Donnerstag, März 28, 2024

“Kritik muss möglich sein” – Medienexperte zu Fake News und Verschwörungstheorien

Medienexperte zu Fake News und Verschwörungstheorien

Im Gespräch mit ZackZack analysiert der Medienexperte Tom Beyer Fake News, die im Zuge der Corona-Krise verbreitet wurden. Er hält die “Verschwörungstheorie-Keule” gegen Menschen, die sich kritisch äußern, für gefährlich. Auch Bill Gates muss man kritisieren dürfen.

Wien, 28. Mai 2020 |

ZackZack: Herr Beyer, Sie sind unter anderem im Bereich Medienpädagogik mit Schwerpunkt auf Fake-News tätig. Fake-News sind gerade in Politik und vor allem angesichts der derzeitigen Corona-Situation ein brisantes Thema.

Tom Beyer: Gerade in den letzten Wochen sind uns einige interessante Fotos untergekommen: zum Beispiel Bilder von Krankenhäusern mit desaströsen Verhältnissen. Dasselbe Foto soll in Italien, den USA und Frankreich gewesen sein. Oder ein Foto mit einer Turnhalle – angeblich aus Bergamo – mit Dutzenden Corona-Särgen, das im Netz kursiert ist: In Wirklichkeit war es ein Foto aus der Ebola-Katastrophe in Afrika.

ZackZack: Fake News lassen sich mit Bildern sehr einfach vermitteln – aber genauso gut auch mit Text.

Tom Beyer: Immer wieder stehen Negativbotschaften im Fokus der Headlines. Viele Menschen lesen oft nur die Überschriften. Ein Beispiel aus der letzten Zeit: Groß und fett stand in allen Schlagzeilen, dass eine Linzerin im Alter von 27 Jahren am Coronavirus verstorben sei. Hat man die Beiträge zu Ende gelesen, kam heraus: die Frau war schon viele Wochen im Krankenhaus und von den Ärzten eigentlich schon aufgegeben, sie hatte 14 schwere Vorerkrankungen – und wenige Tage vor ihrem Tod stellte man zusätzlich das Coronavirus fest. Der Arzt hatte betont, sie sei nicht am Coronavirus gestorben. Medial wurde es aber so aufbereitet, als wäre sie am Coronavirus gestorben.

Tom Beyer (57 Jahre) ist Teil von “Sissi Kaiser Multimedia”, einem Unternehmen das sich auf verschiedene Bereiche der Wissensvermittlung spezialisiert hat. Mit Sissi Kaiser ist er u.a. in der Medienpädagogik tätig. Seine Spezialgebiete sind Medienforensik, Fake News und Manipulation von Bild und Film, sowie Open Source-Software speziell für den Bildungsbereich.

ZackZack: Es ist angesichts der Neuheit des Virus schwierig, Aussagen darüber zu machen.

Tom Beyer: Gerade gestern las ich ein Interview mit einem hochrangigen amerikanischen Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde, der sagte: Der Unterschied zwischen Grippe und Corona sei, dass wir uns beim Coronavirus nicht auskennen. Ansonsten sei der Krankheitsverlauf in vielen Fällen ähnlich. Der große Unterschied zur Grippe ist darüber hinaus, dass Corona für Kinder weitaus weniger gefährlich sei als die Grippe. Was ich für problematisch halte, ist dass von Anfang an ein Verbot ausgesprochen wurde, das Corona- mit dem Grippevirus zu vergleichen.

ZackZack: Gerade zu Corona sind sehr viele Informationen – und sehr gegensätzliche – im Netz und in den Medien zu finden. Es ist schwer, sich ein Bild zu machen.

Tom Beyer: Das geht so diametral auseinander, dass man als normaler Mensch, der normale Medien konsumiert, nicht mehr in der Lage ist, die Situation wirklich real einzuschätzen. Das Gleiche gilt für die internationalen Medien. Man ist gut beraten, wenn man sich internationale Berichterstattung ansieht, zusätzlich zur deutschsprachigen.

Wir können nicht mehr von einer Transparenz der Nachrichten oder von einer Nachvollziehbarkeit sprechen– da werden Dinge in die Welt gesetzt, die sind wirklich zum Schreien.

ZackZack: Sucharit Bhakdi ist renommierter Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Wolfgang Wodarg ist Internist und Pneumologe – ihre Einschätzungen stehen allerdings international in der Kritik, es gibt auch allerhand Fakten-Checks im Netz zu ihren Videos.

