Donnerstag, April 18, 2024

EPU in der Krise: Berater, Coaches, Trainer

Berater, Coaches, Trainer

Die geltenden und angekündigten Maßnahmen, die von der Regierung schönfärberisch unter dem Titel „Soforthilfe, koste es was es wolle“ zusammengefasst werden, stellen sich schnell als völlig unbrauchbar heraus, wenn man einen Blick in die weite Welt der Ein-Personen-Unternehmer (EPU) und Kleinstunternehmer mit bis zu neun Mitarbeitern wagt. Besonders deutlich wird es im weiten Dienstleistungsbereich der Berater, Coaches, Trainer und Weiterbildner.

Wien, 17. Mai 2020 | Im Jahr 2015 haben österreichische Unternehmen in Summe über 1,3 Milliarden Euro für „Weiterbildungskurse“ ausgegeben. Das ist eine beachtliche Summe, die zu einem Großteil auf die Arbeit zahlreicher freiberuflicher Trainer und Weiterbildner zurückzuführen ist.

Dabei ist nicht klar, wie viele derer es gibt: Das Richtlinien-Labyrinth der Gewerbeordnung erreicht in diesem weiten Feld wahre bürokratische Meisterklasse. Bei Datenerhebung werden von der WKO ja nur Mitglieder befragt. Die Statistik Austria weist österreichweit im Jahr 2019 insgesamt rund 540.000 selbstständig Erwerbstätige aus. Man kann somit annehmen, dass die Zahl hoch ist.
Die Budgets für Beratungen, Trainings und Weiterbildungen sind die ersten, die in Krisenzeiten von Unternehmen gestrichen werden, um die Liquidität zu sichern – gerade in Zeiten der Krise sieht also jene Berufsgruppe schnell durch die Finger.

Lassen Sie uns gemeinsam genauer hinschauen, wie es einer Betroffenen geht. Gestatten, darf ich vorstellen: Doris Spadt.

Doris Spadt ist eine hoffnungssture Chancensuchende. Sie ist als Unternehmensberaterin Kammermitglied in der Sparte UBIT (Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie) und eine seit vielen Jahren erfolgreiche Resilienz-Trainerin mit Kunden in unterschiedlichsten Branchen im In- und Ausland.

Totalausfall

Auch sie ist mit einem Totalausfall ihrer Aufträge konfrontiert:

„Ich habe durch meine Ausbildung gelernt, nicht in Panik zu verfallen. Ich trainiere seit Jahren mit meinen Klienten, wie man die Umstände, die sich nicht ändern lassen, akzeptiert. Das versuche ich jetzt selbst Tag für Tag zu praktizieren.“

Spadt ist sich bewusst, dass ihr Spezialgebiet auch Grenzen hat: „Einfach auf ‚online‘ umzustellen und weiterzumachen, ist bei meinem Thema schwierig. Ich hätte dieses Jahr z.B. ein Projekt mit Mitarbeitern von Seniorenheimen gehabt, für die bei der momentanen Überforderung und den besonderen Umständen gerade Resilienz wichtig wäre. Dieses Thema lebt allerdings vom persönlichen Kontakt, vom Erleben der Trainingsinhalte in der Gruppe. Das lässt sich digital nicht erzeugen.“

Wertminderung durch Gratisberatungen?

Viele Firmen sind auch noch nicht mit der Online-Arbeit in diesem Bereich vertraut. Sehr viele Berater und Trainer bieten im Moment Tipps und Unterstützung gratis im Internet an, was für diese Branche nicht nur ein Vorteil ist, da es Auswirkungen auf den Wert der Wissensvermittlung und die Preise insgesamt haben wird.

„Ich hatte einen sehr guten Buchungsstand für dieses Jahr und war schon sehr stark in der Akquise fürs Jahr 2021. Die Frage ist: Wie geht’s weiter? Welchen Stellenwert haben Trainings und Beratungen ‚danach‘ in den Unternehmen? Wie hoch sind die Budgets, die für diesen Bereich bereitgestellt werden können? Wofür wird dann wirklich Geld ausgegeben?“

Spadt hat sich über viele Jahre Kundenstämme aus verschiedensten Branchen aufgebaut und ist flexibel genug, ihr Angebot für die jeweiligen Bedürfnisse „danach“ maßzuschneidern.

