equip4Ordi habe das Produkt lediglich gekauft.“ Die Anfrage, wie viele Masken bereits von österreichischen Ärzten in Gebrauch seien, blieb unbeantwortet.

Deckung von ganz oben

„Dossier“ deckte den Verkauf der nicht zugelassenen Schutzmasken auf und bekam daraufhin starken Gegenwind von ganz oben: Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres kommentierte zunächst auf Facebook den veröffentlichten Skandal.

Am 1. Mai kommentierte Thomas Szekeres den Dossier-Beitrag auf Facebook.

Verwirrend daran: Nicht einmal bei der Firma Equip4Ordi hatte man – weder gegenüber dem Arzt, noch gegenüber „Dossier“ – behauptet, bei einer „öffentlichen Prüfstelle“ getestet zu haben. Geschäftsführer Alexander Papanikolaou hatte nur auf den irreführenden Quickcheck beim OFI-Institut verwiesen.

„Sie bekommen das, wenn es uns recht ist“

Am Telefon habe Szekeres gegenüber „Dossier“ gesagt, die Zulassung „ist passiert oder ist im Laufen, das ist meine Information“ – und weiter: „Ich habe den Prüfbericht von OFI eingesehen, und die Masken sind für mich in Ordnung.“ Noch einmal: Das OFI ist keine Zulassungsstelle. In den Augen des Ärztekammerpräsidenten ist es ausreichend, es widerspricht jedoch geltendem Recht. Den Prüfbericht des OFI erhielt Dossier auf Anfrage allerdings auch noch nicht: Er ließe sich kein Ultimatum setzen, so Szekeres gegenüber „Dossier“: „Sie bekommen das, wenn es uns recht ist.“

900.000 Euro „Starthilfe“ für Tochterfirma der Ärztekammer Wien

Erst vor ungefähr einem Jahr kaufte die Ärztekammer das Unternehmen für Großhandel mit Medizinprodukten und benannte es in „Equip4Ordi“ um. Als „Starthilfe“ gewährte der Kammervorstand dem Unternehmen Ende letzten Jahres ein Darlehen von 900.000 Euro, „um ein entsprechendes Warenlager aufzubauen“, informierten Präsident Szekeres und sein Vize Steinhart am 1. April 2020 in einem Rundschreiben alle niedergelassenen Ärzte.

Den Online-Shop gibt es erst seit September 2019, seither hagelte es Kritik von Seiten der Ärzte wegen überhöhter Preise für Masken der Firma 3M. Diese verschwanden aus dem Sortiment – und wurden durch jene, zehnmal billigeren FFP2-Masken ersetzt, für die noch keine gültigen Zertifikate veröffentlicht werden konnten.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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