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Braucht es noch ein Buch über Sebastian Kurz? Krone-Knittelfelder präsentiert „Inside Türkis“

Krone-Knittelfelder präsentiert „Inside Türkis“

Krone-Redakteur Klaus Knittelfelder widmet in „Inside Türkis“ dem intimen Macht-Netzwerk von Sebastian Kurz 224 Seiten. Wer verstehen will, wie die Parteijugend die ÖVP übernehmen und aus ihr „Die Neue Volkspartei“ machen konnte, dem kann dieses Buch helfen, ein Gesamtbild zu entwickeln. Aber es ist Vorsicht geboten: Das Buch werkt auch fleißig daran, dass sich Kurz noch tiefer in den Schleier der Unantastbarkeit einrollen kann.

Wien, 10. Mai 2020 | Ob es wirklich schon wieder ein Buch über Sebastian Kurz braucht, fragt sich der Autor Klaus Knittelfelder in der Einleitung seines neuen Buches. Er hat es jedenfalls getan und präsentiert „Inside Türkis“. Es wird nicht das letzte Buch über Sebastian Kurz gewesen sein.

Alle türkisen Straßen führen zu Erwin Pröll

Aber „Inside Türkis“ unterscheidet sich wesentlich von den Kurz-Büchern, die sonst so zu finden sind – und ist irgendwie doch wie alle anderen. Der Kanzler selbst steht bei Knittelfelder nicht im Mittelpunkt, im Buch „Inside Türkis“ bekommen seine Berater und Intim-Freunde die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht. So zeichnet Knittelfelder ein Bild des Zirkels rund um den Kanzler, bestehend aus Stefan Steiner, Bernhard Bonelli, Gerald Fleischmann, Phillipp Maderthaner, Gernot Blümel, Axel Melchior und anderen.

Zwar zeichnet Knittelfelder ein klares Bild einer Gruppe der Partei-Jugend, die durch Michael Spindelegger die einmalige Chance hatte, ihren Sebastian als Staatssekretär zu sehen. Aber dass Steiner, wie Fleischmann oder Maderthaner unter den Fittichen des großen ÖVP-Fürsten Erwin Pröll stehend, und die restliche JVP-Partie des Sebastian Kurz, beinahe alle aus dem engen Umfeld der ÖVP Niederösterreich kommen, fließt nur im Subtext mit.

Ja, dass Philipp Maderthaner in seiner Schule von Wolfgang Sobotka Musikunterricht bekam, das sind Details, die das Buch lesenswert machen und die Konzentration der türkisen Macht zugleich veranschaulichen. Auch dass Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die Schwägerin von Kurz-Berater Stefan Steiner ist, dessen Bruder als Direktor der Nationalbank fungiert, ist ein durchaus interessantes Faktum angesichts neuester Postenschacher-Vorwürfe rund um Türkis-Blau.

Mitschreiben am Mythos Kurz

Aber „Inside Türkis“ hat noch eine zweite Ebene. So beschreibt Knittelfelder nicht nur das Kurz-Netzwerk und die ideologischen Grundsätze der erzkonservativen Truppe, denn oftmals ergeht sich der Autor auch in ehrfürchtigen Ausführungen über das „neue politische System in Österreich.“ Heroisierung und Mythologisierung der Kurz-Truppe schlägt – neben den stellenweise ausgewogenen und großteils sprachlich versierten Passagen – immer wieder durch. Beispielsweise wenn Kurz „feines Gespür für die richtigen Leute“ unterstellt wird, oder immer wieder dessen „Management-Qualitäten bei Personalfragen“ hervorgehoben wird. Kurz und seine Partie haben aus einer Partei ein Unternehmen gemacht, und führen nun auch den Staat wie einen Konzern – kritischere Distanz zu dieser Marketing-Politik hätte noch tiefere Einblicke gewährt.

Oder wenn der türkise Leistungsethos betont wird, der so weit geht, dass man sich im Kanzleramt hollywood-mäßig für den Fall isolieren wollte, sollte ein Mitstreiter des Zirkels positiv auf Corona getestet werden. Ohnehin schreibt Knittelfelder das Buch im Kontext der Corona-Krise und zeigt sich beeindruckt vom Krisenmanagement sowie den Umfragewerten des Kanzlers. Weil er gewissermaßen aus der Kurz-Partie selbst heraus verstehen will, warum sie so erfolgreich ist, kippt der Text nicht selten in ehrfürchtige Andacht um.

Damals, als das Buch entstand, war noch nicht bekannt, dass Kurz und die Türkisen auf eine Angst-Strategie setzen würden. Dass die „100.000 Toten“ aus einem Geisterpapier stammen, das nun niemand mehr in Auftrag gegeben haben will.

Der Krone-Journalist, dessen Arbeitgeber nun wahrlich nicht für strenge Kontrolle der Türkisen steht, streicht dennoch immer wieder hervor: In dieser Partie herrschen nicht nur Demokratiedefizite, sondern auch Weltanschauungen, die Österreichs Gesellschaft hinter das Jahr 1968 führen wollen. Diese Erkenntnis präzise herausgearbeitet zu haben, ist das wahre Verdienst des ansonsten des Öfteren in Ehrfurcht abgleitenden Buches.

Klaus Knittelfelder: Inside Türkis. Die neuen Netzwerke der Macht. Wien: Edition A. Preis: 22 €

(ot)

Update: In der ersten Version der Rezension wurde auch eine Facebook-ÖVP-Fanseite diskutiert. Dieser Teil wurde entfernt.

 

Titelbild: APA Picturedesk

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