Und sie hat den Vorteil, dass sie ein weiteres Spezialgebiet hat: Den Tourismus. Sie hat Anfang der 80er-Jahre das Modul in Wien abgeschlossen und verfügt über fundierte Kenntnisse auch im kaufmännischen Bereich. Sie hat vor ihrer Trainer-Tätigkeit viele Tourismusbetriebe im In- und Ausland zum Erfolg geführt, eigene gegründet und geleitet. „Irgendwie wird es weitergehen“, bleibt sie hoffnungsstur.

EPU-Merkmal: Enorme Flexibilität

Gerade das zeichnet EPU nicht nur in der Berater-Branche aus: Die enorme Flexibilität. Das ist ein entscheidender Vorteil der „Kleinsten“ gegenüber den „Großen“. Und genau das ist in jeder einzelnen Branche das so wichtige Fundament, ohne das ein Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Krise, wann immer das sein wird, nicht gelingen kann. Vor allem in den Regionen.

Alles wird davon abhängen, ob der Impact dieser Systemkrise so groß ist, dass es hinterher zu grundsätzlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen führt.

„Darüber rede ich oft mit meinen Kollegen. Ich persönlich finde es wertvoll, dass der kleine Greissler und der lokale Händler am Eck wieder geschätzt werden. Ich hoffe sehr, dass wir nicht einfach wieder ins ‚alte System‘ zurückkehren“,

so Spadt zur Krise.

Ungewisse Zukunft

Sie wird nachdenklich, wenn es um die Zukunft geht:

„Wenn alle Stricke reißen, habe ich den persönlichen Vorteil meines Jahrgangs. Ich bin nur drei Jahre von der offiziellen Pensionierung entfernt. Mein ‚Notfall-Szenario‘ ist, früher in Pension zu gehen. Auch wenn es nicht viel ist, es würde wenigstens bescheidene Lebenskosten decken. Sollte sich die Wirtschaft dann irgendwann wieder erholen, kann ich immer noch nebenbei arbeiten.“

Und da ist noch ihr geliebter Schrebergarten, wo sie seit Jahren Obst und Gemüse anbaut und seit kurzem auch Bienen züchtet. Ihre selbstgemachten Marmeladen, ihr sauer eingelegtes Gemüse, ihre Frucht-Sirups und auch ihr Honig sind in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis sehr beliebt und bieten ein kleines, zusätzliches Sicherheitsnetz.

“Soforthilfe, koste es was es wolle” – nicht für alle

Berater, Coaches, Trainer und Weiterbildner haben im Vergleich zu anderen Branchen keine besonders hohen berufsbedingten Fixkosten. Sie liefern allerdings z.B. Druckereien in Summe beträchtlichen Umsatz, wenn sie für die Teilnehmer ihrer Workshops Unterlagen und Skripten produzieren.

Die Almosen in Höhe von 500 € oder 1.000 € aus dem Härtefall-Fonds helfen auch hier nicht weiter, denn gerade Trainer und Weiterbildner erwirtschaften keine genügend hohen Deckungsbeiträge, um finanzielle Reserven anzulegen, die über die unternehmerischen Risiken hinausgehen. Eine Pandemie mit einem totalen Lockdown auf unbestimmte Zeit fällt sicher nicht darunter. Vor allem nicht, wenn nicht klar ist, ob die Kunden diese Krise selbst überstehen und wann die, denen es gelingt, wieder Weiterbildungen und Trainings für ihre Mitarbeiter nachfragen.

Auf all das nehmen die Richtlinien der so vollmundig angekündigten „Soforthilfe, koste es was es wolle“ keine Rücksicht.

Sonja Lauterbach

Titelbild: APA Picturedesk

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