Freitag, April 19, 2024

Der Kanzler im Ibiza-Ausschuss: Kurz und die CASAG

Der Kanzler im Ibiza-Ausschuss:

Am Mittwoch ist Sebastian Kurz im Ibiza-Untersuchungsausschuss geladen. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, was die Strategie des Kanzlers sein wird: Kann mich nicht erinnern, war nicht dabei. ZackZack schickt Kurz schon einmal eine Gedächtnisstütze.

Wien, 23. Juni 2020 | Allgemeinplätze und Erinnerungslücken. Sie werden – kurz gefasst – die Befragung von Sebastian Kurz im Ibiza-Untersuchungsausschuss prägen. Kurz ist, anders als die ebenfalls am Mittwoch geladenen Thomas Schmid und Hartwig Löger, nicht Beschuldigter in einem Verfahren. Er kann sich deshalb nicht entschlagen und steht unter Wahrheitspflicht. Folglich muss Kurz vermeiden, dass man ihn bei einer Lüge ertappt.

Sebastian Kurz bringt man nicht mit Fragen aus dem Konzept, auf die er mit allgemeinem Geschwurbel antworten kann. Der Kanzler muss nur eines fürchten: Konkretisierung. So kann man Kurz‘ wahrscheinliche Strategie (Ich war nirgends dabei, kann mich nicht erinnern…) unterlaufen.

Das geht, indem man Kurz konkrete Beweise vorhält. Dreh- und Angelpunkt des Ausschusses ist, trotz allen Getöses um das Ibiza-Video, die Casinos-Affäre. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Bestechung und Bestechlichkeit. Es geht um die Frage: Kann man sich in Österreich Gesetze kaufen? Die ÖVP hat es bisher geschafft, die Affäre als FPÖ-Skandal darzustellen. Dabei gibt es viele Spuren bis hin zu Sebastian Kurz selbst:

Ab Frühjahr 2018 schaltete sich Kurz unmittelbar in die Vorgänge bei der CASAG ein. Das Unternehmen ist Teil eines türkisblauen Deals, der durch Chatnachrichten Straches bekannt wurde. Ein Verhandler bestätigte ZackZack: „Wir haben uns schnell geeinigt, auf den Schlüssel 2:1, je nachdem wem das Ministerium gehört. Also: Wo die Türkisen regieren, bekommt die FPÖ ein Drittel der Vorstände und Aufsichtsräte, und umgekehrt.“

Der tschechische Mehrheitsaktionär Sazka stört dabei, doch: Sazka will seine Anteile nicht verkaufen.

Am 12. Februar 2018 fragt Novomatic-Chef Harald Neumann bei Thomas Schmid, ÖVP-Generalsekträr im Finanzministerium nach, ob SK (Sebastian Kurz, Anm.) oder GB (Gernot Blümel, Anm.) bereits eine Entscheidung getroffen hätten.

Im Juni 2018 steht die Bestellung eines neuen Aufsichtsrats an. Der tschechische Mehrheitsaktionär Sazka beißt bei Finanzminister Löger und Öbib (der Vorgängerorganisation der Öbag) mit seinen Wünschen auf Granit. Die ÖVP hat eigene Pläne, braucht dafür aber die Stimmen der Novomatic.

Karel Komarek, Besitzer der Sazka-Group schreibt Kurz am 13. Juni 2018 einen Brief. Er will den Kanzler treffen und die Sache besprechen.

Kurz schreibt zwei Tage später zurück: Leider habe er wegen der EU-Ratspräsidentschaft keine Zeit. Außerdem sei die Besetzung des Aufsichtsrats beschlossene Sache: Für die Republik sei „die Wahl eines neuen CASAG-Aufsichtsrats von allergrößter Bedeutung, weil die kommende Phase der Reorientierung entscheidend für die Zukunft des Unternehmens sein wird.“

Unterschrift: Kurz, Blümel, Löger

Am 20. Juni kommt es zu einer Kampfabstimmung. Die Republik und Novomatic stimmen Sazka nieder und erhalten so Kontrolle über den Aufsichtsrat.

Dann kümmert sich die ÖVP um die Neubesetzung des Casinos-Vorstands: Kurz‘ Stellvertreterin an der Spitze der ÖVP soll Vorstandsvorsitzende werden. Dazu notiert der Aufsichtsratsvorsitzende Walter Rothensteiner (ÖVP): „Pröll (gemeint ist CASAG-Aufsichtsratsmitglied und Ex-Vizekanzler Josef Pröll) redet mit Kurz. Keine öffentliche Ausschreibung.“ Glatz-Kremsner ist also zu diesem Zeitpunkt schon fix.

In seiner Zeugeneinvernahme sagte Casinos-Vorstand Alexander Labak, Glatz-Kremsner hätte für ihre Einsetzung im Vorstand die persönliche Unterstützung von Sebastian Kurz genossen.

Bei den Casinos, die angeblich eine FPÖ-Affäre sind, sieht die Struktur also so aus:

Oberster Eigentümervertreter der Staatsanteile: Hartwig Löger als ÖVP-Finanzminister

Aufsichtsratschef: Walter Rothensteiner (ÖVP)

Vorstandschefin: Bettina Glatz-Kremsner (ÖVP)

Am 08. Februar 2019 schreibt Harald Neumann eine Nachricht an Thomas Schmid: Es geht um die CASAG und ein „Meeting mit Seb“.

Der zweite Vorstand neben Glatz-Kremsner soll laut Postenschacher-Vereinbarung mit der FPÖ Peter Sidlo werden. Die Sazka hält Sidlo für ungeeignet, doch wieder machen ÖVP und Novomatic gemeinsame Sache und drohen, die Tschechen zu überstimmen. Harald Neumann schreibt am 27. März 2019 an Sazka-Vertreter Robert Chvatal: „Walter (Rothensteiner, Anm.) hat klar gemacht, dass die Regierung wünscht, dass Sidlo ernannt wird.“

Um den neuen Vorstand einzusetzen, mussten die Verträge mit den bisherigen Vorständen, Alexander Labak und Dietmar Hoscher vorzeitig gekündigt werden. Dadurch fielen für die CASAG Vertragsstrafen in Millionenhöhe an.

In seiner Einvernahme macht Alexander Labak klar, dass Kurz persönlich darauf drängte, Peter Sidlo im Casinos-Vorstand durchzusetzen. Nur unter dieser Bedingung war schließlich die FPÖ bereit, Thomas Schmid als Öbag-Vorstand zuzustimmen und Türkis damit den Schlüssel zum Familiensilber der Republik in die Hand zu geben.

Nichts gewusst, nirgends dabei? Diese Strategie darf nicht aufgehen.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

Redaktion
Redaktion
Die ZackZack Redaktion
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!