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Innenministerium leitet EU-Programm für Gesichtserkennung – Kickl kaufte Überwachungssoftware um 500.000 Euro

Kickl kaufte Überwachungssoftware um 500.000 Euro

Österreich leitet ein Programm, um eine EU-weite Datenbank für Gesichtserkennung zu schaffen. Das gab das Innenministerium zu. Außerdem gestand Nehammer, dass Österreich bereits eine Software für Gesichtserkennung besitzt. Sie wurde unter Herbert Kickl für knapp eine halbe Million Euro erstanden.

Wien, 11. Mai 2020 | Im Jahr 2018, während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs, startete die EU ein multilaterales Gesichtserkennungsprogramm. Nun ist klar: Österreich nimmt daran nicht nur teil – so, wie 9 andere EU-Staaten – sondern leitet gar das Programm.

Whisteblower deckte EU-Programm auf

Ziel sei es, eine Datenbank aufzubauen, die Gesichtserkennungsdaten zwischen den einzelnen EU-Ländern einfacher austauschen lässt. Das Big-Data-Überwachungsprogramm läuft unter der Führung des österreichischen „Bundeskriminalamts und der Technikabteilung“, wie das Innenministerium im Zuge einer Anfrage von “epicenter.works” nach Auskunftspflichtgesetz gesteht. Dass die EU an solch einer Datenbank arbeitet, ging aus internen, und im Februar veröffentlichten, EU-Dokumenten hervor.

Mittlerweile hat das Innenministerium die Echtheit diese Dokumente bestätigt. Sie wurden von einem EU-Offiziellen an die Presse gegeben.

Der Whistleblower äußert große Bedenken bei der Frage, wie sich diese Initiative entwickeln könnte. Er sieht die Gefahr, dass die Datenbank mit US-Datenbanken verbunden werden könnte. Das wäre eine Vertiefung der transatlantischen Überwachungskooperation, basierend auf biometrischen Daten, von neuer Qualität.

Vorbereitungen: Intransparent und ohne Rechtsgrundlage

Im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, die für Türkis-Blau zum großen Prestigeprojekt auserkoren wurde, untersuchte die EU die sogenannten „Prümer Beschlüsse“, die die Verwendung von biometrischer Daten zwischen den EU-Ländern regelt.

Doch das Projekt besticht durch Intrasparenz. Eine Rechtsgrundlage gibt es dafür noch nicht. Dennoch laufen Vorbereitungen, geleitet von Österreich.

„Es obliegt der Europäischen Kommission, im Rahmen ihres Initiativmonopols eine geeignete Rechtsgrundlage zu wählen. Derzeit liegt kein Legislativvorschlag vor“,

schreibt das Innenministerium. Auch die Kosten des Big-Data-Projekts sind unbekannt, „bis dato sind lediglich Kosten für Tagungen und Dienstreisen angefallen“, will das Innenministerium entwarnen.

Österreich treibt Gesichsterkennung voran

Gesichsterkennungen werden nicht nur wegen des möglichen Missbrauchs autoritärer Regierungen kritisiert, sondern auch wegen ihrer Ungenauigkeit. Vor allem bei Menschen mit dunkler Hautfarbe sind die Programme stark fehlerhaft.

Dennoch peitscht die EU unter österreichischer Führung die Überwachung voran. Im April 2019 führte die EU per Gesetz fünf Datenbanken zusammen, um Daten (Gesichtsbilder, Fingerabdrücke, personenbezogene Daten) von 300 Millionen Nicht-EU-Bürgern zu speichern.

Inneminister Nehammer bestätigte Anfang April, dass bereits 600.000 Gesichtsbilder genutzt werden. Aktuell würde die Methode „im Testbetrieb“ fahren, insgesamt besitzt das Innenministerium allerdings eine Datenbank mit 10 Millionen Gesichtsbildern.

Kickl kaufte Software um fast eine halbe Million Euro

Zudem gab Innenminister Nehammer per Anfrage-Beantwortung am 4. Mai bekannt, dass sich das Innenministerium im November 2018 mit einer Gesichtserkennungssoftware ausstattete. Das Programm, hergestellt von der Firma Atos IT Solutions and Services GmbH, kostete den Steuerzahler rund 450.000 Euro. Im Dezember 2019 soll sie erstmals verwendet worden sein.

Innerhalb der EU entwickelt sich Österreich offenbar als Vorreiter für Big-Data-Überwachung. Gründe dafür sind in der türkis-blauen Regierungsperiode zu finden. Im Kurz-Strache-Programm war auch ein Programmpunkt mit dem Titel „Einführung von zukunftsorientierten Ermittlungsmethoden“ zu finden.

Ein Teil davon war die Einführung eines Gesichtserkennungssystems. Ex-Innenminister Kickl, der aktuell gegen Corona-Überwachung wettert, trieb dieses Programm ebenso voran wie Kanzler Kurz während seiner Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene. Dagegen fordern Aktivisten und Datenschützer schon länger das völlige Aus für diese Technologie.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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