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Familienbeihilfe-Indexierung: EU-Kommission klagt Österreich

EU-Kommission klagt Österreich

Am Donnerstag hat die Europäische Kommission beschlossen, Österreich wegen der von Türkis-Blau eingeführten Indexierung der Familienbeihilfe vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu verklagen. Grüne und SPÖ begrüßen diesen Schritt.

Wien, 15. Mai 2020 | Türkis-Blau führte den Mechanismus 2019 ein: Betroffen davon sind Familien von EU-Bürgern, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben. Dabei handelt es sich insbesondere um Pflegerinnen, die aus Osteuropa zum Arbeiten nach Österreich kommen.

Seither wird die Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen Steuervorteilen an die tatsächlichen Lebenserhaltungskosten der im EU-Ausland lebenden Kinder nach unten angepasst. Diese Rechtsvorschriften zur Familienbeihilfe in Österreich sind nach Ansicht der EU-Kommission nach EU-Recht nicht zulässig: Sie sollen den EU-Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit widersprechen.

Voller Beitrag zu Wirtschaft und Sozialversicherung in Österreich, aber weniger Beihilfe

Indem Österreich Familienleistungen an das niedrigere Niveau von Arbeitnehmern aus Osteuropa – darunter vor allem Pflegerinnen – nach unten anpasst, handle es diskriminierend. Das gelte für “Familienleistungen, Kinderabsetzbeträge und andere Steuervorteile für Familien” und sei nach EU-Recht nicht zulässig, so die Kommission.

“Der Mechanismus verstößt gegen die geltenden Vorschriften zur Koordinierung der sozialen Sicherheit und ist diskriminierend, da einige mobile EU-Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Österreich in vollem Umfang zu Wirtschaft, Erwerbstätigkeit und Sozialversicherung beitragen, niedrigere Leistungen erhalten als solche, deren Kinder in Österreich leben. Die Indexierung gilt indes nicht für österreichische Staatsangehörige, die im Ausland für eine österreichische Behörde arbeiten und deren Kinder mit ihnen dort leben – obwohl ihre Situation vergleichbar ist”

, heißt es in der Presseaussendung der EU-Kommission.

Das türkis-blaue “Prestige-Projekt” wurde seit jeher scharf als ausländerfeindlich und diskriminierend kritisiert.

Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern

“Gerade während der Coronakrise hat sich gezeigt, wie wichtig Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland für die Aufrechterhaltung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens in Österreich sind”, sagte der EU-Kommissionsvertreter in Wien, Martin Selmayr. Er sieht es als Pflicht der EU-Behörde an, für die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern aus dem Inland und dem EU-Ausland zu sorgen:

„Es ist die Pflicht der Europäischen Kommission, auf Basis des EU-Vertrages dafür zu sorgen, dass alle Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland, die genauso zum Sozialsystem beitragen wie inländische Arbeitnehmer, eine angemessene Leistung erhalten und fair behandelt werden”

Grüne begrüßen Klage

Die Grünen kritisierten den türkis-blauen Indexierungs-Mechanismus seit jeher scharf, so Bedrana Ribo, Grünen-Sprecherin für Senioren und Pflege, in einer Aussendung. Sie begrüßen die Entscheidung der EU-Kommission, nun den EuGH damit zu befassen. Bedrana Ribo macht die Situation am Beispiel der Leistung der 24-Stunden-Betreuerinnen deutlich:

„Nun – in der Corona-Krise – leisten die 24-Stunden-Betreuerinnen Enormes und verdienen hierfür nicht nur unsere Wertschätzung, sondern faire Bedingungen. Ich werde mich dafür einsetzen, gemeinsam eine rechtskonforme und faire Lösung zu finden.“

Auch Grünen-Familiensprecherin Barbara Neßler wünscht sich eine Rücknahme der unter Türkis-Blau auf den Weg gebrachten Maßnahme. Jedes Kind müsse gleich viel wert sein.

ÖVP: Indexierung ist „Frage der Gerechtigkeit“

Für die türkise Familienministerin Christine Aschbacher ist die Indexierung eine “Frage der Gerechtigkeit”. “Es steht der EU-Kommission frei, den EuGH zu befassen, wenn dieser Zweifel an der europarechtlichen Vereinbarkeit der Indexierung hat”, teilte Aschbacher in einer ersten Reaktion mit. Nun liege es am EuGH, darüber zu befinden.

“Für uns bleibt es aufgrund der unterschiedlichen Lebenserhaltungskosten in der EU weiterhin eine Frage der Gerechtigkeit”,

erklärte die Ministerin.

SPÖ: „Wichtiges Signal für mehr Gerechtigkeit“

Die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner sehen in der heutigen Entscheidung der EU-Kommission hingegen “ein wichtiges Signal für mehr Gerechtigkeit”. SPÖ-Obfrau Pamela-Rendi-Wagner sagte am Rande einer Pressekonferenz:

“Wir haben immer gesagt, es muss auf jeden Fall EU-konform sein. Das ist es offenbar nicht.”

Eva-Maria Holzleitner, SPÖ-Nationalratsabgeordnete, twittert zur Klage.

Letzter Schritt im Vertragsverletzungsverfahren

Die Klage vor dem EuGH ist der letzte Schritt des im vergangenen Jahr von der EU-Kommission eingeleiteten mehrstufigen Vertragsverletzungsverfahrens. Österreich konnte im Rahmen dessen die Bedenken der EU-Behörde nicht ausräumen und beharrte auf der umstrittenen Anpassung. Der EuGH befasst sich nicht erst seit dem Klagsbeschluss der EU-Kommission mit der Indexierung. Das heimische Bundesfinanzgericht legte Ende April den Fall vor.

(lb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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