Freitag, März 29, 2024

Caritas, Volkshilfe, Hilfswerk: Regierung zum Handeln aufgefordert

Regierung zum Handeln aufgefordert

Österreich sieht sich mit der größten Rezession und der größten Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Während Wirtschaftshilfen für Unternehmen breit diskutiert werden, stehen Maßnahmen für Soziales hintan. Immer mehr Stimmen fordern die Regierung zum Handeln auf – von Arbeitslosengelderhöhung bis zur Sozialmilliarde melden sich nun auch die großen Sozialträger zu Wort.

Wien, 26. Juni 2020 | Österreichs Arbeitslosigkeit wird laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WiFo) in den kommenden vier Jahren nicht mehr auf das Niveau vor Corona zurückfinden. Das wird negative Auswirkungen auf die Langzeitarbeitslosigkeit und auf die Armutsgefährdung zahlreicher Österreicher haben. Abgesehen davon, dass Arbeitslose schnell wieder in Beschäftigungsverhältnisse gebracht werden müssen, müssen auch jene, die auf längere Sicht arbeitslos bleiben, ein Auslangen finden können.

Nach Katzian: auch Caritas-Landau macht Druck

Denn – darauf machte unter anderem ÖGB-Chef Wolfgang Katzian aufmerksam – es können nur so viele Menschen Arbeit finden, wie es auch Arbeitsplätze gibt. Nun fordert auch Caritas-Chef Michael Landau die Regierung zum Handeln auf.

„Es gibt gute, soziale Gründe auf das Wirtschaftliche im Land zu achten, aber es gibt auch gute wirtschaftliche Gründe, sozialem Denken Raum zu geben.“

Der Caritas-Präsident machte im Ö1-Wirtschaftsjournal am Freitag auf die prekäre Lage vieler Österreicher insbesondere auf Grund der Corona-Krise aufmerksam. Die Zahl der Hilfesuchenden habe sich in manchen Regionen verdreifacht, es kämen Menschen zu Hilfseinrichtungen der Caritas, die nie gedacht hätten, dass sie das je brauchen würden. Der Sozialstaat, den Österreich über Jahrzehnte entwickelt habe, hätte sich in der Krise bewährt. Nun sei Österreich angesichts der Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung vieler Österreicher gefordert, auf die Schwächsten nicht zu vergessen:

„Die gleiche Energie und der gleiche Grundsatz, niemanden zurückzulassen, der für die Wirtschaft angewendet wurde, muss auch für das Soziale gelten. Zusammenstehen, Anpacken, auf die Schwächsten nicht vergessen. Das ist es, was Österreich groß gemacht hat, und diesen Weg sollten wir auch weitergehen.“

Forderung nach Sozialmilliarde

Landau betonte mehrmals, dass es wichtig sei, nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf Soziales zu schauen. Er fordert daher zusätzlich zu den Milliarden, die gerade in die Ankurbelung der Wirtschaft gesteckt werden, eine Sozialmilliarde:

„Wir haben die Gesundheitskrise bisher gut bewältigt. Ich glaube, es ist richtig, dass die Bundesregierung jetzt viel Geld in die Hand nimmt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Aber ich würde mir wünschen, dass es so etwas wie eine Sozialmilliarde für die Schwächsten im Land gibt.“

Der Caritas-Präsident forderte darüber hinaus eine Erhöhung der Ausgleichszulage auf 1.000 Euro sowie eine Anhebung der Nettoersatzrate. Außerdem hoffe er, dass die Bundesregierung sich dazu durchringen würde, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das von Türkis-Blau verabschiedet und vom Verfassungsgerichtshof zum Teil wieder aufgehoben wurde, zu reformieren.

Hilfswerk: Keine “psychosoziale Megakrise entstehen lassen”

Roland Wallner, Sprecher des Hilfswerk Österreich, weist im Gespräch mit ZackZack auf die teils schwierige Situation der Träger hin. Diese dürften in Hinblick auf die Finanzierung der durch die Krise entstandenen zusätzlichen Kosten hinsichtlich Versorgungssicherheit nicht im Stich gelassen werden. So etwa bei den Mehrkosten für Ausrüstung und Personal. Selbst beim „Corona-500er“ für die Mitarbeiter in den Sozialberufen ist die Frage „Wer zahlt?“ noch offen.

 „Es gab eine Reihe an zusätzlichen Ausgaben, die soziale Träger in die wirtschaftliche Bredouille bringen. Wir haben Angst, dass die Träger im Diskussionsprozess zwischen Bund und Ländern übrig bleiben.“,

so Wallner gegenüber ZackZack. Außerdem fürchte die Organisation insbesondere um jene Gruppen von Menschen, die durch die Effekte der Pandemie besonders im psychosozialen Bereich betroffen sind. Menschen, die bereits vor der Krise in schwierigen Lebenssituationen gesteckt sind:

„Wir müssen als Gesellschaft aufpassen, dass wir daraus nicht eine soziale und psychosoziale Megakrise entstehen lassen, sondern dass man diesen Menschen zur Bewältigung der Situation Hilfe angedeihen lässt.“,

mahnt Wallner.

Arbeitslosengelderhöhung

Unter anderem der Gewerkschaftsbund, die Arbeiterkammer, die SPÖ und die Volkshilfe fordern nach wie vor eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent. Die von der Regierung beschlossene Einmalzahlung in der Höhe von 450 Euro steht in der Kritik – dabei würde insbesondere auf die Ärmsten vergessen, macht Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe Wien, aufmerksam. Denn bei den sogenannten „Aufstockern“ – jenen, deren Einkommen so gering ist, dass sie zusätzlich Sozialhilfe beziehen – würde im derzeitigen Gesetzesentwurf nicht einmal dieser Betrag ankommen.

Die Debatte um die Arbeitslosengelderhöhung kann nicht getrennt werden von jener um Armut oder Armutsgefährdung – Österreich hat im EU-Vergleich mit 55 Prozent eine der niedrigsten Nettoersatzraten beim Arbeitslosengeld. Armut dürfe sich nicht verfestigen, fordert auch der Präsident der Volkshilfe, Ewald Sacher:

„Das aktuelle Arbeitslosengeld in Höhe von 55% des Nettoeinkommens befördert dauerhafte Armut anstatt sie zu bekämpfen. Gerade aufgrund von Corona ist davon auszugehen, dass arbeitslose Menschen derzeit nur schwer einen neuen Arbeitsplatz finden können. Sehen wir nicht dabei zu, wie sich Armut verfestigt, sondern schaffen wir armutsfeste Existenzgrundlagen.“

AK: Erhöhung des Arbeitslosengeldes würde sich zu 21 Prozent selbst finanzieren

Laut Arbeiterkammer würde die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 75 Prozent Kosten von rund 200 Millionen Euro monatlich verursachen – inklusive SV-Beiträgen. Jedoch würden sich auch höhere Rückflüsse ergeben: Rund ein Fünftel der Kosten würde sich im Bundesbudget durch Steuerrückflüsse bei erhöhtem Konsum selbst finanzieren.

„Das sind Ausgaben, die sich wirklich lohnen, da sie zunehmende Armut verhindern und den wachsenden Niedriglohnsektor eindämmen“,

äußerte sich dazu Erich Fenninger.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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