ÖVP-Tanner lernt VdB kennen
Die ÖVP-Ministerin Klaudia Tanner ist nach harter Kritik an ihren Heeresreformplänen innerhalb von 24 Stunden zurückggerudert. Mitgrund: Ein Rapport beim Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.
Wien, 25. Juni 2020 | Große Aufregung, als das Verteidigungsministerium in einem Hintergrundgespräch ankündigte, dass die militärische Landesverteidigung kein Schwerpunkt des Bundesheeres mehr sein werde. Stattdessen sollen Cyberdefence und Katastrophenschutz im Vordergrund stehen. Auch Kasernenschließungen und Entlassungen wurden in Aussicht gestellt.
Militärische Landesverteidigung per Verfassung gesichert
Die militärische Landesverteidigung ist per Bundes-Verfassungsgesetz allerdings festgehalten unter Punkt 9a. (2):
„Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung.“
Die Opposition schäumte und warf der Verteidigungsministerin Verfassungsbruch vor, aber auch ein geplantes Ablenkungsmanöver wegen der am selben Tag stattfindenden Befragung des Bundeskanzlers im Ibiza-U-Ausschuss.
Zu allem Überfluss informierte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) den Oberbefehlshaber, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, nicht über ihr Vorhaben.
Das führte dazu, dass Tanner beim Bundespräsidenten gestern um 14:00 Uhr zum Rapport geladen wurde. Laut “Standard” soll der sonst so ruhige Van der Bellen „stinksauer“ gewesen sein. Auf Twitter ließ der Bundespräsident ausrichten:
„Bundespräsident und Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen hat heute Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zu sich gebeten, um sich umfassend von ihren Vorhaben berichten zu lassen. Das Gespräch war – wie üblich – vertraulich. Vereinbart wurde, künftig einen intensiveren Informationsaustausch zu pflegen.“
Innerhalb von 24 Stunden wieder verworfen
Die Pläne Tanners wurden innerhalb von weniger als 24 Stunden wieder über den Haufen geworfen. Die Opposition wittert indes eine Eintagsfliegen-Aktion Tanners und ein simples Ablenkungsmanöver zum Ibiza-U-Ausschuss, der für die ÖVP auch nach der Kurz-Befragung unangenehm bleiben dürfte. Nach dem Gespräch mit dem Bundespräsidenten titulierte die Verteidigungsministerin ihre Pläne als: “Startschuss für einen Prozess zur Weiterentwicklung des Bundesheeres”.
Die Opposition will das Verhalten Tanners jedenfalls nicht durchgehen lassen. Eigentlich beschloss das Parlament im vergangenen Sommer ein Bekenntnis, dem Bundesheer mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Tanners Pläne würden nun grundlegendste Veränderungen beim Militär am Parlament vorbei vornehmen. Die Wehrsprecher von SPÖ, FPÖ und NEOS, Robert Laimer, Reinhard Bösch und Douglas Hoyos, werden am Freitag dazu eine gemeinsame Pressekonferenz abgeben. Die FPÖ fordert mittlerweile ein Abrüsten der Ministerin aus dem Verteidigungsministerium: sie soll zurücktreten.
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk