Mathe-Noten bei Zentralmatura
Die Ergebnisse der heurigen AHS-Mathe-Zentralmatura stehen fest: jeder zehnte Schüler bekam einen Fünfer! Der Vergleich mit den Vorjahren macht einen seltsamen Zweijahres-Rhythmus sichtbar: In geraden Jahren erhält jeder fünfte Schüler ein „Nicht genügend“, in ungeraden Jahren nur rund jeder zehnte. Das Ministerium hat keine Antworten.
Wien, 11. Juni 2020 | Die Klausuren bei der Mathematik-Zentralmatura sind heuer an den AHS deutlich schlechter als 2019 ausgefallen, an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) etwas besser.
Anteil Schüler mit „Nicht genügend“ in Prozent 2016 bis 2020, AHS und BHS. Klicken, um zur Großansicht zu wechseln. Grafik: APA
An den AHS haben laut vorläufigem Auswertungsstand 21 Prozent (2019: 11) einen Fünfer bekommen, an den BHS 14 Prozent (2019: 16). Da heuer auch die Zeugnisnote in die Maturanote einfließt, sinkt die Fünferquote.
Alle zwei Jahre 20 Prozent mit “Nicht genügend”
An den AHS haben bisher rund 70 Prozent der Schulen die Ergebnisse rückgemeldet, an den BHS knapp die Hälfte. Was die AHS betrifft, gibt es bei den Klausurnoten einen auffälligen Zweijahres-Rhythmus: 2016, 2018 und 2020 haben jeweils mehr als 20 Prozent ein “Nicht genügend” kassiert, in den Jahren dazwischen nur etwas mehr als zehn Prozent.
Nächstes Jahr kommt zur #Mathematik-Matura sicher folgendes Beispiel: Welche Funktion beschreibt die Entwicklung an Nicht Genügend am besten? pic.twitter.com/vPEBGjCdnT
— Georg Hanisch (@GeorgHanisch) June 9, 2020
An den BHS ist es anders: Dort gab es bis auf einen starken “Ausreißer” 2017 (neun Prozent) und einen leichten 2018 (19 Prozent) wesentlich stabilere Quoten um die 15 Prozent.
Bildungsministerium hat keine Antworten
Bis ein Mathe-Beispiel für die Zentralmatura zugelassen wird, durchläuft es einen langen Prozess: Zuerst erstellen eigens geschulte Lehrer die Aufgabe, die dann von Didaktikern und Testtheoretikern geprüft wird. Dann erst wird sie den Schülern zum Feldtest vorgelegt (zum Beispiel „versteckt“ bei Schularbeiten). Mittels dieses Aufwands sollte eigentlich sichergestellt werden, dass der Schwierigkeitsgrad der Mathematikmatura angemessen – und insbesondere von Jahr zu Jahr vergleichbar ist. Und dennoch haben sich die Verantwortlichen hier offensichtlich verrechnet. Mit schwerwiegenden Folgen, immerhin geht es hier um die Existenzen einzelner Schüler, deren Sommerferien und weiteren Bildungsweg.
Der seltsame Zweijahresrhythmus müsse nun analysiert werden, so Andreas Thaller, der für die Matura zuständige Sektionschef im Bildungsministerium:
“Wir müssen gemeinsam mit Praktikern schauen, was die Ursachen dafür sind. Im BHS-Bereich haben wir das besser im Griff.”
Faßmann: „Es ist eine politische Entscheidung“
ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann rechtfertigte im “Standard”-Interview die damalige Wiedereinführung des Notensystems in der Volksschule damit, dass dies eine politische Entscheidung sei:
“Es ist eine politische Entscheidung, wie vieles, was ich entscheiden muss. Nicht hinter jeder Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung”,
so der Bildungsminister gegenüber der Tageszeitung im Oktober 2018. Auf wissenschaftliche Fundierung wird offensichtlich nicht immer Wert gelegt im Bildungsministerium, wie auch anhand des zunächst verordneten Turnverbots für Österreichs Schülerinnen und Schüler sichtbar wurde: Entgegen wissenschaftlicher Evidenz entschied sich der Minister, sein „Humankapital“ nur geistig aktiv beschäftigt zu halten.
Werden die Matura-Beispiele ebenso willkürlich getroffen? Ein Jahr lang so, dann beschweren sich die Eltern und Schüler, dann im nächsten Jahr wieder anders?
(lb/apa)
Titelbild: APA Picturedesk