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Lunacek tritt zurück

Das ist ein Unterüberschrift

Nach heftiger Kritik aus der Kulturszene ihrem Krisenmanagement trat Staatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) am Freitag zurück.

Wien, 15. Mai 2020 | Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) hat am Freitag ihren Rücktritt bekannt gegeben. Sie habe im Laufe der Woche gemerkt, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung im Kulturbereich trotz ihrer Bemühungen “nicht geringer wurde” und sie “keine positive Wirkung mehr erzielen konnte”, sagte sie am Freitagvormittag in einer persönlichen Erklärung.

“Ich mache Platz für jemanden anderen”, sagte Lunacek. Wer das sein wird, könnte bereits zu Mittag von Kulturminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bekanntgegeben werden.

Kurzes Gastspiel

So überraschend sie auf der Bühne der Kultur erschienen war, so schnell ist sie nun wieder von ihr abgetreten: Staatssekretärin Ulrike Lunacek ist das erste Mitglied der Kurz/Kogler-Regierung, das nach immer stärkerer Kritik das Handtuch geworfen hat. Dabei wurde sie weniger ein Opfer der Coronakrise als jener mangelnden fachlichen Expertise, die ihr schon bei ihrer Bestellung vorgeworfen wurde.

Durchwachsene Karriere für kompetente Europapolitikerin

Dabei hat die am 26. Mai 1957 in Krems an der Donau Geborene, die an der Universität Innsbruck Englisch- und Spanisch-Dolmetsch studierte, viel politische Erfahrung und dabei bereits alle Höhen und Tiefen erlebt. Seit den 1990er-Jahren bei den Grünen aktiv, kandidierte sie 1995 erstmals vergeblich für den Nationalrat. Entschädigt wurde Lunacek ein Jahr später, als sie zur Bundesgeschäftsführerin avancierte. 1999 gelang ihr der Sprung in den Nationalrat, dem sie bis zum Wechsel ins Europaparlament im Jahr 2009 angehörte. Dort brachte sie es bis zur Vizepräsidentin, war Berichterstatterin für den Kosovo und machte sich als europapolitische Expertin mit Schwerpunkten im Frauen-, Gender- und Sozialbereich einen Namen.

Bei ihrem zweiten Antritt als Spitzenkandidatin für eine EU-Wahl erzielten die Grünen im Jahr 2014 14,5 Prozent und damit bis dato das historisch beste Ergebnis bei einem bundesweiten Urnengang. Dafür gab es 2017, als sie unter widrigsten Bedingungen als Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl einsprang, eine arge Niederlage und den Rauswurf der Grünen aus dem Nationalrat. Umso überraschender war Anfang Jänner ihre Rückkehr auf das nationale politische Parkett. Parteichef Werner Kogler holte als auch für Kunst- und Kultur zuständiger Vizekanzler nicht wie erwartet die ausgewiesene Fachfrau und ehemalige Kunstakademie-Rektorin Eva Blimlinger, sondern die enge Vertraute Ulrike Lunacek an seine Seite und befremdete damit große Teile der Szene.

Fremd in der Kulturszene

Lunacek suchte Kontakt zu den Experten des Ministeriums und bezog ihr Büro (das Sektionschef Jürgen Meindl für sie räumen musste) nicht am Ballhaus- oder Minoriten-, sondern am Concordiaplatz: “Ich bin die Erste, die ihr Büro direkt in der Kunst- und Kultursektion hat”, betonte sie im Antrittsinterview mit der APA. “Und ich bin die Erste zumindest der letzten 20 Jahre, die ausschließlich dafür zuständig ist.” Sie versuchte, eine kulturpolitische Agenda mit sozialer und grüner Komponente zu betonen und nannte Fairpay sowie Einbeziehung von klimaschonenden Aspekten in Bau- und Renovierungsvorhaben im Kulturbereich als Anliegen. Kultur sei für sie weniger das Repräsentative, sondern auch “das Widerständige, das anregt, aufrüttelt, mitdenken lässt und neue Ideen-Impulse gibt für Leben, Politik und Gesellschaft”.

Doch schon in ihren ersten Interviews stieg sie ohne Not in die ersten Fettnäpfchen. Bei Peter Handke habe sie “die Entscheidung der Literaturnobelpreisjury nicht nachvollziehen können”, meinte sie und ließ kurz darauf das vom Bundespräsidenten für Handke gegebene Essen aus. Im Vorbeigehen bekam auch ein anderer Literaturnobelpreisträger, Bob Dylan, ausgerichtet, sein letztes Wiener Konzert habe ihr nicht so recht gefallen: “Das war langweilig, sorry!” Proteste bis hinauf zu Kunstsenat und Kunstkurie waren die Folge. Auch bei ihrer ersten eigenständigen Personalentscheidung, der Bestellung von Katrin Vohland zur Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums (NHM), machte sie sich angreifbar: Nicht nur saß deren Berliner Chef in der Auswahlkommission, auch war die Biologin in Deutschland für das “Bündnis 90/Die Grünen” politisch aktiv gewesen. Und dann kam Corona.

Kein Leiberl in der Krise

Je länger die Gesundheitskrise dauerte, umso klarer wurde: Lunacek war kein Player im Geschehen. Der gesamte Kunst- und Kulturbereich des Landes wurde von einem Tag auf den anderen heruntergefahren, und je länger der Lockdown dauerte, desto größer wurde das Gefühle der Kulturschaffenden und der Manager großer Kulturinstitutionen, mit ihren Sorgen und existenziellen Nöten alleine gelassen zu werden. Andere Branchen hatten ihre Lobbys, die auf umfangreiche Hilfspakete und rasche Maßnahmen drängten, die Kultur hatte jemanden, der sich erst informieren musste, ja nicht einmal das Gespräch zu suchen schien. Immer häufiger gab es teils wütende Offene Briefe, Protestresolutionen und Aufrufe, endlich zu handeln. Man urgierte Rettungsschirme und Planungssicherheit. Vergeblich.

Zum Sinnbild für mangelndes Verständnis für eine Branche, die zum Selbstverständnis des Landes und auch zur Wertschöpfungskette mehr beiträgt als viele andere, wurde die verunglückte und später vielfach kabarettistisch ausgeschlachtete Pressekonferenz von Kogler und Lunacek am 17. April, bei der der Kulturminister und seine Staatssekretärin eigentlich frohe Botschaften und Lockerungsmaßnahmen verkünden wollten, in Wahrheit ihr Unverständnis für die Erfordernisse des Kunst- und Kulturbetriebs deutlich machten. Maliziöses Lächeln und ein leicht belehrender Tonfall taten das übrige. Theater- und Museumsdirektoren waren fassungslos, unzählige vor dem Nichts stehende Künstler vor den Kopf gestoßen. Es war letztlich der Anfang des Schlussakts für Ulrike Lunacek auf der Kulturbühne.

(APA)

Titelbild: APA Picturedesk

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