Freitag, März 29, 2024

Bildanalyse Vucic, Kurz & die dystopische Popkultur

Am Wochenende machte ein schauriges Bild die Runde: der serbische Staatschef Vucic hielt am 16. Mai seine erste Online-Wahlkundgebung unter dem Titel „Für unsere Kinder“. Vor einer großen Monitorwand, gefüllt mit Zuschaltungen seiner Unterstützer, sprach er zu ihnen.

Wien, 18. Mai 2020 | Eigentlich kennt man solche Bilder nur aus dystopischen Filmen. Serbiens Staatschef Vucic steht am glänzenden Podium vor einer Wand voller Monitore und hält eine Wahlkampfrede. Die Augen der größtenteils jungen Zuseher blicken gebannt ins Zentrum des Geschehens: Vucic. An den wichtigen Punkten der Rede applaudieren alle Sympathisanten auf Knopfdruck.

Es ist nicht neu, dass Politik mit gestellten Bildern arbeitet. Bereits 2017 wurde der Wahlkampfauftakt von Sebastian Kurz in der Wiener Stadthalle perfekt und einigermaßen angsteinflößend zelebriert. Alles war in türkis gehalten, sogar die Tracht der Blasmusikkapelle. Selbst die Einbindung der Jugend ist ein sich wiederholendes Element. Bei Kurz saßen sie direkt neben der Bühne, die “Jünger”, und bei Vucic applaudierten sie ihm via Monitorwand zu.

Der Monitor als Kontrollsymbol

In der Popkultur werden Fernsehwände gerne eingesetzt, um Kontrolle und Macht zu inszenieren. Das bekannteste Beispiel ist der Teleschirm aus 1984. Jeder Raum ist damit ausgestattet und gewährt damit dem Überwachungsstaat Einblick in den Wohnraum aller Einwohner. Die Präsenz des Teleschirms ist allgegenwärtig und somit auch die Kontrolle der herrschenden Partei. Diese überwacht das Geschehen vor dem Monitor, aber auch die ausgestrahlten Informationen. Während George Orwell das Schreckensbild der kommunistischen Techno-Diktatur in seinem Buch beschrieb, wurde in der Black Mirror-Folge “15 Million Merits” ein turbokapitalistisches Beispiel dargestellt. Der Protagonist lebt in einer Zelle, welche vollkommen mit Monitoren zugedeckt ist und deren Inhalt nur durch Mikrotransaktionen gesteuert werden kann.

In beiden Fällen hat die Herrscherklasse durch den technologischen Fortschritt die Oberhand. Die fehlende Balance zwischen Sender und Empfänger ist ein wiederkehrendes Element. Ein bekannter Klassiker ist die Truman-Show. Sie lässt hinter die Fassade eines Menschen blicken, dessen Leben an der Oberfläche perfekt inszeniert ist. Die Regie sitzt im Fernsehstudio und bekommt durch die Monitorwand alle Informationen gleichzeitig. Sie kann bestimmen, was dem Zuseher gezeigt und was vorenthalten wird. Ein Beispiel in der Realität ist das Wegschalten von Flitzern im Fußball. Für den Fan im Stadium ergibt sich ein anderes Erlebnis als für den Zuseher vor dem Fernseher.

Technik als Mittel zur Informationsherrschaft

Wer am Schaltpult der Technik sitzt, kann die Information in die gewünschte Richtung lenken. Im bekannten Graphic Novel “V wie Vendetta” hat der Herrschaftsapparat einer faschistischen Regierung den Supercomputer namens „Die Vorhersehung“, welcher Zugriff auf alle Kameras und Mikrofone hat. Dadurch werden alle Daten ausgewertet und der totalen Kontrolle steht nichts im Wege. Am Ende entpuppt sich der Supercomputer als Instrument des Widerstandskämpfers V, um das Ende der faschistischen Herrschaft einzuleiten.

Die Problematik bei Vucic ist die Bild-im-Bild Inszenierung. Denn die Kontrolle über das Bild kann von Journalisten vor Ort hinterfragt werden. Durch die Zuschaltung ist das nicht möglich. Theoretisch lässt es sich nicht einmal hinterfragen, ob es sich dabei um einen Livestream oder eine Aufnahmen handelt. Journalisten werden dadurch zu den Handlangern der Politik, denn sie können nur die Inszenierung des Stimmungsbildes wiedergeben, aber nicht überprüfen.

(mp)

Titelbild: APA Picturedesk. Bilder: APA Picturedesk, Screenshots aus den Filmen/Serien

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