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Tödlicher Konflikt im Himalaja – Interview mit Prof. Heinz Gärtner über Indien vs. China

Interview mit Prof. Heinz Gärtner über Indien vs. China

Am Dienstag gab es tödliche Opfer im indisch-chinesischen Grenzkonflikt: Soldaten beider Seiten hatten sich mit Steinen beworfen und geprügelt. Zu Tode. Bahnt sich ein größerer Konflikt oder gar Krieg der Milliardenländer an? ZackZack hat den Experten Heinz Gärtner, Professor für Internationale Politik, interviewt.

Wien, 21. Juni 2020 |

Univ.-Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Professor für Politikwissenschaft und einer der profiliertesten Experten für internationale Politik in Österreich. Seine Expertise hat ihn unter anderen an die Universitäten Wien, Stanford (Kalifornien), Johns Hopkins (Washington D.C.), das International Institute for Peace in Wien geführt. Er war jahrelang wissenschaftlicher Direktor des renommierten Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip).

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ZackZack: Herr Gärtner, in der Kaschmir-Grenzregion hat es tödliche Zusammenstöße zwischen Soldaten der beiden Milliarden-Einwohner-Länder Indien und China gegeben. Die indische Presse rührt die nationalistische Trommel, während China Schuld von sich weist und sich die regierungsnahen Medien Pekings eher bedeckt halten. Wie ist der Konflikt einzuordnen? Könnte er Teil einer längeren und größeren Auseinandersetzung werden?

Heinz Gärtner: Nein! Der Konflikt ist alt. Es gab 1962 bereits einen kurzen Krieg. Seit 2013 standen beide Seiten vier Mal kurz davor. Die 3000 km lange Grenze zwischen beiden Seiten ist nicht demarkiert und hat keine klaren geographischen Merkmale. Es kommt zu regelmäßigen Grenzübertretungen. Es gibt aber eine Reihe von unklaren Besitzansprüchen wie die Aksai Chin-Gegend. China baut seit 1956 eine Straße durch das Gebiet. Indien begann nun selbst eine Straße zu bauen. Indien beansprucht auch Territorium, das 1963 von Pakistan an China abgetreten wurde.

Einige Beobachter meinen, dass die Kampfhandlungen eine Reaktion Chinas auf die Beendigung der Autonomie Kaschmirs durch Indien war. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass China auf dieses größere Thema so unprofessionell reagiert. Noch unwahrscheinlicher ist, dass beide Seiten mit diesem lokalen Konflikt, bei dem kein Schuss gefallen sein soll, das jeweilige militärische Kräfteverhältnis ändern wollten. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die permanenten Spannungen zu Überreaktionen bei den lokalen Streitkräften führten.

ZackZack: China bezeichnet die Nicht-Nennung von chinesischen Opferzahlen als „Akt des guten Willens“. Ist das die neue chinesische Linie: in der Kommunikation das Zuckerbrot, auf dem Feld die Peitsche?

Heinz Gärtner: Chinas offizielle Reaktion war eher zurückhaltend. Es spricht einiges dafür, dass die Führung in Peking den Konflikt herunterspielen will und dass es auch nicht zugeben will, dass ihre Soldaten vielleicht unaufmerksam waren. Der indische Premierminister Modi deeskaliert ebenfalls, indem er sagte, dass chinesische Truppen nicht auf indisches Territorium vorgedrungen seien. Auch er will nicht zugeben, dass die indischen Soldaten überrannt worden seien. In der indischen Bevölkerung gab es indes schärfere Reaktionen; es gab eine Reihe von Boykottaufrufen für chinesische Produkte.

ZackZack: Die USA dürften den Konflikt ganz genau verfolgen. Welche Interessen hat Trump in der Region? Immerhin gilt Indien als Verbündeter der USA im Kampf um geopolitische Vorherrschaft.

Heinz Gärtner: Für Trump ist dieser Konflikt zu klein, obschon er „Vermittlung“ angeboten hat. Natürlich ist sein Verhältnis zu Indien besser als das zu China. Die USA wollen aber auch vermeiden, dass eine zu starke pro-indische Haltung den Verbündeten Chinas Pakistan verschrecken könnte, mit dem die USA auch gute Beziehungen pflegen.

ZackZack: China hat sich im Angesicht der Corona-Krise als großer Gönner hervorgetan. Auch in Österreich wurden die groß inszenierten Masken-Hilfen meist wohlwollend aufgegriffen. Welche Interessen verfolgt China in Wien?

Heinz Gärtner: China hat tatsächlich vielen europäischen Ländern, insbesondere Italien, Hilfe angeboten. Das Angebot kam viel schneller als das der Europäischen Union selbst, ganz zu schweigen von den USA. Diese Eile ist teilweise daneben gegangen, weil sich ein Teil der angebotenen Masken als unzureichend herausgestellt hat.

Unterhalb der politischen Ebene haben chinesische Wissenschaftler den westlichen Kollegen Kooperation angeboten, die für die Bekämpfung des Virus unerlässlich ist. China hat frühe Erfahrungen mit dem Virus gemacht und spezifische Erkenntnisse gewonnen. Vielfach findet diese notwendige wissenschaftliche Kooperation auch statt. Gesundheit ist unteilbar. Natürlich geben chinesische Forscher nicht alle Informationen preis – aber die westlichen auch nicht.

ZackZack: Herr Gärtner, vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Benjamin Weiser.

Titelbild: APA Picturedesk

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