Freitag, April 19, 2024

Warum braucht die Post Leiharbeiter? Coronavirus offenbart soziale Krise

Coronavirus offenbart soziale Krise

Die Corona-Infektionen in den Post-Verteilzentren sorgten für Wirbel. Prekär beschäftigte Leiharbeiter mussten ihre Arbeit mit einer Virusinfektion bezahlen. Aber warum beschäftigt die Post, die zu mehr als 50 % in Staatsbesitz ist, Leiharbeiter? Das Coronavirus zwingt uns, über unsere Arbeitswelt zu reden. Arbeitsministerin Aschbacher schweigt.

Wien, 19. Mai 2020 | Die Österreichische Post ist eine Aktiengesellschaft im Mehrheitsbesitz der ÖBAG (Österreichischen Beteiligungsgesellschaft). Diese spielt eine zentrale Rolle im türkis-blauen Postenschacher. Seit 2019 ist Thomas Schmid, hochrangiger ÖVP-Beamter, Geschäftsführer der ÖBAG. Auch er wird im Ibiza-U-Ausschuss aussagen müssen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Waren die Grenzschließungen schuld?

Warum beschäftigt eine teilstaatliche AG Leiharbeiter? Ein Post-Sprecher sagte am Wochenende, diese wären nötig gewesen, da aktuell ein „Geschäft wie zu Weinachten“ herrsche. Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn Ende März hieß es von Seiten der Post, dass 100 Mitarbeiter aus Tschechien und der Slowakei nicht mehr zur Arbeit kommen können. Der Grund: Kurz und seine Amtskollegen in Europa ließen hals über Kopf die Grenzen schließen. Musste die Post deshalb auf Leiharbeiter zurückgreifen?

Die Post wiegelt auf ZackZack-Anfrage ab. Das hätte damit nichts zu tun. In Wahrheit hätte sich die Lage an der „Grenze rasch entspannt, wodurch es für unsere Mitarbeiter möglich wurde, mit Bescheiden bzw. Bestätigungen wieder ihrer Arbeit nachzugehen.“ Dass man auf Leiharbeiter zurückgreife, habe also nichts mit den geschlossenen Grenzen zu tun. Widersprüchlich: Im März sagte die Post, dass man die fehlenden Mitarbeiter durch Neuaufnahmen und Leasingpersonal „sehr gut kompensiert“ habe.

Corona-Krise ist soziale Krise

Die Corona-Krise offenbart die soziale Krise in unserer Gesellschaft. Sind es in Frankreich die städtischen Vororte, oder in New York die Bronx, die besonders schwer betroffen sind, erwischt es nun auch immer mehr prekär beschäftige Arbeiter. Zuerst gab es Aufregung um deutsche Fleischfabriken, die trotz Infektionen ihren Betrieb nicht schließen wollten, weil sie sich als „systemrelevant“ empfinden. Jetzt erwischt es prekär beschäftige Menschen in Österreich.

Sie schupften die letzten Wochen hunderttausende „Pakerl“ und sorgten dafür, dass der Online-Handel  rund läuft. Ein anständiges Beschäftigungsverhältnis für diese Systemerhalter bringt der Staat Österreich aber nicht zustande. Anstatt die Menschen mit gesicherten Arbeitsverträgen auszustatten, werken sie via Leiharbeiterfirma als Schein-Selbständige für die Post. Jetzt hat es sie mit Covid-19 erwischt: Krank durch Ausbeutung.

Post AG sieht keine Fehler

Auch hier sieht die Post aber keinerlei Verfehlungen. Man hätte letztes Jahr „eine strenge Ausschreibung durchgeführt, um einen sorgfältigen Pool an Personalfirmen aufzubauen. Wenn erforderlich, wird zusätzliches Personal zur Abdeckung von Spitzen angefordert. Sollte es unter den Personalfirmen schwarze Schafe geben, die gegen unsere strengen Vorgaben verstoßen haben, werden wir umgehend handeln.“

Doch „schwarze Schafe“ ist in diesem Fall eine Verharmlosung, denn Personalfirmen sind ein strukturelles Problem. Es gibt keine Guten und Schlechten – solange die Arbeiter nicht arbeitsrechtlich abgesichert werden. Krankengeld, Versicherung, Überstundengeld – von all dem, sehen Leiharbeiter in der Regel nichts. Hinzu kommt: Die Aktiengesellschaft muss ihren Aktionären auch jährliche Dividende liefern – auch die Post steht unter einem krankhaften Profitzwang.

Nach der Corona-Infektion übernimmt das Bundesheer. Die Post zahlt dem Bundesheer pro “Grundwehrdienerstunde” 30 Euro. Die Soldaten erhalten dafür 524,37 Euro im Monat und ein Feldbett zum Schlafen. Auch die Flächendesinfektion durch die ABC-Schutzkompanie bezahlt die Post. Auf ZackZack-Anfrage bezüglich der Kosten heißt es:

“Wir gehen aber davon aus, dass sich die Betriebskosten des Standorts in Hagenbrunn verdoppeln werden.”

Aschbacher politisch verantwortlich

Während sich Nehammer auf das „faule Wien“ einschießt und sein Ministerium bereits seit Wochen Fake-News über Wien streut, stellt sich die rot-grüne Stadtregierung gegen die türkise Agitation und legt den Finger in die Wunde. Peter Hacker will eine Diskussion über prekäre Arbeitsbedingungen, Vize-Bürgermeisterin Birgit Hebein will über die “soziale Dimension der Neuerkrankten“ sprechen.

Das eine Ausbeutung von Leiharbeitern so einfach in Österreich möglich ist, wir gerade aufgrund der Pandemie besonders schlagend. In der politischen Verantwortung steht eigentlich Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP). In einer heutigen Pressekonferenz jubelte diese über sinkende Arbeitslosenzahlen – über die prekär Beschäftigen Corona-Erkrankten, die sich beim Packerlschupfen im Post-Zentrum angesteckt hatteen, verlor Aschbacher kein Wort.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

Redaktion
Redaktion
Die ZackZack Redaktion
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!