Donnerstag, März 28, 2024

Steiermark-Analyse: Die ÖVP siegt, ist aber nicht unbesiegbar

Steiermark-Analyse:

Am Sonntag wurden in der Steiermark Gemeinderatswahlen geschlagen. Die ÖVP siegt in den ländlichen Gebieten auf ganzer Linie. Doch in den Hochburgen der SPÖ bekommt sie keinen Fuß auf den Boden. Die FPÖ verliert. Eine Richtungswahl, oder nicht?

Wien 29. Juni 2020 | Das Gesamtergebnis täuscht: ÖVP 47,18% (+4,46), SPÖ 31,86% (+0,29), FPÖ 8,20% (-5,66), Grüne 4,75% (+1,42), KPÖ und NEOS wacker, aber weit abgeschlagen, ein paar Bürgerlisten mischen mit.

SPÖ in ihren Hochburgen unantastbar

„ÖVP siegt, SPÖ verliert“, war Sonntagabend in manchen Blättern zu lesen. Einmal abgesehen davon, dass die SPÖ am Ende noch ein kleines prozentuelles Plus schaffte, während sie einige wenige Mandate verlor, sagt das Gesamtergebnis wenig aus. Bei Gemeinderatswahlen geht es – no na – um Gemeinden. Dort zeigt sich ein differenziertes Bild:

In den kleinen ländlichen Gemeinden ist die ÖVP kaum zu schlagen und erzielt ein ordentliches Plus. Doch von Spital am Semmering bis nach Judenburg zerschneidet ein tiefrotes Band die schwarz gefärbte politische Landkarte: Die Mur-Mürz-Furche ist so fest in sozialdemokratischer Hand, als wäre die obersteirische Industrie nie in die Krise geraten. Leoben, Bruck an der Mur, Kapfenberg, Kindberg – das SPÖ-Kernland war für die sieggewohnte ÖVP unantastbar.

Das zeigt dreierlei. Erstens: Die ÖVP kann sich berechtigt als Wahlsieger sehen, muss aber akzeptieren, dass auch ihr Grenzen gesetzt sind. Zweitens: Der Graben zwischen städtisch und ländlich geprägten Regionen öffnet sich weiter und wird immer mehr zum bestimmenden Faktor. Drittens: Die Stabilisierung der Bundes-SPÖ beruht größtenteils auf ihrer lokalen und regionalen Stärke. Falls und wenn die SPÖ wieder zur dominierenden politischen Kraft im Land werden sollte, dann, indem sie von unten aufgebaut wird.

Die FPÖ ist nicht am Ende

Die FPÖ verliert überall, auch im und rund um das Ennstal, wo sie traditionell stark ist. Dort profitiert die SPÖ von der Schwäche der Blauen. Fast überall sonst laufen blaue Protestwählen in Scharen zur ÖVP über. Während die FPÖ auf ihr Kernwählerpotenzial reduziert wird, erweisen sich wie so oft vor allem die Rechtsparteien als kommunizierende Gefäße.

Bei der Wien-Wahl im Oktober wird es einen vergleichbaren Effekt geben, wenn FPÖ-Wähler ihr Kreuzerl bei HC Strache, aber vielleicht noch öfter bei der ÖVP machen werden. Wie viele Protestwähler sich dann für die SPÖ entscheiden, wird vor allem davon abhängen, ob die Bürgermeisterpartei es schafft, dass Verteilungsgerechtigkeit und nicht Einwanderung zum zentralen Wahlkampfthema wird.

Wer in der Steiermark die FPÖ am Ende sieht, täuscht sich mit einiger Sicherheit. Die blauen Stimmen wurden soeben auf die von Kernwählern beschränkt, aber Schwankungen wie diese sind für die FPÖ völlig normal. Solange ihr die Stammwähler die Treue halten, kann sie überleben, um in Zukunft wieder Protestwähler anzulocken, bis der Zyklus von neuem beginnt.

Bürgermeisterbonus

Überall auf der Welt legen in der Corona(wirtschafts)krise die Amtsinhaber zu. Das gilt auch für die steirischen Gemeinden. Es ist also kein Wunder, dass es FPÖ, KPÖ, NEOS und Grüne schwer haben, zu reüssieren. Apropos Grüne: Sie waren nie eine echte Lokalpartei und sind es auch durch ihre Regierungsbeteiligung im Bund nicht plötzlich geworden. Starke grüne Zugewinne waren folglich nicht zu erwarten. Im Grazer Speckgürtel, wo sie traditionell stark sind, konnten die Grünen Achtungserfolge erzielen. Ähnliches gilt für die KPÖ, die der Mur-Mürz-Furche teilweise vor der ÖVP liegt.

Es zeigt sich in der Steiermark im Kleinen, was die Umfragen im Bund ergeben: Die ÖVP ist in der österreichischen Politik im Moment, was Red Bull Salzburg im in der Fußball-Bundesliga ist – klar Erster, aber nicht unbesiegbar.

Thomas Walach

Titelbild: APA Picturedesk

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