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Wirtschaftskammer: 25.000 Euro für Ö3-Gewinnspiel

Während ihre eigenen Mitglieder sich durch einen Antrags-Dschungel kämpfen müssen, um mit etwas Glück ein paar Hundert Euro aus dem Härtefallfonds zu erhalten, gehen 25.000 Euro von der Wirtschaftskammer an ein Gewinnspiel, mit dem Österreichs Wirtschaft gefördert werden soll.

Wien, 26. Mai 2020 | Seit 18. Mai läuft das „Jetzt aber!“-Gewinnspiel auf “Ö3”: Der Radiosender spielt dabei Glücksfee und verspricht den Gewinnern 300 Euro Bonus – in Kooperation mit den österreichischen Wirtschaftskammern. Hintergrund dabei: Die österreichische Wirtschaft soll mit dem Gewinn unterstützt werden. Ein Ärgernis für viele Unternehmer, die sich mühsam durch den Antrags-Dschungel des WKO-internen “Gewinnspiels” kämpfen müssen, um im besten Fall ein paar Hundert Euro aus dem Härtefallfonds zu ergattern.

Dauerbeschallung führt zum Gewinn

Die Teilnehmer, die sich über die Webseite von “Ö3” zur Teilnahme anmelden können, dürfen sich etwas wünschen – und werden womöglich zwischen 18. Und 29. Mai irgendwann vom “Ö3”-Moderator genannt. Wenn sie sich daraufhin innerhalb von drei gespielten Songs melden, gehört ihnen der 300 Euro-Bonus:

„Mit ein bisserl Glück gibts für deinen Wunsch, deine Idee, dein Vorhaben 300 Euro Bonus.
Damit hilfst du dann wieder österreichischen Betrieben und somit der österreichischen Wirtschaft!“

25.000 Euro Preisgeld von WKO

Auf Anfrage bei der Wirtschaftskammer erhielt ZackZack die Auskunft, nach dem Corona-Lockdown gelte es, „die heimische Wirtschaft zu stärken, unsere Betriebe zu unterstützen und die Stimmung zu drehen, damit der Konsum anspringt.“ Die Ö3-Kooperation sei dabei Teil der Maßnahmen der Wirtschaftskammer, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dafür lässt die Wirtschaftskammer 25.000 Euro an Preisgeld springen.

Zuckerbrot für Ö3-Hörer, Peitsche für die eigenen Mitglieder

Auf der einen Seite kritisieren Selbstständige, dass ihnen durch die erforderlichen Angaben in den Härtefallfonds-Anträgen der WKO möglicher Missbrauch und Betrug unterstellt wird. Zig Seiten an Daten müssen sie offenlegen, um möglicherweise in die Gunst des Härtefallfonds zu fallen. Dabei legt die Wirtschaftskammer offenbar extreme Maßstäbe an: Anträge sollen aufgrund eines falsch ausgefüllten Geburtsdatums oder eines abgelaufenen Passes abgelehnt worden sein. Auf der anderen Seite scheint die WKO mit den 25.000 Euro „Preisgeld“ für das Ö3-Gewinnspiel locker-flockig umzugehen: Auf Anfrage, wie man sicherstellt, dass das Geld auch tatsächlich der österreichischen Wirtschaft zu Gute kommt, hieß es dazu aus der Wirtschaftskammer:

„Insbesondere werden Wünsche für den Urlaub in Österreich geäußert, Themen sind auch etwa Baby und Hochzeit oder neue Möbel – Bereiche also, in denen die Wertschöpfung in Österreich bleibt.“

Selbstständige stehen vor dem Aus

Der heilen Welt, in der die Wirtschaft mit Gewinn-Boni unterstützt werden soll, steht eine knallharte Realität gegenüber: Österreichs Selbstständigen droht eine Massenpleite. Laut einer Studie des Tarifvergleichsportals „durchblicker.at“ hat in Österreich jeder sechste Probleme, seine Fixkosten zu bestreiten, vor allem Selbstständige sind besonders stark von der Krise betroffen: Sie stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Viele davon sehen von der Wirtschaftskammer keinen Cent – oder ein paar Hundert Euro bei Zehntausenden Euro Verlust. Echter Schadensersatz aufgrund der Corona-Maßnahmen sieht anders aus.

Eigene Realität

Die ÖVP und auch die WKO leben in ihrer eigenen (Großunternehmer-)Realität. Während die ÖVP suggeriert, Österreichs Wirtschaft käme besser als andere durch die Krise, postete die Wirtschaftskammer Wien am Montag Zahlen aus einer Studie, derzufolge 81,5 Prozent der Unternehmen optimistisch in die Zukunft blicken. Nur: 216 Interviews wurden für diese Studie durchgeführt, und rund zwei Drittel der Befragten stammen aus Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern.

Die Realität unter Alleinunternehmern sowie Kleinstunternehmern sieht jedenfalls anders aus – viele stehen vor dem Ruin. Mit etwas Glück und Nerven für die Ö3-Dauerbeschallung können sie jetzt einen Teil des ihnen zustehenden Gelds aus der Wirtschaftskammer gewinnen.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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