Donnerstag, April 25, 2024

Skandal um ISP: Ministerien und Vereine – Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich

Der Ibiza-U-Ausschuss befasst sich auch mit Vereinen, die im Verdacht stehen, ein Vehikel für illegale Parteienfinanzierung zu sein. Die Diskussion jetzt auch auf ministerielle Kooperationen mit Top-Instituten zu lenken, ist unredlich – und falsch. Eine Analyse.

Wien, 23. Juni 2020 | Durch ein Ablenkungsmanöver von Johann Gudenus rund um das „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISP) gibt es seit gestern eine neue Richtung in der Debatte um Vereine, Institute und deren Tätigkeit im politiknahen Umfeld. In dieser geht es nicht um das eigentliche Problem: den Verdacht illegaler Parteienfinanzierung über als Forschungseinrichtung getarnte Vereine.

Kooperationen unter Generalverdacht

Mehrere Medien berichten aktuell über Kooperationen von Ministerien mit Forschungsinstituten. Letzteren wird aufgrund ihrer Gründungsgeschichte und Abgeordneten in ehrenamtlicher Beratungsfunktion Parteinähe nachgesagt. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) will nun prüfen.

Ein genaueres Hinsehen lohnt sich, damit die Überprüfung nicht aus politischen Gründen wichtige wissenschaftliche Forschung gefährdet und die eigentliche Frage nach illegalen Parteispenden verwässert. ZackZack zeigt, um wen es geht, warum Kooperationen wichtig sind – und warum das „ISP“ von FPÖ-Mann Markus Tschank mit Top-Instituten wohl so gut wie nichts gemein hat.

Warum das “ISP” ein Sonderfall ist

Der Grund, warum das Thema überhaupt aufgekommen ist, heißt „Ibiza“. Dass die unter Beschuss Geratenen jetzt versuchen, die Geschichte zu verwässern, liegt auf der Hand. Strache und Gudenus haben im Video Äußerungen getätigt, die nahelegen, dass über Vereine Parteispenden geschleust werden könnten. Ein Institut, das im Verdacht steht, genau dafür gegründet worden zu sein, ist unter anderen das „ISP“ von Markus Tschank, der als Beschuldigter geführt wird. Es gilt die Unschuldsvermutung. Tschank verteidigt sein Institut und betonte Ende letzten Jahres gegenüber ZackZack die „umfangreiche Leistungsbeschreibung“.

Worin die Forschungsleistung besteht, ist allerdings nicht so gut nachvollziehbar. So schreibt ORF-Journalist Martin Thür auf seinem Blog: „Russland-Experte Gerhard Mangott nennt das ISP gegenüber dem „profil“ einen „besseren Blog, der analytische Beiträge von anderen Einrichtungen online stellt.“ Von einem echten wissenschaftlichen Thinktank könne keine Rede sein.“ Dass Obmann Tschank offenbar 30.000 Euro vom „ISP“ bekommt, für einen Schreibtisch im eigenen Anwaltsbüro, ist dabei nur ein skurriles Detail.

Im Ibiza-U-Ausschuss entschlug sich Markus Tschank mehrfach seiner Aussage. Dass so einiges Seltsames zum „ISP“ auf dem Tisch liegt, daran gibt es keinen Zweifel. Stephanie Krisper (NEOS) legte beispielsweise Rechnungen eines ISP-Seminares vor. Ort: ein Luxushotel. Was dieses Luxushotel nicht hatte? Einen Seminarraum.

Auch die bekannten Vorwürfe zu Parteispenden über Vereine wurden thematisiert: Hat man Spender aufgefordert, nicht an die Partei, sondern an Vereine zu spenden? Auch hier entschlug sich Tschank einer Antwort. Klar ist: das „ISP“ erhielt 200.000 Euro von der Novomatic, über welche Strache im Video sagte: „Die Novomatic zahlt alle“. Die Zusammenhänge und Verdachtsmomente gehören aufgeklärt – politisch wie rechtlich. Selbst und gerade dann, wenn das “ISP” wirklich Forschungsarbeit leisten sollte. Immerhin sind namhafte Expertinnen und Experten auf der Website gelistet, man hat mehrere Veranstaltungen abgehalten.

