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Corona-Klagen: VfGH will im Juni entscheiden

VfGH will im Juni entscheiden

Am Montag startete der VfGH eine neue Session: 500 Anträge gilt es zu bearbeiten, darunter Fälle bezüglich der Covid-19-Maßnahmen, des Verbots von Sterbehilfe und des Kopftuchverbots.

Wien, 08. Juni 2020 | Ab heute Montag stehen einige Corona-Maßnahmen der Regierung auf dem Prüfstand beim Verfassungsgerichtshof. Unter anderem geht es darum, ob Maßnahmen wie die Schließung von Betrieben laut Covid-Maßnahmengesetz gerechtfertigt waren. Auf der Tagesordnung des VfGH finden sich insgesamt 500 Fälle – rund 40 dieser Fälle werden wegen der Schwierigkeit der zu lösenden Verfassungsfragen im Plenum des Gerichtshofes beraten. Darunter sind die Covid-19-Maßnahmen und einige Verbote: Sie betreffen das Kopftuch, Sterbehilfe und Plastiksackerl.

Unternehmer wollen Entschädigung

Zahlreiche Unternehmer, unter ihnen einige Tiroler Hoteliers, sind sauer. Sie haben Anträge beim VfGH zur Prüfung der Corona-Maßnahmen der Regierung eingebracht. Wären die Maßnahmen anhand des bestehenden Epidemiegesetzes – und nicht anhand des neu beschlossenen Covid-19-Maßnahmengesetzes – getroffen worden, hätten die betroffenen Unternehmen Anspruch auf Entschädigung gehabt. Durch das Vorgehen der Regierung schauen die schwer getroffenen Unternehmer allerdings durch die Finger.

Rund 70 Covid-19-Anträge beim VfGH

Gegen Gesetze und /oder Verordnungen der Regierung zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie liegen dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) rund 70 Anträge vor, die meisten davon Individualanträge. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob diverse Betretungsverbote gerechtfertigt waren, etwa für öffentliche Orte oder Sportstätten. Auch die Ungleichbehandlung von Unternehmen mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche, die deshalb länger geschlossen bleiben mussten als die kleinere Konkurrenz, wird behandelt. Weiters ist die Frage, ob die Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst gerechtfertigt war, Thema bei der Session des Verfassungsgerichtshofs.

Weil es dabei, anders als beim Epidemiegesetz, keinen Anspruch auf Entschädigung gibt, haben sich unter anderen Tiroler Hoteliers an das Höchstgericht gewandt. Sie stellen Anspruch auf Entschädigung – oder ein Möbelhändler mit mehr als 400 Quadratmeter.

Verbot von Sterbehilfe auf dem Prüfstand

Es soll auch das strikte Verbot von Sterbehilfe gekippt werden. Vier Antragsteller, darunter zwei Schwerkranke, argumentieren, dass leidende Menschen gezwungen seien, entweder entwürdigende Verhältnisse zu erdulden oder (unter Strafandrohung für Helfer) Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen. Die Österreichische Gesellschaft für ein Humanes Lebensende (ÖGHL) unterstützt die Anträge, Rechtsanwalt Wolfram Proksch hat die Individualanträge beim VfGH eingebracht. Österreich sei hinsichtlich Suizidzahlen im EU-Vergleich mit 40.000 dokumentierten, ernsthaften Suizidversuchen im Spitzenfeld. Das Verbot von Sterbehilfe würde viele Menschen in den verfrühten Suizid treiben. Proksch rechnet im Gespräch mit ZackZack vor: Die statistische Chance, dass ein Rechtsanwalt in seinem Leben ein Gesetz zu Fall bringe, läge nahezu bei Null. Doch in diesem Fall sei er etwas optimistischer,

„weil die Bestimmungen sehr restriktiv sind im europäischen Vergleich, und weil der VfGH auch gerne über den Tellerrand hinausschaut. Die Entscheidung des Bundesgerichts in Karlsruhe hat die liberalere Rechtslage dort noch einmal geöffnet, und dies ist in Österreich sicher nicht unbeachtet geblieben.“

Weitere Anträge

Ungerecht behandelt fühlen sich auch Verpackungshersteller bzw. -händler: das seit 1. Jänner geltende Plastiksackerlverbot stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit dar, argumentieren die Antragsteller.

Das unter Türkis-Blau beschlossene Kopftuchverbot in Volksschulen ist ebenso Thema: Unterstützt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) haben sich zwei Kinder bzw. deren Eltern an den VfGH gewandt. Sie beklagen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit. Weiters auf der Tagesordnung: Wahlanfechtungen zu den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich.

Vorverfahren bereits eingeleitet

Die Session des Verfassungsgerichtshofs ist bis 27. Juni anberaumt. Der VfGH hat in zahlreichen Verfahren bereits Vorverfahren eingeleitet. Er bat um Stellungnahmen zu den Argumenten der Antragsteller: Die Bundesregierung in Bezug auf das Covid19-Maßnahmengesetz und den Gesundheitsminister und zuständige Bezirkshauptmannschaften zu den Verordnungen.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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