Samstag, April 20, 2024

Ein-Personen-Unternehmen vor dem Aus: Chaos um Härtefallfonds

Chaos um Härtefallfonds

Österreichs Ein-Personen-Unternehmen (EPU) üben harte Kritik an der Regierung: Sie fühlen sich zunehmend im Stich gelassen, die Auszahlung des Härtefallfonds klappt immer noch nicht. Derweil widmet sich die Regierung der Abschaffung der Sektsteuer, die Opposition hingegen fordert die Verlängerung der Corona-Kurzarbeit sowie die Erhöhung des Arbeitslosengeldes.

Wien, 11. Mai 2020 | Während Österreichs Wirtschaft vor dem Kollaps steht, betreibt die ÖVP weiterhin eine Kampagne, mit der sie behauptet, Österreichs Wirtschaft käme besser durch die Krise als andere. Dabei befinden sich die Arbeitslosenzahlen im Steigen: mehr als 570.000 Menschen sind arbeitslos, 1,2 Millionen in Kurzarbeit. Österreichs Unternehmern, vor allem den Ein-Personen-Unternehmen (EPU), droht eine Massenpleite.

Vom Härtefallfonds, der von der Regierung als große Hilfsleistung auf den Weg gebracht wurde, haben viele Unternehmer bis heute noch keinen Cent gesehen. Kritik und die Forderung der Opposition nach einer Verlängerung der Kurzarbeits-Regelung oder der Erhöhung des Arbeitslosengeldes wird indes zunehmend lauter.

Selbstständige kämpfen ums Überleben

Laut einer aktuellen Studie des Tarifvergleichsportals „durchblicker.at“ hat in Österreich jeder Sechste Probleme, seine Fixkosten zu bestreiten. Vor allem Selbständige sind besonders stark von der Krise betroffen: sie kämpfen ums Überleben. Die österreichische Regierung ist laut Experten gefordert, mittels Hilfspakete die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf Österreichs Bevölkerung abzufedern. Die gesetzten Angebote sind allerdings laut Betroffenen wenig erfolgreich und schaffen mehr Verwirrung und Unmut als Abhilfe.

Härtefallfonds-Chaos

Nachdem in Phase Eins des Härtefallfonds viele Selbstständige aufgrund der Auflagen ausgeschlossen waren, wurden mit Einführung der Phase Zwei die Anspruchsgruppen erweitert. Doch – Fehlanzeige: Auch die neue Phase Zwei berücksichtigte zahlreiche Selbstständige (jene mit Verlusten im Vorjahresabschluss oder einer positiven Differenz zum Vorjahr) nicht.

Erst nach intensiver Intervention durch zahlreiche Betroffene, darunter Sonja Lauterbach, die Gründerin der Gruppe „EPU Österreich – Gemeinsam durch die Corona-Krise“, wurden mit einer erneuten Abänderung der Auflagen letztendlich alle Selbstständigen anspruchsberechtigt.

Bei der gestrigen ORF-Sendung „Im Zentrum“ behauptete Sigi Maurer von den Grünen, der „erste Tausender“ vom Härtefallfonds sei bereits ausbezahlt worden. Die Realität sieht anders aus.

Doch obwohl nun mit Phase Zwei eigentlich alle anspruchsberechtigt wären, warten viele immer noch auf ihr Geld – oder erhalten eine verschwindend geringe Summe:

Bei einem Mindestbetrag von 500 Euro sollten diese 30 Euro gar nicht möglich sein. Die Unternehmerin Sonja Lauterbach setzt sich weiter ein, sie steht in intensivem Kontakt mit der Wirtschaftskammer und spricht von einem Algorithmus-Problem in deren System. Von Seiten der Wirtschaftskammer ist gegenüber ZackZack bis Redaktionsschluss noch keine Stellungnahme dazu erfolgt.

Massive Schäden in Zukunft

Sonja Lauterbach kritisiert die Maßnahmen der Regierung für Unternehmer in Österreich als einen „Pfusch von Ahnungslosen“, mit dem das Land ruiniert wird. Sie spricht die kommenden Jahre und Jahrzehnte an, die ihrer Meinung nach massive Schäden davontragen werden:

„Die meisten leben jetzt von ihrer Altersvorsorge. Da muss man nur ein paar Jahre weiterdenken – die größte Gruppe der EPU ist 45 Jahre plus. Altersarmut ist vorprogrammiert: Damit werden nicht nur berufliche und private Existenzen zerstört, da wird auch Kapital, Vermögen und Kaufkraft der nächsten Jahre zerstört.“

Türkis-Grün schafft Sektsteuer ab

Wie am Montag bekannt wurde, wird die Abschaffung der Sektsteuer, die Teil des türkis-grünen Regierungsprogramms ist, nun im Zuge eines Unterstützungs-Pakets für die Gastronomie vorgezogen. Jörg Leichtfried, SPÖ-Klubchef, sieht darin eine Verhöhnung der Menschen in der Krise:

„Fast 600.000 arbeitslose Menschen, 1,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit, WirtInnen, GastrobetreiberInnen und KleinstunternehmerInnen wissen nicht wie sie weiter überleben sollen und Schwarz-Grün macht der Champagner- und Sektindustrie ein 25 Millionen Steuergeschenk. Das ist ein Hohn für Menschen in der Krise.“

Opposition fordert Verlängerung der Corona-Kurzarbeit

Vertreter von FPÖ, SPÖ und NEOS haben am Sonntagabend in der ORF-Fernsehsendung “Im Zentrum” eine Verlängerung der Corona-Kurzarbeit gefordert. Derzeit können Unternehmen zwei mal drei Monate die spezielle Kurzarbeitsregelung in Anspruch nehmen. Die türkis-grüne Regierung hat eine längere Anspruchsdauer noch nicht zugesichert.

SPÖ fordert Erhöhung des Arbeitslosengeldes

Immer lauter werden auch die Stimmen, die eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes fordern. Ein rot-grüner Antrag aus dem Wiener Landtag hätte die türkis-grüne Regierung dazu auffordern sollen – er verschwand auf seltsame Weise in einer Schublade. Eine Profil-Umfrage zeigte zuletzt, dass 65 Prozent der Österreicher sich für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes aussprechen. Josef Muchitsch, SPÖ-Sozialsprecher, sagte dazu in einer Aussendung:

„Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher befürworten eine Erhöhung des Arbeitslosengelds. Das ist ein Fakt, den die Regierung nicht einfach beiseiteschieben kann“.

Er verweist damit auf den vorliegenden parlamentarischen Antrag der SPÖ auf Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, denn jede und jeder in der Privatwirtschaft kann unverschuldet arbeitslos werden. Wir dürfen die Gruppe der Arbeitslosen nicht einfach zurücklassen“, so Muchitsch.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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1 Kommentar

  1. […] Kritik am Härtefallfonds kam auch vom gelernten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Matznetter: nach der ersten Phase inklusive niedrigerer Auszahlung als angekündigt und dreimaliger Änderung der Kriterien sei die zweite Phase des Härtefallfonds eingetreten und da hätte man dann gesagt: „Na guad die Gründer, die haben wir vergessen“, da müsse man halt „anpassen“, hätte es dann vonseiten der Regierung geheißen. […]

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