Es geht auch anders: Renommierte Institute im Fokus

Fakt ist: Ministerien sind auf wissenschaftliche Erkenntnis angewiesen. Diese gibt es beim Verteidigungsministerium auch „inhouse“. Die Landesverteidigungsakademie berät das Ministerium strategisch und wissenschaftlich, bietet Lehrgänge auf hohem Niveau an. Im eigenen Haus Forschung zu betreiben, hat aber nicht nur Vorteile: die Gefahr lautet „institutionelle Blindheit“. Deshalb holt sich das Verteidigungsministerium auch Expertise von außen. Zwei Beispiele:

Österreichisches Institut für Internationale Politik (oiip)

Das „oiip“ ist eines der renommiertesten Institute im Bereich der internationalen Politik. 1979 gegründet, fühlt es sich der kritischen Grundlagenforschung, Beratung, Vernetzung und des Dialogs verpflichtet. Das „oiip“ hat mehrere Schwerpunkte und ist in vielen Bereichen (z.B. Grenzpolitik, Gender & Sicherheit, De-Radikalisierung) österreichweit führend. Wegen seines Gründervaters Bruno Kreisky wird es im Zuge der Diskussion pauschal als SPÖ-nah bezeichnet. Dagegen wehrt sich das “oiip”. Die wissenschaftliche Tätigkeit geht, angeführt von der Professorin und wissenschaftlichen Direktorin Saskia Stachowitsch, von unabhängigen Expertinnen und Experten aus, die in Forschung und Lehre auf Top-Niveau angesiedelt sind.

Partei- bzw. Ex-Politikerinnen sind ehrenamtlich im Vorstand, der u.a. den ehemaligen SPÖ-Innenminister und oiip-Präsidenten Caspar Einem, Ex-Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne Abgeordnete), Alev Korun (Ex-Grüne Abgeordnete) oder Helmut Brandstätter (NEOS) umfasst und alles ist – nur nicht aus dem Pool einer einzigen Partei zusammengesetzt. Zudem gibt es einen wissenschaftlichen Beirat, der Top-Leute aus Wissenschaft und Forschung aus der ganzen Welt vereint.

Der stellvertretende wissenschaftliche Direktor, Cengiz Günay, sagt gegenüber ZackZack:

“Zu den Kooperationen mit Ministerien: Grundsätzlich sind aufgrund der Einsparungen immer mehr Ministerien auf Zusammenarbeit mit externen ExpertInnen und Institutionen  dringend angewiesen. Eine unserer Aufgaben ist, aus der Grundlagenforschung heraus abzuleiten, was für Entscheidungsträgerinnen und –träger relevant sein könnte. Dabei ist zu sagen, dass die Zusammenarbeit mit dem BMLV sehr positiv und professionell ist – das BMLV ist ein offenes Ministerium, das sich externe Expertise holt und zwar ungeachtet der jeweiligen politischen Führung des Hauses. Andere Ministerien sind hier weit verschlossener. Im Übrigen ist es international gang und gäbe, dass diese Art von Forschungskooperationen mit inländischen Forschungseinrichtungen existieren. Auch Think Tanks, die starke Parteinähe aufweisen oder sich den Idealen einer Partei verpflichtet fühlen, sind nicht automatisch verwerflich. In Deutschland gibt es das Beispiel der Parteistiftungen, die auch wichtige Arbeit leisten.”

Zur Diskussion um mögliche Parteinähe sagt Günay:

„Unser Vorstand ist breit besetzt, nahezu alle Parlamentsparteien sind vertreten. Die Forschung betreiben aber unabhängige Expertinnen und Experten, die parallel auch auf der Universität in Forschung und Lehre tätig und anerkannt sind. Wir sind in keiner Weise durch die SPÖ oder eine andere Partei finanziert und auch kein Think Tank der SPÖ. Selbst in Zeiten, in denen die SPÖ an der Macht war, war es für uns immer schwierig, finanziell zu überleben.“

Austria Institut für Europäische und Sicherheitspolitik (AIES)

