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Auf Köstinger wartet kein guter Sommer – Kommentar

Kommentar

Dass die Bundesregierung nun ordentlich die Tourismus-Trommel rührt, ist aufgrund des wirtschaftlichen Drucks verständlich. Doch das nun ausgerufene Pferderennen um Touristen könnte im Angesicht leerer Geldbörserl und vergangener Fettnäpfchen verpuffen.

Wien, 22. Mai 2020 |

„Wohlfühlen und sicher sein“ werde entscheidend dafür sein, wer am Ende bei den Touristen „die Nase vorne“ habe. Das sind die Worte des Multi-Funktionärs Harald Mahrer (ÖVP), der es fertigbringt, auch das Trommeln für Touristen als nationalistisches Pferderennen zu inszenieren. „Auf Dich wartet ein guter Sommer“ lautet die Kampagne, die nun der Kanzler selbst, und an seiner Seite Harald Mahrer und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger in das Land der Berge hinaus posaunen. Der Slogan könnte ihnen aber noch um die Ohren fliegen.

Krise? Welche Krise?

Denn hinter der glänzenden PR-Fassade steckt ein erbitterter und auch verzweifelter Kampf um Touristen im Zuge der der sich vertiefenden Wirtschaftskrise. Wie Österreicher und hier lebende Menschen einen Urlaub planen sollen, wenn die Gelder aus dem Härtefallsfonds nicht ankommen, die Kurzarbeit mittlerweile 1,2 Millionen Menschen betrifft und die Arbeitslosigkeit bei horrenden 13 Prozent liegt, weiß wohl auch die ÖVP nicht. Da reichen auch keine 40 Millionen-Ausgaben für die Kampagne. Vielmehr sollten erstmal die Hilfen bei den Betroffenen ankommen, ehe “Mr. Konsum” Harald Mahrer zum Geld ausgeben aufruft.

Gerade die klein- und mittelständischen Unternehmen, einst das Rückgrat der ÖVP-Wählerschaft, fangen nun immer lauter an zu rebellieren. Bei den Ein-Personen-Unternehmen, die die Hälfte aller Unternehmen in Österreich ausmachen, brennt ohnehin schon längst der Baum: jedes vierte EPU ist von der Pleite bedroht.

Wer Bayern genießen will, wird das nicht in Österreich tun

Generell scheint es, dass die Kurz-Regierung eher Panik als Zuversicht hat, vor allem angesichts der Power ihrer Konkurrenz. Denn Bayern ist aufgrund der selektiven Grenzöffnung  – man will ja nicht, dass jemand auf die Idee kommt, nach Italien oder Slowenien zu fahren – ein starker Konkurrent für urlaubende Deutsche. Letztere haben aber ein gewisses Ischgl-Klischee aufgebaut, nachdem Tirol (und dort vor allem der Alpen-Ballernmann) für 90 Prozent aller Corona-Infektionen bei aus Österreich zurückkehrenden Deutschen bedeutet hatte.

Die Würze für die ohnehin versalzene Suppe gab der Bundeskanzler höchstpersönlich dazu, indem er im deutschen Fernsehen wirre München-Gerüchte über einen etwaigen Hotspot streute und vollmundig behauptete, ausgerechnet Österreich wäre sicherer für Ostdeutsche als Nordrhein-Westfalen. Das kam nicht gut an. Die Folge: ein Grenzstreit, der langsam in einen Streit um Touristen mutiert. „Wer Österreich genießen will, kann das auch in Bayern tun“, war die Antwort des bayrischen Löwen aus München. Markus Söder weiß genau, dass beide Seiten vor allem um die Touristen oberhalb der Weißwurscht-Grenze kämpfen.

Da Köstinger & Co. den Atem des blau-weißen Nachbarn spüren, appelliert die Tourismusministerin nun ans Gewissen der hier Lebenden: bitte, bitte in Österreich Urlaub machen und nach Möglichkeit bei hiesigen Touristikern aufschlagen.

Einzig an den Touristen selbst könnte es scheitern. Denn das Geldbörserl wird auch durch Kampagnen nicht voller, und von der letzten Finanzkrise weiß man: in der Krise beginnen die Leute eher zu sparen als Geld auszugeben – gerade wenn ein „Konjunkturpaket“ so lange auf sich warten lässt wie der Härtefallfonds. Auf Köstinger wartet also wohl kein guter Sommer.

Benjamin Weiser

Titelbild: APA Picturedesk

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