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Der Fake-News-Minister – Kommentar

Kommentar

Schon wieder rückt Karl Nehammer zur Anti-Wien-Kampagne aus und verbreitet gezielt Falschinformationen. Ohne jegliche Scham greift er dabei sogar auf den „Neffentrick“ zurück, vor dem er im März noch warnte: Wien solle seine Hilfe endlich annehmen. Ob das gelingt?

Wien, 18. Mai 2020 |

„Karl Nehammer warnt vor Fake News“, „Ministerium warnt vor Fake News“, „Regierung warnt vor Fake News zu Covid-19“. Das waren die Schlagzeilen, die noch im März überall zu lesen waren. Doch jetzt muss es heißen: „Karl Nehammer warnt vor sich selbst“. Denn der Minister verbreitet offensichtlich Fake News über Wien und Asylwerber, obwohl er weiß, dass die von ihm gestreuten Geschichten schlicht und ergreifend falsch sind.

Corona, Flüchtlinge, Wien: das neue Schreckenscluster

Neueste Schandtat: geflohene Asylwerber, die Betreuungspersonal bedroht haben sollen, als angeblichen Infektionsherd brandmarken und der Wiener SPÖ die Schuld dafür geben. Das Problem daran: es stimmt nicht. Der Samariterbund, der das Messe-Quartier betreibt, sagt, die Betroffenen hätten die vorgeschriebene Quarantäne ordnungsgemäß verbracht, von Konflikten oder gar Flucht könne keine Rede sein. Selbst die Landespolizeidirektion muss dem obersten Dienstherrn widersprechen: ein derartiger Vorfall ist schlicht nicht bekannt.

Die neue Diskursverschiebung hin zu Asylwerbern passt natürlich ins türkise Playbook. Man wundert sich eigentlich, dass nicht schon früher damit begonnen wurde, den Schwächsten die Schuld an Infektionen zu geben, um vom eigenen gesundheits- wie wirtschaftspolitischen Versagen abzulenken und politisches Kleingeld gegen die übermächtige Wiener SPÖ für den Wahlkampf zu sammeln. Die FPÖ hatte die Asyl-Corona-Verknüpfung schon früh in der Krise versucht, wurde aber zurecht dafür belächelt. Jetzt also der Innenminister. Der Unterschied: seine Aussagen wurden unhinterfragt abgedruckt. Von Telefonaten wissen wir: angerufen hat bei den offiziellen Stellen, die es wissen müssen, bis gestern kein einziger Journalist – außer wir.

Seine Kampagne hat gerade erst begonnen

Das alles ist nicht neu. So veröffentlichten vergangenes Wochenende mehrere große Tageszeitungen aus dem rechten Boulevardspektrum Fake News über angeblich abgängige Asylwerbe der Messe Wien. ZackZack fand heraus, dass diese frei erfundene Geschichte wohl ihren Ursprung im Innenministerium hat. Doch das reichte dem Innenminister nicht: anstatt seiner Aufgabe nachzugehen und für Sicherheit zu sorgen, schaffte er willentlich Unsicherheit, indem er behauptete, die Infektionszahlen in Wien würden Grund zur Sorge geben. X-Factor-Frage: Sie glauben, diese Geschichte ist wahr? Dann muss ich sie leider enttäuschen. Sie ist frei erfunden. Dokumente aus dem Krisenstab des Innenministeriums belegen, dass es aufgrund umfangreicher Testungen „vorrübergehend zu einem scheinbar sprunghaften Fall-Anstieg kommt“.

Die eigentlich vorbildliche Cluster-Testung von SPÖ-Stadtrat Hacker wurde also wider besseres Wissen in ihr Gegenteil umgedeutet, mit freundlicher Unterstützung kampagnisierender Großmedien, die im Rahmen der Corona-Sonderförderung dankend abkassierten. Und jetzt also die nächste Anti-Wien-Geschichte. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass das alles nur der Beginn einer äußersten tiefen Schmutzkübel-Kampagne ist, die Unsicherheit schafft, Zwietracht säht, aber als „Hilfe für Wien“ daherkommt.

Der Neffentrick

Aus der Trickbetrügerei kennen wir den Begriff Enkeltrick. Nun, Karl Nehammer bezeichnete ihn im März, als er vor Trickbetrügereien im Internet warnte, als Neffentrick, doch die Logik dahinter ist dieselbe. So sagte er: „Wo ältere Menschen dazu verleitet werden, Geld zu überweisen, weil angebliche Familienmitglieder in Not sind.“ Jetzt scheint er den Trick, vor dem er gewarnt hatte, selbst anzuwenden. Eindringlich appelliert Nehammer nun an die Wiener SPÖ, endlich seine „Hilfe“ bei der Eindämmung der angeblich so vielen Infektionen anzunehmen. „Wir müssen jetzt zusammenhelfen“.

Der angebliche, türkisfarbene Neffe möchte also den rot-grünen Omas aus Wien das Geld aus der Tasche ziehen, darauf deutet alles hin. Doch unter den Großeltern hat sich der Trick schon längst herumgesprochen. Kleingeld mit diesen Methoden zu sammeln wird deshalb nicht einfacher. Doch der Neffe aus dem Ministerium wird es weiterhin versuchen, vor allem, indem er die roten und grünen Omas gegeneinander auszuspielen versucht.

Benjamin Weiser

Titelbild: APA Picturedesk

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