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Duda bei Populistentreff in USA – Vor Schicksalswahl in Polen

Vor Schicksalswahl in Polen

Am Sonntag sind Präsidentschaftswahlen im tief gespaltenen Polen. Kritiker sehen sie als letzte Chance zur Rettung der Demokratie. Amtsinhaber Duda steht überraschend unter Druck, da kann es nicht schaden, die in Polen beliebten USA zu besuchen.

Wien, 25. Juni 2020 | Dass sich mit Andrzej Duda und Donald Trump Staatsoberhäupter zweier NATO-Staaten treffen, ist an und für sich keine große Meldung. Doch stehen beide innenpolitisch unter Druck, sie könnten bei den jeweils anstehenden Präsidentschaftswahlen (in Polen am kommenden Sonntag, in den USA am 3. November, Red.) unter die Räder kommen.

Da ist ein Staatsbesuch willkommene Gelegenheit zur beidseitigen Inszenierung. Bei der gestrigen Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses war sich Trump jedenfalls sicher, dass sein polnischer Kollege die Wahl gewinnt:

“Ich glaube, er hat eine Wahl vor sich, und ich glaube, er wird sehr erfolgreich sein.”

Da weiß der US-Präsident jedenfalls mehr als die Demoskopen.

Zweckoptimismus auf allen Seiten

Man hüte sich vor Schnellschüssen, siehe US-Wahlen 2016, doch die Umfragewerte sind für Duda nicht so eindeutig wie in den letzten Jahren. Wie auch in den USA hängt das Ergebnis aber nicht nur von den Amtsinhabern ab: in Polen ist die Opposition, die sich als gemäßigter Gegenpol in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung positioniert, überraschend im Aufwind.

Duda, der von der rechtsnationalen Regierungspartei PiS nominiert ist, steht zwar bei rund 40 Prozent, dürfte also am Sonntag locker in die Stichwahl kommen. Doch was passiert dann? Sein stärkster Kontrahent, Warschaus konservativ-liberaler Bürgermeister Rafal Trzaskowski von der Bürgerplattform PO, liegt bei etwa 30 Prozent und ist den anderen Konkurrent von links wie rechtsaußen weit voraus.

Ausgerechnet in der regierungsloyalen Tageszeitung “Rzeczpospolita” erschien ein Kommentar, in dem es hieß, Duda suche mit dem US-Besuch “verzweifelt nach einem triumphalen” Wahlkampfabschluss.

Aber auch die Opposition ist trotz des ungeahnten Aufwinds nervös: gewinnt Duda erneut, könnte er sich in den kommenden Jahren die präsidialen Befugnisse weiter ausbauen und die Macht der PiS zementieren. Duda war in der Vergangenheit immer wieder hart dafür kritisiert worden, dass er Angriffe auf Justiz, Opposition, Medien und Minderheiten nicht unterbunden und umstrittene Gesetze zur Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit trotz Mahnungen aus sämtlichen EU-Staaten unterschrieben hatte. In der deutschen „FAZ“ wird ein polnischer Soziologe zitiert, der selbst bei einem Sieg der Opposition Zweifel an Veränderung hegt:

„Zum ersten Mal seit 1989 haben viele Bürger Zweifel, ob die regierende Partei eine Wahlniederlage akzeptieren und tatsächlich die Macht abgeben würde.“

Klassiker NATO-Liebe

Was in Polen immer geht, ist Lob für US-Militärpräsenz in Europa – zu präsent ist die Wahrnehmung, Russland lauere Polen quasi immer noch auf und warte nur auf einen Truppenabzug der USA. Ganz unbegründet ist die historisch gewachsene Angst der Polen gegenüber Russland nicht: es gibt immer wieder Reibungen und Provokationen, jedoch von beiden Seiten. Es scheint, als bräuchten einige Akteure die alte Polarisierung, anstatt sie mit Diplomatie abzukühlen, obwohl die PiS unter vorgehaltener Hand bessere Beziehungen zu Russland pflegt als sie zugeben würde. Duda betonte jedenfalls bei seinem Trump-Besuch:

“Ich habe mich mit der Bitte an Präsident (Trump) gewandt, keine Truppen aus Europa abzuziehen, da Europas Sicherheit wichtig für mich ist.”

Die amerikanische Militärpräsenz habe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Europas Sicherheit garantiert. Wenn irgendein Teil der US-Truppen von dort abgezogen werde, sei diese gefährdet.

Die Wahlkampf-PR ist aber nicht ohne Fundierung: Trump hatte kürzlich angekündigt, er wolle die Zahl der US-Soldaten in Deutschland um rund 10.000 reduzieren. Das löste Angst aus. In der gemeinsamen Pressekonferenz mit Duda kündigte der US-Präsident nun an, er wolle nach dem geplanten Abzug seiner Soldaten aus Deutschland die US-Truppen in Polen verstärken. Polnischen Angaben zufolge sind in Polen derzeit rund 5000 US-Soldaten stationiert, jetzt werden es wohl mehr.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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