Tom Beyer: Die waren bei der Schweinegrippe gern gesehen bei ZDF, ARD und Co. Heute werden sie gar nicht mehr gefragt – und hingestellt als Trottel, die irgendwelche Verschwörungen verbreiten. Beide haben sich – ebenso wie der österreichische Experte Martin Haditsch – an Medien gewandt und berichtet, es gab kein Interesse: die Medien hätten abgelehnt. Dann blieb ihnen nur die Plattform Youtube und Co. Das wurde dann hinterher so benutzt: Man erkenne Fake-News daran, dass sie nicht in öffentlich-rechtlichen Medien zu finden seien, sondern eben zum Beispiel auf Youtube. Das ist dann die sich selbst erfüllende Prophezeiung.

ZackZack: Sie setzen sich auch intensiv mit der Auswirkung von Algorithmen bei Google und Co. auseinander. Welche Beobachtungen haben Sie diesbezüglich in Zusammenhang mit der Corona-Berichterstattung gemacht?

Tom Beyer: Wir glauben alle, dass Suchmaschinen neutrale Ergebnisse ausspucken, aber das persönliche Profil beeinflusst Suchergebnisse einerseits, und andererseits wurde der Algorithmus auf Google und Co. so angepasst, dass kritische Informationen zum Coronavirus großteils nicht mehr aufscheinen.

Die Situation, in der wir uns befinden, wenn wir uns ein kritisches Bild von der Lage machen wollen, ist schon absurd: Die großen Portale führen zugegebener Weise Zensur durch, indem der Algorithmus der Suchmaschinen zur Unterdrückung von Nachrichten führt, die nicht WHO-konform sind.

Gleichzeitig bringen Medien Beiträge von kritischen Wissenschaftlern einfach nicht: Das ist die schlimmste Form von Zensur und Produktion von Fake-News, die ich mir vorstellen kann. Ich kann mich gar nicht mehr sachlich informieren.

Ich muss diese eine Meinung haben – und ich komme hinterher auch zu keinem anderen Ergebnis, weil es wird ja stetig wiederholt.

ZackZack: Was langsam in Kritik gerät, ist der Umgang mit Zahlen in der Berichterstattung über das Virus.

Tom Beyer: Das ordne ich zunehmend als Fake-News ein. Ich kann mir tageweise als Schlagzeilen in ganz vielen Medien anschauen: wie viele Tausend Infizierte haben wir angeblich in Österreich? Dann muss man schon nüchtern sein, um zu sagen: heute, oder insgesamt?

Zahlen aus den USA beziffern in den Medien auch meist die Infizierten – aber wenn man die USA mit Österreich vergleicht ist klar, dass Österreich einen Bruchteil der Einwohner hat. Es wird aber immer nur die absolute Zahl der Infizierten verglichen, nie das Verhältnis zur Einwohnerzahl. Wenn man das Verhältnis berücksichtigt, kommt man zu ganz anderen Ergebnissen. Natürlich ist dort die Anzahl an Toten erheblich höher. Im Verhältnis zu 100.000 Einwohnern sehen die Zahlen wieder ganz anders aus. Es ist keine Schlagzeile zu finden darüber, dass wir nur noch 700 und ein paar Infektionen in Österreich verzeichnen, und nur noch eine kleine Gruppe Personen auf Intensivstationen sind – nein, es wird jeden Tag aufaddiert. So, als wäre es immer noch ganz schlimm. Wenn man das so weiterführt, wird das eine unendliche Zahlenreihe, die immer schlimmer wird. In einem Jahr liegen wir dann bei 20.000: die Verhältnismäßigkeit stimmt einfach nicht mehr.

ZackZack: Auf dieser Grundlage lassen sich auch noch so einschränkende Maßnahmen einfach umsetzen.

Tom Beyer:  Die Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis zu der derzeitigen Lage und werden aufgrund gefühlter Plausibilität, nicht aufgrund von evidenzbasierten Fakten getroffen. Stichwort Maskenzwang: Am Anfang hieß es, das ist Blödsinn. Dann waren Masken verfügbar, dann wurde nahegelegt, dass man sie verwenden kann. Dann hat der Weltmarkt ausreichend produziert, jetzt kommt die Maskenpflicht. Das ist absurd. Genauso, dass Menschen um 23 Uhr zum Schlafen geschickt werden – die Diskussion muss eigentlich heißen, warum um 23 Uhr gesperrt wird und nicht, warum Van der Bellen nach 23 Uhr noch im Lokal sitzt.