Auch das „AIES“ bietet Analysen und Beratung auf hohem Niveau, konzentriert sich dabei aber vor allem auf Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im EU-Kontext. Wie auch beim „oiip“ ist dabei die europäische Nachbarschaftspolitik (Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika) ein regionaler Fokus, man konzentriert sich zudem auf die transatlantischen Beziehungen. Dem „AIES“ wird ÖVP-Nähe nachgesagt, nicht zuletzt, weil es zumindest geographisch auch so ist: das Institut ist in unmittelbarer Nähe zur ÖVP-Akademie angesiedelt. Werner Fasslabend (Ex-ÖVP-Minister), der auch im oiip-Vorstand fungiert, ist Präsident, Reinhold Lopatka (Ex-ÖVP-Klubobmann) Projektmanager. Ist deshalb ein Generalverdacht gerechtfertigt?

Das Institut versammelt renommierte Forscherinnen und Forscher, Botschafter und zahlreiche Ex-Praktikerinnen aus Militär, NGOs und Politik.

Institutsleiterin Velina Tchakarova sagt zu ZackZack:

Das AIES ist ein überparteiliches und parteiunabhängiges Institut, das mit Ministerien, öffentlichen Instituten, Nichtregierungsorganisationen sowie Angehörigen und Vertretern aller österreichischen Parteien zusammenarbeitet. Die Zugehörigkeit zu einer (oder bestimmten) politischen Partei war und ist nie Gegenstand der Zugehörigkeit zum Institut, dessen Kooperationsbereitschaft oder Grundlage zur Aufnahme als Mitglied, Mitarbeiter oder Teilnehmer an den Aktivitäten des Instituts.“

Zur Kooperation mit dem Verteidigungsministerium stellt sie klar:

„Der Mehrwert des AIES für das Verteidigungsministerium entsteht aus Leistungen, die vom BMLV strukturbedingt nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten erbracht werden könnten. Das AIES als Kooperationsinstitut bringt unterschiedliche Blickwinkel und eine ganzheitliche Perspektive auf komplexe sicherheitspolitische Themenstellungen zur vollen Entfaltung.“

Finanzierung von unabhängiger Forschung als Dauerproblem

Durch die Kooperation mit Ministerien bekommen Forschungsinstitute Geld. Geld, das sie dringend brauchen, denn die Antragstellung via Projektfinanzierung (z.B. von Stiftungen oder der EU) kostet Zeit, die dann für die Forschung selbst fehlt – und sie bringt zu wenig, um die Institute langfristig am Leben zu halten. Die Projekte haben meist einen sehr kurzen Zeitrahmen, sodass es häufig vorkommt, dass sich Antragbewilligung mit der Stellung neuer Anträge überlappt. Die Forschung leidet, die Belegschaft ist dauerprekär beschäftigt.

Diese Art von Unterfinanzierung ist seit Jahren ein Problem, gerade für außeruniversitäre Einrichtungen. Cengiz Günay vom “oiip” meint, dass sich die außeruniversitäre Forschung generell in einer prekären Lage befindet. Förderungen und Gelder seien vor allem auf Universitäten zugeschnitten. Außerdem fehle es an Basisfinanzierungen.

Wenn Institute und Ministerien Kooperationen eingehen, muss Unabhängigkeit der Forschung und ihrer Ergebnisse gesichert sein.

Institute wie das „oiip“ oder das „AIES“ auch nur in die Nähe verdächtiger Vereine zu rücken, ist unredlich – und entbehrt jeder Grundlage. Wer will, dass Österreich nicht den Anschluss an Spitzenforschung verliert, sollte fähig zur Differenzierung sein, wissenschaftliche Unterfinanzierung beenden und renommierte Institute stärken, anstatt sie pauschal zu verdächtigen. Diejenigen Institute hingegen, deren Verdachtsmomente auf Parteivehikel-Dasein nicht ausgeräumt oder gar erhärtet wurde, müssen untersucht werden. Damit der Wissenschaftsstandort Österreich keinen Schaden nimmt.

Benjamin Weiser

Titelbild: APA Picturedesk

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