Donnerstag, März 28, 2024

Nach Black Lives Matter-Protesten: Minneapolis löst Polizei auf

Minneapolis löst Polizei auf

Die Black Lives Matter-Proteste in den USA zwingen Politiker erfolgreich zum Handeln: In Minneapolis, wo George Floyd durch brutale Polizeigewalt ums Leben gekommen war, wurde nun durch den Stadtrat die Auflösung der derzeitigen Polizei beschlossen. Sie schütze die Büger nicht, daher brauche es eine andere Form von Schutz für die Gesellschaft.

Wien, 08. Juni 2020 | Nicht nur die US-Großstadt Minneapolis hat ein Problem mit Polizeigewalt und Rassismus in der Polizei. Doch als Schauplatz für den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd, zieht der Stadtrat von Minneapolis nun weitreichende Konsequenzen. Die Polizeiarbeit soll völlig neu organisiert werden, die örtliche Polizeibehörde komplett aufgelöst und eine neue, alternative Struktur für die Polizeiarbeit geschaffen werden. Die Entscheidung ist eine direkte Reaktion auf die massiven Proteste, die in den letzten zwei Wochen amerikanische Städte erobert haben. Es kann auch als großer Sieg für Aktivisten, die seit langem für die Auflösung der derzeitigen Polizei und Gefängnissen kämpfen, gewertet werden.

In dem Gremium habe Einigkeit darüber geherrscht, dass die Polizeibehörde “nicht reformierbar” sei, twitterte Alondra Cano, Mitglied des Gremiums.

Ein „neues Modell der öffentlichen Sicherheit“ solle geschaffen werden, „das unsere Gemeinde tatsächlich sicher hält“, so Lisa Bender, die Vorsitzende des Stadtrats gegenüber dem Nachrichtensender CNN. Wie und in welcher Form die bisherige Polizeibehörde ersetzt werden soll, wird im Stadtrat noch zu diskutieren sei.

Polizei schützt Gemeinden nicht

Der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, hatte sich noch am Samstag bei einer Demonstration geweigert, die Polizei abzuschaffen und wurde daraufhin von den Demonstranten unter “Geh nach Hause, Jacob!” und “Schande!” goutiert. Nun entschied der Stadtrat, die Proteste ernst zu nehmen:

“In Minneapolis und in Städten in den USA ist es klar, dass unser Polizeisystem unsere Gemeinden nicht schützt”,

sagte Lisa Bender, die Präsidentin des Stadtrats von Minneapolis.

„Unsere Bemühungen um schrittweise Reformen sind gescheitert. Unsere Verpflichtung ist es, das Notwendige zu tun, um jedes einzelne Mitglied unserer Gemeinschaft zu schützen und die Wahrheit zu sagen: dass die Polizei von Minneapolis das nicht tut. Unser Ziel ist es, die Polizeiarbeit, wie wir sie kennen, zu beenden und Systeme der öffentlichen Sicherheit wiederherzustellen, die uns tatsächlich schützen.“

Der gewaltsame Mord an Floyd löste landesweite Proteste in den USA sowie zahlreiche Demonstrationen auch in anderen Ländern gegen Polizeigewalt und Rassismus aus, unter ihnen Österreich.

Die Proteste in den USA gingen am Sonntag weiter. Sie fanden unter anderem in New York und Washington statt. Bei den Märschen durch die Metropolen war die Stimmung der Teilnehmer überwiegend gut und hatte nichts mehr mit den vereinzelten Ausschreitungen der vergangenen zwei Wochen gemein. Grund für den Stimmungswechsel dürfte sein, dass die Forderungen der Demonstranten nach Polizeireformen Gehör fanden.

New York: Geld für Schulen statt Polizei

In New York marschierten am Sonntagnachmittag mindestens ein halbes Dutzend lose organisierte Gruppen durch Manhattan. Sie trugen handgefertigte Schilder, auf denen zu lesen war: “Finanziert die Schulen, nicht die Polizei” (“Defund the Police, Fund Schools”).

Die Protestierenden waren durchwegs friedlich – und kreativ: auch am Wasser fanden sich zahlreiche Protestierende ein, wie dieser Twitter-Beitrag dokumentiert.

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio verkündete am Sonntag via Twitter vier Schritte, mit welchen er den Forderungen der Protestierenden nachkommen wolle:

Es stünden nun eine Reihe von Reformen an, um das Vertrauen zwischen den Bewohnern der Stadt und der Polizei wieder aufzubauen, so der Bürgermeister. Dafür sollen Teile des Polizeibudgets künftig in Jugend- und Sozialdienste fließen. Auch die Verfolgung von illegalen Straßenhändlern würde nicht mehr in den Händen der Polizei liegen, da die Vorschriften in der Vergangenheit oftmals zur Diskriminierung von Minderheiten missbraucht worden seien.

Während die Bemühungen in Minneapolis am radikalsten sind, haben eine Reihe anderer US-Bürgermeister und lokaler Politiker ihre Positionen zur Polizeifinanzierung geändert. Der Bürgermeister von Los Angeles sagte zum Beispiel, er werde versuchen, diese Woche bis zu 150 Millionen Dollar von der Polizei einzusparen – nur wenige Tage, nachdem er ein Stadtbudget vorangetrieben hatte, das das Polizeibudget um sieben Prozent erhöht hatte.

In Philadelphia, Baltimore, Washington DC, San Francisco und anderen Städten haben lokale Entscheidungsträger in der letzten Woche ihre Unterstützung für eine Form der Defundierung oder Ablehnung von Polizeibudgeterhöhungen zum Ausdruck gebracht.

Stärkere Kontrolle der Polizei gefordert

In Washington teilten afroamerikanische Parlamentarier der Demokraten mit, dass sie am Montag eine Gesetzesvorlage in das Repräsentantenhaus für eine stärkere Kontrolle der Polizeibehörden einbringen werden. Vorgesehen ist darin unter anderem, dass Beamte leichter juristisch für brutale Einsätze mit tödlichen Folgen verfolgt werden können. Auch sollen demnach Festhaltetechniken wie jene, die zu Floyds Tod führten, verboten werden. Auch eine Datenbank zum Fehlverhalten von Polizisten soll eingerichtet werden.

In Washington knieten am Sonntagnachmittag Social Media-Beiträgen zufolge tausende Demonstranten auf der Straße vor dem Weißen Haus und skandierten “Ich kann nicht atmen.” Am neu errichteten Zaun um den Regierungssitz des US-Präsidenten Donald Trump wurden von Demonstranten Schilder angebracht, auf denen unter anderem zu lesen stand: “Black Lives Matter” und “Keine Gerechtigkeit, kein Frieden” (“No Justice, No Peace”)

Trump und Biden im Präsidentschaftswahlkampf

Trump wollte am Montag im Weißen Haus mit Polizei und Sicherheitskräften sprechen, sein Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl Joe Biden hingegen hat andere Pläne. Einen Tag vor der Beerdigung des Afroamerikaners im texanischen Houston will Biden die Angehörigen zu einem Gespräch treffen, berichteten mehrere US-Medien übereinstimmend. Biden werde aber am Dienstag nicht selbst an der Beerdigung teilnehmen.

(lb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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