ZackZack: Die Maßnahmen werden auffällig wenig kritisch diskutiert bzw. infrage gestellt. Im Gegenzug ist sehr oft von Verschwörungstheorien zu hören, die im Netz kursieren.

Tom Beyer: Als Kritiker landet man derzeit sehr schnell am Corona-Pranger. Dann gibt es die Meinung, in unserer Welt sei angeblich alles mess- und erklärbar. Das stimmt so auch nicht.

Wenn ich mir das jetzt mit Coronavirus anschaue, hinterlassen derzeit sowohl Wissenschaft, als auch Politik so ein extrem großes Vakuum, sodass jeder Mensch nach einer Erklärung sucht. Der Wunsch nach Erklärbarkeit ist aber vollkommen normal. Wenn bei den ganz einfachen Dingen nicht plausibel Informationen auf den Tisch gelegt werden, die man nachvollziehen kann, führt das dazu, dass sich Leute eigene Gedanken machen – und nach Informationen suchen. Wenn es dann von anderer Seite angebotene Erklärungsmuster gibt, ist es verständlich, dass man danach greift. Dass darunter auch vollkommener Blödsinn sein kann, ist klar.

Aber was jetzt gerade in der Öffentlichkeit stattfindet – und von vielen Medien forciert wird: Jeder, der sich kritisch äußert, wird zwangsläufig als Verschwörungstheoretiker abgestempelt. Das ist ja wohl nicht wahr.

ZackZack: An sich gilt ja: wer sachlich und faktenbasiert argumentiert, wird gehört.

Tom Beyer: Wenn ich überlege, was Demokratie eigentlich ausmacht, dann ist es die einzige mir bekannte gelebte Gesellschaftsform, in der man, ohne dass man die Demokratie gefährdet, Kritik äußern kann, weil Demokratie hält das aus. Dann gibt es noch was anderes: Wer die Wahrheit spricht und sachlich argumentiert, hat keine Kritik zu fürchten. Das beides findet aber derzeit nicht statt. Wie kann ich denn einem normalen Menschen mit normalem Bildungsstand vorwerfen, dass er bei dieser desolaten Art, mit Informationen umzugehen, hinterher schließt, dass da etwas vollkommen Schräges läuft.

Die, die Verschwörung vorwerfen, erklären ja nicht plausibel, warum sie selbst so handeln. Statt nun eine Erklärung zu liefern, folgt die pauschale Diffamierung. Das ist ein Perpetuum Mobile an Unterdrücken von weiteren kritischen Diskussionen.

Es ist das Informationsvakuum, das dazu führt, dass man nur noch auf schräge Ideen kommen kann, was da gerade stattfinden könnte.

ZackZack: Womit wir wieder sehr nahe am Bereich der Verschwörungstheorien wären. Insbesondere rund um Bill Gates kursieren vor allem angesichts der derzeitigen Corona-Lage vermehrt wirre Theorien. Das scheint viele Bill Gates-Kritiker abzuschrecken.

Tom Beyer: Ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass Bill Gates die Erklärung ist und eine neue Weltordnung schaffen will. Aber was man nicht vergessen darf – vor zwei, drei Jahren gab es z.B. eine sehr kritische ARTE-Dokumentation über die Bill-Gates-Stiftung. Die allein reicht eigentlich aus, zu hinterfragen, wie viel Einfluss man dieser Stiftung eigentlich zugestehen sollte? In den letzten drei Wochen haben Medien diese Bill-Gates-Stiftung aber so dermaßen in Schutz genommen, als sei er ausschließlich ein Wohltäter der Menschheit. Aber die Gelder, die er an die WHO gibt, stammen hauptsächlich aus dem Bereich der Pharma-Spender und aus Aktien aus der Pharmaindustrie. Wenn man so etwas heute sagt, gilt man sofort als Verschwörungstheoretiker. Ich sage aber: Regierung und Leute, achtet darauf, mit wem ihr kommuniziert, das ist keiner, der das selbstlos macht. Indirekt sind wir alle davon betroffen.

ZackZack: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Larissa Breitenegger

Titelbild: APA Picturedesk

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