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Knalleffekt in Justiz: Pilnacek wird entmachtet

Knalleffekt in der Justiz:

Schon den ganzen Nachmittag ist es Ganggeflüster in der Plenarsitzung des Parlaments: Wie der „Standard“ am Dienstagnachmittag berichtete, steht im Justizministerium wohl ein größerer Umbau bevor. Wichtigste Änderung: Der mächtige Sektionschef Christian Pilnacek soll aus der Weisungskette entfernt werden. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) bestätigte die Gerüchte.

Wien, 26. Mai 2020 | Am Dienstag geriet das Justizministerium ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Der mächtige Sektionschef Christian „Pil“ Pilnacek, von dem es in Justizkreisen heißt, es sei egal wer unter ihm Minister sei, steht vor seiner Entmachtung. Als Chef der Sektion IV („Strafrecht“) stand Pilnacek de facto an der Spitze der Weisungskette. Das soll sich “bis Herbst” ändern, sagte Justizministerin Alma Zadic (Grüne).

Starker Druck auf Zadic – von allen Seiten

Alle Parlamentsparteien mit Ausnahme der ÖVP übten in der Vergangenheit scharfe Kritik an Pilnaceks Amtsführung. Auch aus der Justiz selbst gab es Klagen: Pilnacek beeinflusse wichtige Verfahren zugunsten eines ÖVP-Freundesnetzwerks. Dazu bediene er sich offizieller wie versteckter Weisungen sowie eines weitverzweigten Netzwerks an Verbindungen – dem sogenannten „System Pilnacek.“

Pilnacek, der als herausragender Strafrechtsexperte gilt, soll weiterhin Sektionsschef bleiben, künftig jedoch nur noch für Legistik zuständig sein. Die Verantwortung für konkrete Strafverfahren soll ihm entzogen werden. Bis Ende Mai hätte Justizministerin Zadic Zeit gehabt, über die Zukunft Pilnaceks zu entscheiden. Dem Vernehmen nach hatte die ÖVP starken Druck ausgeübt, den Sektionschef an seinem Posten zu belassen. Der breite Widerstand gegen Pilnacek aus Politik und Justiz sowie Recherchen verschiedener Medien zum „System Pilnacek“ hätten den Verbleib Pilnaceks jedoch zum politischen Skandal gemacht. Auch ZackZack hatte in den vergangenen Monaten eine Reihe von Investigativrecherchen veröffentlicht, die kein gutes Licht auf die Amtsführung Pilnaceks werfen.

Opposition fordert völlige Neuaufstellung der Justiz

Der Plan, die Sektion IV aufzuteilen, stellt offenbar den Versuch einer Kompromisslösung dar. Justizministerin Alma Zadic trat um 17:30 vor die Presse. Zadic betonte, die besondere Bedeutung des Vertrauens der Bevölkerung in die Justiz. Die “strukturellen Probleme” in der Justiz sorgten für ein “Spannungsfeld”, das sich die zuständigen Beamten “nicht verdient” hätten. Zadic fand ungewöhnlich deutliche Worte: Die Reform sei nötig, um die “Unabhängigkeit der Justiz zu sichern”. Es solle “erst gar kein Anschein” einer politischen Einflussnahme entstehen. Die Leitung der beiden neu entstandenen Sektionen wird neu ausgeschrieben. Natürlich könne sich Sektionschef Pilnacek bewerben. Zadic verwies darauf, dass sie im Lauf ihrer politische Karriere selbst die nun angekündigten Reformen gefordert habe.

Die angekündigte Umstrukturierung sei ein wichtiger und von der SPÖ schon lange geforderter Schritt, sagte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim zu ZackZack. “Ich schätze die Justizministerin, sie genießt mein persönliches Vertrauen“, streute Yildirim Ministerin Zadic Rosen. Die Entmachtung Pilnaceks durch die Teilung der Sektion IV könne aber nur der erste Schritt einer umfassenden Reform sein.

Vom „System“ ist in ersten Reaktionen der Opposition viel die Rede. Die Ablöse Pilnaceks sei „wichtig“ sagte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. Die Fraktionsführerin der NEOS im „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ betonte jedoch die Bedeutung einer grundsätzlichen Systemänderung. „Es stimmt, der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken“, sagte Krisper auf ZackZack-Nachfrage, ob ihr die Entmachtung Pilnaceks weitgehend genug sei. Trotzdem müsse das Justizsystem insgesamt reformiert werden, sodass politische Einflussnahme soweit wie möglich ausgeschlossen werde. Krisper verwies auf einen NEOS-Antrag, in dem das Ende der Berichtspflicht der ermittelnden Staatsanwälte an eine Weisungskette gefordert wird, die im Justizministerium endet.

In eine ähnlich Kerbe schlug auch Yildirim. Wie ihr Vorgänger Hannes Jarolim mache sie sich für die Einsetzung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts an der Spitze der Weisungskette stark. Dieser solle vom Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden und zwölf Jahre lang im Amt bleiben. Es brauche ein System, das staatstragend sei, und nicht auf Dankbarkeit oder persönlichen Beziehungen beruhe, sagte Yildirim mit Blick auf Sektionschef Pilnacek. Es nütze nichts, „wenn Pilnacek weg ist, aber das System an sich für Interventionen anfällig bleibt.“

Wer folgt nach?

Christian Pilnacek selbst wollte seine angekündigte Entmachtung nicht bestätigen. „Da wissen Sie mehr als ich, da müssen Sie bei der Ministerin nachfragen“, sagte Pilnacek vor Zadics Pressekonferenz dem „Standard“. Zadic wiederum sagte, sie habe bereits im Vorfeld mit Pilnacek über die Umstrukturierung gesprochen. Über einen allfälligen Nachfolger für Pilnacek gibt es seit Wochen Spekulationen. Besonders oft fällt dabei der Name des Leiters der Staatsanwaltschaft Eisenstadt. Ihm werden ähnliche Verbindungen wie Pilnacek nachgesagt.

(tw)

Der Artikel wurde nach der Pressekonferenz von Alma Zadic aktualisiert.

Titelbild: APA Picturedesk

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